50 Porträt | Ferdinand Friedensburg |
von Oldenburg-Januschau,
anerkennend: »Friedensburg ist zwar ein verfluchter
Demokrat, aber der beste Landrat, den der Kreis
seit langer Zeit gehabt hat.« Diese frühe Einschätzung des jungen
Friedensburg ist insofern von Bedeutung, weil man ihm jederzeit konzidieren muß, daß
er ein ausgeprägtes, zum Teil auch eigenwilliges Demokratieverständnis besessen
und auch vertreten hat. Das gilt sowohl für
seine Tätigkeit als Polizeipräsident von
Berlin (1925-1927), als auch ab 1927 als
Regierungspräsident in Kassel. Erst die Nazis haben
ihn dort abgesetzt.
Ferdinand Friedensburg, der seit 1919 der Deutschen Demokratischen Partei angehörte und später Mitglied des Reichsbanners war, scheute keine Auseinandersetzungen mit politischen Freunden und Gegnern. Er suchte in der Weimarer Republik nach einer Synthese aus allen demokratischen Kräften. Radikale Linke schloß er hierbei allerdings weitgehend aus. Die Nationalsozialisten bekämpfte er mit Entschiedenheit. In den Jahren nach 1933 widmete er sich vertiefenden wissenschaftlichen Studien, die ihm nach dem Krieg zugute kommen sollten. Von der sowjetischen Besatzungsmacht wurde er 1945 als Präsident der »Zentralverwaltung für die Brennstoffindustrie der sowjetischen Besatzungszone« eingesetzt, jedoch wegen politischer Differenzen nach etwa einem Jahr wieder abgesetzt. Mit den ersten Nachkriegswahlen zur Stadtverordnetenver | ||||||
Wolfgang Triebel
Ein »verfluchter« Demokrat Ehrenbürger Ferdinand Friedensburg
Zeit seines Lebens war Ferdinand Friedensburg ein Gerechtigkeitsfanatiker. Viele persönliche Eigenheiten und typische Charakterzüge erhielt er als Mitgift aus dem Elternhaus. Friedensburg entstammte einer preußischen Beamtenfamilie, sein Großvater war Oberbürgermeister von Breslau, sein Vater ein hoher Jurist. Am 17. November 1886 in Schweidnitz/Niederschlesien geboren, besuchte der junge Friedensburg von 1893 bis 1905 das Steglitzer Humanistische Gymnasium. Eine Zeit, die er sehr genoß. Nach eigenen Angaben haben diese Jahre sein Denken entscheidend geprägt. Nach dem Abitur studierte er Bergbauwissenschaft, Jura und Volkswirtschaft und promovierte 1911 in Breslau zum Dr. phil. Nach einer kurzen Tätigkeit als Bergassessor in Berlin und einem Studienaufenthalt in England arbeitete er von 1921 bis 1925 als Landrat im Kreis Rosenberg in Ostpreußen. Obwohl dort nach dem Ersten Weltkrieg die Monarchisten den Ton angaben, bekannte einer der Honoratioren des Kreises, Elard | ||||||
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sammlung von Berlin 1946 wurde
Ferdinand Friedensburg Bürgermeister und
stellvertretender Oberbürgermeister. Er war
zeitweise amtierender Oberbürgermeister von
Berlin. In seine Amtszeit fielen solche
gravierenden Ereignisse wie die Übernahme der
Währungsreform der westlichen Besatzungszonen in West-Berlin, die Spaltung des
Berliner Magistrats, die Luftbrücke und die Vorbereitung der Bildung des Westberliner Senats 1951. Später war Friedensburg, der zu den Mitbegründern der CDU gehörte, Berliner Vertreter im Deutschen
Bundestag und wurde 1962 dessen
Alterspräsident. Zwischen 1954 und 1965 gehörte er dem Europaparlament in Strasbourg an.
Zu den wichtigsten politischen Leistungen Ferdinand Friedensburgs in seiner Zeit als Berliner Bürgermeister und amtierender Oberbürgermeister gehören ohne Zweifel seine Anstrengungen, die Spaltung des Magistrats von Berlin zu verhindern. Er handelte nach seinem Gewissen, entgegen dem Rat des amerikanischen Sonderbotschafters Murphy und einer von Ernst Reuter im Magistrat geführten Gruppe. Die an der Spaltung interessierten Kräfte bei den Besatzungsmächten im Ostsektor und in den Westsektoren behielten jedoch die Oberhand. Bei allen komplizierten Problemen hat sich Friedensburg seinen realistischen Blick für politische Entwicklungen bewahrt. Das kommt auch darin zum Ausdruck, daß ein um ihn gebildeter Arbeitskreis am 27. Dezember 1946 »Vor | schläge für eine personelle
Zusammensetzung einer zukünftigen deutschen
Regierung« vorgelegt hat. Dieser Regierung
sollten fünf Persönlichkeiten der CDU, vier
der SPD, zwei der SED, einer der LDP und ein Parteiloser angehören. Genannt wurden u.
a. Jakob Kaiser, Paul Löbe, Wilhelm Külz,
Otto Grotewohl, Ernst Lemmer, Ferdinand Friedensburg, während Adenauer,
Schumacher, Pieck und Ulbricht in der
Vorschlagsliste nicht vorkamen. Die Auswahl dieser
Persönlichkeiten korrespondierte mit seinen
schon in den 20er Jahren angedachten Vorstellungen von Demokratie.
Angesichts der 1946 sich zuspitzenden Tendenzen zum
kalten Krieg hatten diese Vorstellungen wenig Chancen zur Realisierung.
Nach seinem Ausscheiden aus der aktiven Politik widmete er sich verstärkt der Leitung des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung in West-Berlin. Als dessen Präsident führte er diese wissenschaftliche Institution zu einem der geachtetsten Wirtschafts-Forschungsinstitute in Deutschland und in Europa, ihm gelang eine Koordinierung der Forschungsarbeiten über die deutschen Grenzen hinaus, nicht zuletzt dank seiner politischen und wissenschaftlichen Autorität im In- und Ausland. Seine Ehrenbürgerschaft Berlins ist vor allem durch diese zwei Seiten seiner politischen und wissenschaftlichen Tätigkeiten im Nachkriegsberlin begründet. Ferdinand Friedensburg starb am 11. März 1972 in Berlin. | ||||
© Edition Luisenstadt, Berlinische Monatsschrift Heft 10/1996
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