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Berlin an das Adlige Kadettenkorps in der Neuen Friedrichstraße 13 versetzt, wo er 16 Jahre als Ausbilder fungiert.
     Die Versetzung war zugleich der Beginn einer neuen Karriere, nämlich der eines Schriftstellers. Rund 120 Publikationen stammen aus seiner Feder. So veröffentlichte er z. B. 1805, 1809 und 1810 in der von J. E. Biester herausgegebenen »Neuen Berlinischen Monatsschrift« unterhaltsame Beiträge über Altertumswissenschaften und »den alten Dessauer« (Leopold Friedrich Franz Fürst von Anhalt-Dessau).
     Überaus kontaktfreudig knüpft er in der Residenzstadt Berlin Verbindungen zu führenden Persönlichkeiten aus Militär und Wissenschaft (G. D. v. Scharnhorst, A. Hirt, M. H. Klaproth) und gründet 1801 bzw. 1806 die heute längst in Vergessenheit geratene »Militärische« und »Gesetzlose Gesellschaft«. Durch die Berufung im Jahre 1810 zum Erzieher (»Gouverneur«) des Prinzen Carl von Preußen (1801-1883), dem drittältesten Sohn Friedrich Wilhelms III. und der Königin Luise, erhält er direkten Zugang zum Königshaus und zur Berliner Hofgesellschaft.
     Die Kinder des Königs sind vor allem durch den Kunst- und Altertümersammler Minutoli, quasi seine dritte Karriere, sehr
beeindruckt. Fast jede Woche kann er mit neuen Erwerbungen aufwarten. Mal ist es ein mittelalterlicher Humpen, mal ein Sattel Friedrichs des Großen, mal eine komplette
Harry Nehls
Späte Ehrung

Anmerkungen zum 150. Todestag von Minutoli

Nicolas Jean Henri Benjamin Menu, bekannter unter dem Namen Johann Heinrich Freiherr von Minutoli (BM 7/95), wurde am 12. Mai 1772 in Genf geboren. Auch wenn der Freiherrntitel ein angemaßter war, so war Minutoli doch ein aufrichtiger Patriot und Preuße: Schon mit 14 Jahren trat er aus Begeisterung für das Militär in preußische Heeresdienste. Niemand anders als Friedrich der Große, den Minutoli zeitlebens verehrte und dem er 1840 eine heute noch lesenswerte Monographie widmete, schrieb kurz vor seinem Tode: »Wenn der junge Menu (...) soviel Fähigkeiten besitzet, daß wirklich etwas an ihm ist, so will Ich es wohl erlauben, daß Ihr (gemeint ist ein Oberst v. Dittmar, H. N.) ihn bei dem Feld Artillerie Corps als Bombardier annehmet.« Die anvisierte Militärkarriere Minutolis sollte allerdings schon sieben Jahre später enden. Denn am 21. Mai 1793, während des sogenannten 1. Koalitionskrieges gegen Frankreich, zog er sich bei der Verteidigung der bei Mainz gelegenen Gustavsburg eine schwere Armverletzung zu. Acht Monate später, am 21. Januar 1794, wird er nach


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Sammlung ostpreußischer Antiquitäten. So ist es kein Wunder, daß insbesondere Kronprinz Friedrich Wilhelm (IV.) und Prinz Carl alsbald der Sammelleidenschaft frönen. Noch heute zeugen davon die, wenn auch mittlerweile stark dezimierten, Antiken in den Römischen Bädern und Schloß Charlottenhof in Potsdam-Sanssouci sowie diejenigen des Schinkel-Schlosses Klein-Glienicke bei Potsdam und die Flugblattsammlung des Prinzen Carl im Landesarchiv Berlin.
     Minutoli indes bereitete sich stillschweigend auf sein wohl größtes Abenteuer vor: Eine für damalige Zeiten nicht ganz ungefährliche Expedition nach Ägypten. Er studierte eifrig die antiken Autoren (Herodot, Strabo) und neuzeitlichen Reiseschriftsteller (Niebuhr, Denon) und lernte sogar Arabisch. Unmittelbar vor seiner Abreise aus Berlin, die am 23. Mai 1820 erfolgte, ernannte ihn die Berliner Akademie der Wissenschaften zu ihrem Ehrenmitglied.
     Während seines nahezu einjährigen Aufenthalts in Ägypten gelang es Minutoli, eine ansehnliche Altertümersammlung zusammenzutragen. Darunter auch 55 Papyrosrollen, heute sämtlich in der Ägyptischen Abteilung des Bodemuseums , die für die Entzifferung der Hieroglyphen eine nicht unerhebliche Rolle spielen sollten. Nicht nur die damals berühmtesten Philologen (Boeckh, Dissen, Kosegarten, Spohn),
sondern selbst Wilhelm v. Humboldt haben sich zeitweilig mit diesen wertvollen Schriftdokumenten wissenschaftlich beschäftigt.
     Am 22. Mai 1823 verkaufte Minutoli für 22 000 Goldtaler seine Aegyptiaca dem preußischen Staat und legte damit den Grundstock für das seit 1827 eröffnete Ägyptische Museum in Berlin, das seinerzeit im Schloß Monbijou untergebracht war.
     Eine weitere patriotisch motivierte Pioniertat war der Verkauf seiner sogenannten Sammlung vermischter Altertümer (Prähistorisches und Provinzialrömisches) im Jahre 1824, mit der er abermals den Grundstock für eine Berliner Museumssammlung, das »Museum vaterländischer Alterthümer« (heute Museum für Vor- und Frühgeschichte), legte. 1830 überließ Minutoli der Ethnographischen Museumsabteilung in Berlin (heute Museum für Völkerkunde) zum Einkaufspreis eine respektable Sammlung mexikanischer bzw. altamerikanischer Altertümer.
     Darüber hinaus vermittelte er bedeutsame Antikenankäufe für die Berliner Museen. So plädierte er z. B. schon 1833 für die Erwerbung der ägyptischen Altertümersammlung des ehemaligen französischen Generalkonsuls Bernardino Drovetti in Ägypten, die dann 1837 tatsächlich bestätigt wurde.
     Daß die mittelalterliche, aus Norwegen stammende Holzstabkirche Wang, sie wurde 1842 in das schlesische Riesengebir-

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Johann Heinrich Freiherr v. Minutoli (1772-1846), gezeichnet von seinem jüngsten Sohn, 1824


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ge versetzt, heute noch existiert, ist nicht zuletzt Minutoli zu verdanken.
     Trotz seiner zahlreichen Verdienste für den preußischen Staat geriet Minutoli, der am 16. September 1846 in Berlin starb und nur wenige Tage später im Range eines preußischen Generalleutnants auf dem Alten Garnisonfriedhof in der Kleinen Rosenthaler Straße/Ecke Linienstraße beigesetzt wurde, alsbald in Vergessenheit. Ein Grund hierfür dürfte sein, daß mit zunehmender Industrialisierung der Gesellschaft kein Interesse mehr an derartigen romantischen Biedermeiergestalten bestand.
     Immerhin gedachte seiner erstmals wieder der bekannte Afrikaforscher und -reisende Gerhard Rohlfs (1831-1896), der anläßlich seines Aufenthalts in der Libyschen Wüste im Jahre 1874 Minutoli zu Ehren einen Berg in der Nähe der Oase Siwa auf den Namen »Minutoliberg« taufte. Danach wurde es wieder still um ihn.
     Vor kurzem jedoch, am 12. Mai 1996, wurde auf dem Berliner Garnisonfriedhof ein Ehrengrabstein für Minutoli aufgestellt.
     Somit hat ihn die späte Ehrung, die ihm Berlin zweifellos schuldig war, doch noch eingeholt.
     Minutoli war zweimal verheiratet. Von 1801 bis 1812 mit der preußischen Generalstochter Charlotte v. Woldeck, seit 1820 mit der - gleichfalls schriftstellernden - Gräfin Wolfardine von der Schulenburg (1794-1868), die ihn auf seiner Reise nach Ägypten beglei
tet hatte. Seine drei Söhne Adolf, Julius und Alexander stammen aus erster Ehe. Alle drei waren nahezu ebenso beflissene Kunstsammler wie ihr Vater, wenn auch unterschiedlicher Couleur: Adolf brachte es bis zum Hofmarschall, wurde jedoch 1848 in Meiningen meuchlings ermordet. Julius bekleidete kurzzeitig (1847/48) das Amt des Polizeipräsidenten von Berlin. Der jüngste, Alexander, wird derzeit gerade in seiner Eigenschaft als Privatsammler im hiesigen Kunstgewerbemuseum durch die sehr empfehlenswerte Sonderausstellung »Glück, Leidenschaft und Verantwortung« (BM 8/96) gewürdigt.

Literatur: H. Nehls, Minutoli, in: Neue Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Bd. 17. Berlin 1994, S. 549-551

Bildquelle: Archiv Autor


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© Edition Luisenstadt, Berlinische Monatsschrift Heft 10/1996
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