75   Novitäten Einweihung des Hotels Adlon  Nächstes Blatt
kaum für möglich gehalten hatten, geschah: Nach einer Audienz Adlons beim Kaiser war das wenig baufällige Palais plötzlich »ein alter Kasten«, der nicht mehr unter Denkmalschutz stand. Und der Hotelbau wurde trotz vielseitiger Proteste genehmigt.
     Bereitwillig gewährten Banken 17 Millionen Mark Kredit - damals eine gewaltige Summe, 5,5 Millionen Mark mehr als die Baukosten für den 1905 fertiggestellten Dom, dem übrigens auch ein Schinkel-Bau weichen mußte. So konnte Adlon die namhaften Architekten Gause und Leibnitz, bekannte Bildhauer und Maler, wie Schott, Bossard, Andresen, Stassen und Friling, sowie die leistungsfähigsten Werkstätten aus Berlin, München, Frankfurt am Main und Köln mit der Ausführung seiner Ideen betrauen.
     Nach zweijähriger Bauzeit ließ Adlon verkünden: »Der Genius des Hohenzollerngeschlechts, die Victoria auf dem Brandenburger Tor, begrüßt ein neues Wahrzeichen der Weltstadt Berlin. Auf dem Forum der preußischen Siegesglorie erhebt es sich stolz zum Himmel, das Werk des völkerverbindenden Friedens - das Hotel Adlon, ...
     das Berlin seinen Schwestern an der Seine, an der Themse und jenseits des großen Wassers im Zeichen des Verkehrs ebenbürtig gemacht hat.« Am 23. Oktober 1907 weihten Kaiser Wilhelm II., die Kaiserliche Familie sowie Vertreter des Hofstaates das Hotel feierlich ein.
Heinz Menge
23. Oktober 1907:
S. M. weiht das neue
»Weltwunder« ein

Daß das Hotel Adlon etwas ganz Besonderes werden würde, war bereits vor seiner Fertigstellung in aller Munde. Hatte sich doch Seine Kaiserliche Majestät höchstpersönlich dafür engagiert. Schon als Kronprinz hatte Wilhelm den Lorenz Adlon kennengelernt, der es vom Handwerkersohn zum Besitzer bzw. Miteigentümer mehrerer Berliner Gaststätten und Hotels gebracht hatte. Er war begeistert von dessen Idee, daß Berlin ein »Welthotel« brauche, welches sich mit den vornehmsten Häusern rund um den Erdball messen könne. Doch es vergingen Jahre, in denen Lorenz Adlon von der Realisierung seines Projekts nur träumen konnte. Er behielt es aber im Auge und erfreute sich weiterhin der Gunst des Kronprinzen, der seit 1888 auch als Kaiser gelegentlich sein neues, berühmtes Terrassenkaffee im Zoologischen Garten besuchte. Erst um die Jahrhundertwende eröffnete sich den Ideen Adlons eine Chance. Das einst von K. F. Schinkel erbaute Palais Redern Unter den Linden 1 stand zum Verkauf. An diesem geradezu idealen Platz wollte Adlon sein »Welthotel« errichten. Was viele


BlattanfangNächstes Blatt

   76   Novitäten Einweihung des Hotels Adlon  Voriges BlattNächstes Blatt
Danach fand eine Besichtigung statt, es fielen viele anerkennende und bewundernde Worte, schließlich gab es einen Ehrentrunk - »84er Steinberger Auslese bestes Faß«, wie Adlon protokollieren ließ. Im Anschluß daran gab es für die Mitglieder der Kaiserlichen Familie »das erste Diner, das in dem neuen Hause serviert wurde«. Der Kaiser ist »der erste zahlende Gast im Hause gewesen, der, wie der Berliner sagt, Handgeld gegeben hat«. Nachdem am 24. Oktober 1907 die nachgeordnete Prominenz geladen war, überboten sich alle Berliner und viele andere Zeitungen in Lobpreisungen des »Welthotels«, dessen Fassaden sich 38 Meter unter den Linden und 31 Meter am Pariser Platz entlang erstreckten. Schon die Eingangshalle beschrieb man als wahres Kunstwerk: »Auf die helle Marmorpracht ist rötlich poliertes Nußbaum als Holzwerk der Türen und Möbel mit vergoldeten Schnitzereien und Bronzebeschlägen inszeniert, und dazu kommt als dritter Hauptton der gelbe Seidensamt der Möbelbezüge ...« Über die drei Fest- und Speisesäle hieß es, »daß sich hier die olympischen Götter in
Außenansicht des Adlon im Jahre 1907

BlattanfangNächstes Blatt

   77   Novitäten Einweihung des Hotels Adlon  Voriges BlattArtikelanfang
heiterer Tafelrunde wohl fühlen könnten, so klassisch muten die Säle an«. Daneben gab es mehrere Gesellschaftssäle und »lauschige Restaurants«. Das Hotel bot 140 Appartements an, die aus mehreren Räumen und einem Bad bestanden, »abwechselnd im Louis Seize-, Empire-, Biedermeier-, Sheraton- und Adamsstil gestaltet«. Daß es außerdem 165 Hotelzimmer in abgestuften Preisklassen enthielt, die »nur« mit Waschnische ausgestattet waren, entsprach damals durchaus höchstem internationalen Niveau. Tatsächlich war das »Adlon« das luxuriöseste, prunkvollste, eleganteste, modernste und natürlich auch teuerste Hotel Berlins und ganz Deutschlands. Durch seine prominenten Gäste - von Königen und Fürsten über Roosevelt, Rockefeller und Ford bis Charlie Chaplin und Marlene Dietrich reichte die Palette - wurde es zu einer Legende.

Bildquelle:
»Illustrierte Zeitung« vom 31. 10. 1907

Der große Saal im Adlon


BlattanfangArtikelanfang

© Edition Luisenstadt, Berlinische Monatsschrift Heft 10/1996
www.berlinische-monatsschrift.de