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Hainer Weißpflug
7. Oktober 1727:
Per Edikt
Hecken statt Zäune

Friedrich Wilhelm I. (1688-1740) war vom ersten Tage seines Regierungsantritts an (1713) bemüht, die noch immer fühlbaren
Folgen des 30jährigen Krieges in Preußen rasch zu überwinden. Noch immer waren zahlreiche Bauernhöfe und Dörfer verwaist, ganze Landstriche verwildert und ungenutzt. Mit größerem Einsatz als sein Vater König Friedrich I. (1657-1713) betrieb der Sohn die Wiederbevölkerung der Städte und Dörfer Preußens. Alle Dörfer mußten dem König genaue Verzeichnisse über wüste Hufen einreichen, auf welchen er Bauern ansiedelte, denen für die ersten Jahre zahlreiche Vergünstigungen eingeräumt wurden. Die Hebung der Bodenkultur, die Urbarmachung ausgedehnter öder bzw. verwilderter Landstriche und die Verbesserung der Lage der bäuerlichen Bevölkerung lagen ihm besonders am Herzen. Darin sah der Soldatenkönig nach der Organisation des Verwaltungsapparates und des Staatswesens eine der entscheidenden Voraussetzungen für eine starke preußische Armee.
     Gartenbau und Baumzucht spielten in den Überlegungen des Königs ein große Rolle,

wie zahlreiche Edikte und Befehle des Königs beweisen. Bereits im Jahr seines Regierungsantritts erläßt er eine Verfügung über die Pflege des Obstbaus und der Baumzucht, am 21. Juni 1719 folgt ein Edikt, in dem er seine Unzufriedenheit mit der Durchführung seiner Befehle bekundet. Um den Mangel an Bäumen zu beheben, befiehlt er allen Gemeinden des Landes, Plätze
einzuhegen, auf denen Bäume herangezogen werden; Amtshauptleute und Domänenbeamte sollen bei der Anlage von Baumschulen ein gutes Beispiel abgeben; Heiratswillige sollen erst getraut werden, wenn sie nachweisen können, wenigstens sechs Obstbäume gepflanzt und zwei Groschen für die Anpflanzung von sechs Eichen durch das Forstamt entrichtet zu haben; Prediger und Beamte, welche sich in der Sache säumig zeigten, sollen mit Strafe belegt werden. Alle Untertanen sind angehalten, Rüstern, Linden, Weiden, Espen und anderes nutzbares Holz zu pflanzen, »wo es sich nur immer schickt«, damit wüste Plätze genutzt werden, dem Wind gewehrt wird und Häuser durch Umpflanzung vor dem Übergreifen von Feuersbrünsten geschützt werden. Schließlich sollen Prediger und Beamte der Domänen die Untertanen im Pflanzen, Propfen und Pflegen der Bäume unterweisen. Am 25. September 1727 folgt eine weitere Kabinettsorder, die sämtliche Provinzialkammern anweist, dafür zu sorgen, daß alle


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Untertanen alljährlich eine gewisse Anzahl von Weiden pflanzen.
     Mit dem Edikt vom 7. Oktober 1727 befiehlt Friedrich Wilhelm I., in den Dörfern statt der gebräuchlichen Holzzäune lebendige Hecken von Schwarzdorn und ähnlichen Straucharten anzulegen. Die Anlage fester Holzzäune um die Gehöfte verlangte zwangsläufig eine große Menge Holz. Holz aber war knapp. Immer wieder hatten sich schon die Kurfürsten mit diesem Problem beschäftigt. Vor allem der Holzbedarf der rasch wachsenden Bevölkerung Berlins veranlaßte die Herrscher, Holzordnungen zu erlassen, um Diebstähle zu unterbinden und die Brennholzversorgung zu sichern.
     So liegt nahe, daß anstelle der Holzzäune Hecken von Schwarzdorn und ähnlichen Straucharten angelegt werden sollten, um den Holzbedarf in Grenzen zu halten. Hecken schützen Gebäude und Gärten auch viel besser als Lattenzäune vor dem überall in Berlin und seinem Umland anzutreffenden Sand, den der Wind über die wertvollen Äcker und Gärten wehte und dadurch ihren Ertrag vernichtete oder senkte.
     Dieses Ziel wird auch im Zusammenhang mit der Maulbeerbaum- und Seidenraupenzucht deutlich, die einen besonderen Stellenwert in Friedrich Wilhelms Plänen zur wirtschaftlichen Entwicklung Preußens hatte. Als er den Bitten französischer Einwanderer um Anweisung von wüsten Plätzen zur Anlage von Maulbeerplantagen ent
sprach und Plätze im Tiergarten freigab, stellten die Siedler den Antrag auf sechs Morgen Fichtengehölz. Sie benötigten es für Einzäunungen der Plantagen zum Schutz vor dem Wild aus dem Tiergarten. Darauf antwortete Friedrich Wilhelm I.: »Betreffend das von den Frantzosen und Orangeois Verlangte Holtz halten wir nicht nöthig selbiges Ihnen gegen Erlegung der Taxe zu accordiren, zumahlen dann, wann Sie, wie es in Braband und anderen orten üblich ist, umb Ihre plantage Graben aufwerffen und selbige oben auf mit Dornen und anderem Buschwerk bepflanzten, Sie mit der Zeit eine lebendige beständige Hecke gewinnen ...« (Bogdan Krieger: Das königliche Schloß Bellevue bei Berlin, Berlin 1906, S. 11/12)

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© Edition Luisenstadt, Berlinische Monatsschrift Heft 10/1996
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