60   Berlin im Detail Fußtouren  Nächstes Blatt
Marschall Ney besiegte, dafür erhielt er den Grafentitel »von Dennewitz«).
     Die Aufnahme des Kreuzungsverkehrs erfolgte am 24. Oktober 1926, wobei sich die beiden Linien auf der Station Nollendorfplatz erneut treffen, ehe sie sich nach der nächsten Station Wittenbergplatz endgültig voneinander verabschieden. Durch die Mauererrichtung am 13. August 1961 wurde die von der Vinetastraße (Bezirk Pankow) kommende Linie eingestellt und der Bahnsteig ab 1989 kurzzeitig als Endstation der Magnetbahn genutzt, die jedoch 1992 ihren Betrieb einstellte. Mit der Wiederherstellung der durchgehenden Linie von Vinetastraße nach Ruhleben erwachte das Gleisdreieck wieder aus seinem Dornröschenschlaf.
     Die Bahnhofsgestaltung erfolgte durch Sepp Kaiser auf dem Gelände der verstaatlichten Potsdamer, Anhalter und Dresdner Bahn. Zwischen dem Bahnhof und der Hausdurchfahrt Dennewitzstraße befindet sich der Potsdamer Güterbahnhof.
     Nach dem Passieren der Luckenwalder Straße erreichen wir am Landwehrkanal die Reichsbahndirektion, Schöneberger Ufer 1-4. (2) Das Gebäude wurde vor 100 Jahren (1892 bis 1895) auf ehemals moorigem, oft überschwemmtem, von vielen Wasserläufen durchzogenem und als Bullenwiese genutztem Grund nach Kanalisierung aufgrund des Lennéplans 1845 bis 1850 erbaut. Das Verwaltungsgebäude lag ursprünglich an einem südlichen

Rund um das Gleisdreieck

Fußtouren durch Berlin

Vorgeschlagen wird ein anderthalbstündiger Spaziergang zwischen dem Potsdamer und Anhalter Bahngelände, der seinen Beginn am U-Bahnhof Gleisdreieck, dem Schnittpunkt der Linien U 1 und U 2, nimmt und auch dort wieder endet. Versehen mit stadtgeschichtlichen Erklärungen über Entstehung, Zerstörung und Erhaltung von Straßen, Plätzen und Bauten, begeben wir uns in eine von der Bahn geprägte Gegend.
     Der U-Bahnhof Gleisdreieck (1) existiert seit August 1913. Vorher kreuzten sich hier die Gleise der Stammlinien zwischen Potsdamer Platz und Warschauer Brücke sowie zum Zoologischen Garten. Erbaut wurden die Linien durch die Hochbahngesellschaft der Firma Siemens & Halske. Nach dem Unglück am 26. September 1908, als in der Luckenwalder Straße 2 ein U-Bahn-Wagen abstürzte, entstand die Entlastungslinie über Kurfürstenstraße zum Nollendorfplatz mit der Hausdurchfahrt an der Dennewitzstraße (Name seit 27. November 1864 nach der Gemeinde Dennewitz bei Jüterbog, wo General Bülow 1813 in den Befreiungskriegen die französische Armee unter


BlattanfangNächstes Blatt

   61   Berlin im Detail Fußtouren  Voriges BlattNächstes Blatt
Wasserlauf zwischen Halleschem Tor und Köthener Straße. 1849 entstand auf der gegenüberliegenden Seite im Zusammenhang mit dem Bau des Landwehrkanals sogar ein Hafenbecken, plaziert zwischen dem alten Schafgraben und dem neuen Kanal.
     Nach Überschreiten der Köthener Brücke erreichen wir die Köthener Straße - früher die Obere Friedrichvorstadt, ein Geheimratsviertel. (3) 1844 wohnten hier Bettina von Arnim (1785-1859), um 1900 Friedrich von Holstein (1837-1909), die Nr. 44 beherbergte den S. Fischer Verlag. Am Karlsbad hinter dem Schöneberger Ufer lebte 1850 der Romantiker Joseph von Eichendorff (1788-1875) und von 1880 bis 1895 der Dichter-Ingenieur Heinrich Seidel (1842-1906), der das Dach des Anhalter Bahnhofs konstruierte.
     Rechter Hand liegt der zwei Hektar große Mendelssohn-Bartholdy-Park am Hafenplatz (4), der anstelle des im Zweiten Weltkrieg zerstörten und Ende der 50er Jahre zugeschütteten Schöneberger Hafens zwischen 1961 und 1967 mit neuer Uferstraße angelegt wurde. Der Namensgeber des wohnungsnahen Stadtteilparks Felix Mendelssohn Bartholdy (1790-1839) liegt auf dem nahen Kirchhof der Jerusalems- und Neuen Kirchengemeinde (Mehringdamm) neben seiner Schwester Fanny begraben. Im Park trägt ein Findling das Porträt des Komponisten, das von Ivo Breuker geschaffen wurde.
     Der Hafenplatz war vor dem Kanalbau bis
Verlauf der Fußtour
U-Bahnhof Gleisdreieck
Reichsbahndirektion
Köthener Straße
Mendelssohn-Bartholdy-Park
Schöneberger Straße
Bahnhofsgelände
Möckernstraße
Anhalter Güterbahnhof
Museum für Verkehr und Technik
Luckenwalder Straße

BlattanfangNächstes Blatt

   62   Berlin im Detail Fußtouren  Voriges BlattNächstes Blatt
1861 Weichbildgrenze zwischen Berlin und dem Kreis Teltow. Vom Hafen führte früher ein Gleis zum Anhalter und zum Potsdamer Bahnhof als Anschluß zum Schöneberger Hafen, wo nach 1945 eine Trümmerverwertungsanlage notwendig wurde. Am Hafenplatz stand an der Ecke Dessauer Straße das Maurische Haus, 1857 als Klinkerbau erbaut, in der Nr. 4 befand sich die Reichslandwirtschaftskammer und die Philharmonie mit der Front zur Bernburger Straße. Die Adresse Hafenplatz 2 zierte von 1858 bis 1866 die Visitenkarte des Pädagogen Adolf Diesterweg (1798-1866), der in diesem Haus an Cholera starb. Theodor Fontanes (1819-1898) »Cécile« wohnte in der 7 a und Adolph Menzels (1815-1905) Bilder »Bauplatz mit Weiden« sowie »Balkonfenster« entstanden hier. Beide wohnten in der Nähe, Fontane in der heutigen Stresemann-/Ecke Dessauer und Menzel bei seiner Mutter in der Schöneberger Straße 18.
     Die inzwischen erreichte Schöneberger Straße (5), die seit 1843 diesen Namen trägt, führt zum heute nicht mehr existierenden Anhalter Tor. Im Spillerschen Haus (Nr. 19) von 1843, viergeschossig mit Seitenflügel und Quergebäude für Werkstätten, begannen Werner Siemens (1816-1892) und Johann Georg Halske (1814-1898) 1847 im ersten Obergeschoß mit der Telegraphenbaugesellschaft ihre Laufbahn. Später entstand ein Verwaltungsgebäude am Askanischen Platz 3, dann der Komplex Schöne-
berger Straße 1-4, 1914 an die Firma Varta übergegangen und 1930 für einen Siemens-Neubau in der Nr. 2 (noch vorhanden) genutzt. Der berühmte Historiker Theodor Mommsen (1817-1903), Universitätsprofessor, Mitglied der preußischen Akademie der Wissenschaften und 1902 zweiter Berliner Nobelpreisträger, wohnte in der Nr. 10. Im »Berliner Antisemitismusstreit« gehörte er als Verfechter der Toleranz zu den entschiedenen Gegnern von Heinrich Treitschke.
     An der Stelle der heutigen Neubauten für die Berliner Entwässerungswerke und das Gartenbauamt Kreuzberg stand einst die Feuerwache am Hafenplatz, ein dreigeschossiger Verblendbau von 1883/84. Dahinter die Pumpstation, 1873 bis 1876 für die Kanalisierungsanlagen im Radialsystem III erbaut, das als erstes Pumpwerk am 1. Januar 1878 in Betrieb genommen wurde. Seit 1974 befindet sich hier das Lapidarium mit einer Skulpturengalerie, die Denkmäler aus dem Tiergarten aufgenommen hat.
     Wird der Fußweg zur Möckernstraße eingeschlagen (6), so befindet man sich auf dem Gelände des Anhalter Personenbahnhofs und sieht den 1941 als Schutzraum errichteten Hochbunker, heute Lager für Senatsreserven. Vom Anhalter Bahnhof mit seiner wechselvollen Geschichte steht nur noch das Portal. Die erste Bahnhofsanlage, 1841 von Gustav Holzmann mit drei Gebäuden als Kopfbahnhof errichtet, wurde bereits 1875 wieder abgerissen. Der nächste

BlattanfangNächstes Blatt

   63   Berlin im Detail Fußtouren  Voriges BlattArtikelanfang
Bahnhofsbau stammte von Franz Heinrich Schwechten und Heinrich Seidel. 1880 schufen sie eine Bahnsteighalle von 170 Meter Länge, 61 Meter Breite und 34,25 Meter Höhe, mit sechs Bahnsteiggleisen und einem Raum für den Hofstaat. Durch den S-Bahn-Bau 1939 erfolgte der Abriß einiger Nebenbauten; 1946 wurde das Dach abgetragen; 1952 der Bahnhof stillgelegt; schließlich wurden 1959 die Reste gesprengt.
     Inzwischen wird die Möckernstraße (7), ehemals Militärstraße zu den Tempelhofer Feldern und seit 1864 so benannt, erreicht. In der Nr. 139-141 befanden sich das Reichspost-Fuhramt und die Großbriefabfertigung, heute ist es das Postamt 11. Die Hausnummern 128-130 gehören dem Amtsgericht II, das 1882 bis 1885 von Bauinspektor Heinrich Ludwig Alexander Herrmann erbaut wurde und 1914 eine Erweiterung durch Gebäude der Königlichen-Augusta-Töchterschule erfuhr. Der Neubau stammt von 1921. Imposant die Hochbahnbrücke; darunter befindet sich in mehreren Ebenen die Anhalter Bahn mit dem S-Bahn-Tunnel.
     Nach Überquerung des Landwehrkanals halten wir uns rechts und entdecken am Tempelhofer Ufer den Kopfbahnhof der Anhalter Güterbahn. (8) Auch diese Anlage wurde 1874 von Schwechten geschaffen, deren westlicher Teil jedoch beim U-BahnBau von der Möckernbrücke zum Fehrbelliner Platz 1971 dem Abriß zum Opfer fiel. Jetzt befindet sich hier ein Versuchs-
gelände des Museums für Verkehr und Technik.
     Einige Schritte weiter befindet sich in der Trebbiner Straße 9 der Haupteingang zum Museum. (9) Es hat sein Domizil in einem ehemaligen Wohn/Fabrik- und Pferdestallgebäude der Gesellschaft der Markt und Kühlhallen gefunden, das von Carl Linde erbaut und 1980 restauriert bzw. erweitert wurde. So werden den Besuchern u. a. zwei ehemalige Lokschuppen mit 41 Ständen, das Wohnhaus für Lokführer, zwei Abluftschornsteine von 1879 und der Wasserturm von 1908 präsentiert.
     Die Windmühlen entsprechen der leicht hügeligen Gegend, denn an gleicher Stelle stand um 1870 die Gimbergsche Mühle in der heutigen Obentrautstraße. Unterbrochen durch ausufernde Gleisanlagen, standen hier 1836 noch zehn Mühlen, ehe die Yorkstraße von 31 Gleisen (sieben von der Potsdamer, sechs von der Dresdner und 18 von der Anhalter Bahn) überquert wurde.
     Die Maschinen- und Kühlhäuser sowie das Kraftwerk in der Luckenwalder Straße (10) wurden abgerissen und neue Gebäude errichtet. Der Postpaketbahnhof mit der Nr. 4-6 entstand 1912 und war vorher Dresdner Personenbahnhof, 1875 erbaut und bereits 1882 wieder aufgegeben.
     Der Rundgang endet in unmittelbarer Nähe des Ausgangspunktes am U-Bahnhof Gleisdreieck.
BlattanfangArtikelanfang

© Edition Luisenstadt, Berlinische Monatsschrift Heft 10/1996
www.berlinische-monatsschrift.de