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tendirektor Erwin Barth (1880-1933) dem Engelbecken eine besondere Bedeutung zugemessen. Er hatte vorgehabt, in ihm ein Freibad zu errichten. Dazu sollten die »Norddeutschen Eiswerke« in der Köpenicker Straße (s. a. BM 3/93) warmes Wasser liefern. Gegen diesen Plan erhob der Kirchenvorstand der katholischen St.-Michael-Kirche schärfsten Protest und bezog sich dabei auf den Mai 1919, als das Becken schon einmal als Badeanstalt benutzt worden war
und die Würde der Kirche gestört hatte.
     Der Magistrat beschloß deshalb im November 1926, von der Errichtung eines Freibades vor der St.-Michael-Kirche Abstand zu nehmen. Als Wasserfläche aber sollte das Engelbecken erhalten bleiben.
     Am 11. September 1931 wurde begonnen, das Becken mit Wasser aus einem eigenen Tiefbrunnen zu füllen. Fünf Tage dauerte es, ehe die erforderlichen 10 000 Kubikmeter eingelaufen waren. Eine interessante Anlage war entstanden. Der »Berliner Lokal-Anzeiger« schrieb am 13. November 1931: »Das Bild des ruhigen Wassers mit den Spiegelungen der Umgebung wirkt in eng bebautester Stadt wie eine Oase von besonderem Reiz. Die japanischen Lilien, die das Wasser umkränzen, sind ebenso wie die Schlingpflanzen hervorragend gediehen.« Die Berliner nahmen die neue Anlage an. Zuerst wurde das Becken durch ein Schwanenpärchen belebt, das auch schon im ersten Jahr brütete. Im Sommer nutzten die
Frank Eberhardt
Petri Heil am Engelbecken

Zur Geschichte des Luisenstädtischen Kanals und seiner Umwandlung in eine Grünanlage wurde schon in der »Berlinischen Monatsschrift«, Heft 1/94 und 8/94, berichtet. Das durch Krieg und Mauerbau völlig zerstörte Engelbecken, in dessen Wasser sich die Fassade der St.-Michael-Kirche spiegelte, war einst das Herzstück des ehemaligen Luisenstädtischen Kanals. Die 105 Meter lange und 94 Meter breite Anlage wurde von 1846-1852 erbaut und am 15. Mai 1852 dem Verkehr übergeben.
     Das von Peter Joseph Lennè (1789-1866) entworfene Projekt soll nun in alter Schönheit wieder entstehen. Bis Ende 1996 wird die Randbebauung des Engelbeckens fertig sein. Am Legiendamm sowie am Heinrich-Heine-Platz entstehen bereits 20 vom Land Berlin geförderte Wohnungen sowie 40 Eigentumswohnungen. Außerdem werden Büros und Lagerflächen gebaut. Die Gesamtkosten belaufen sich auf 16 Millionen Mark. Unterschiedliche Fassaden werden die historische Parzellenstruktur andeuten.
     Bei der Zuschüttung des Kanals 1926-1928 und der Umgestaltung zu einem tiefliegenden Grünzug hatte der damalige Stadtgar


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Kinder das Engelbecken zum Planschen, im Winter, wenn es zugefroren war, zum Schlittschuhlaufen. Ungerufen fanden sich neben den Gänsen auch bald Enten ein, doch das ihnen zugeworfene Futter fraßen zum großen Teil die Karpfen, das Gartenamt Mitte hatte nämlich Fische eingesetzt. Orfen und Goldfische, Karpfen, Schleie, Welse und Zander tummelten sich im Wasser. Mittwochs und Sonntag nachmittags kamen besonders viele Spaziergänger. Dann war die Wasserkunst in Betrieb, aus einem Dut zend Rohren sprudelten Springbrunnen inmitten der Wasserfläche empor.
     Der eigentliche Höhepunkt in der Geschichte des Engelbeckens aber war der jährlich stattfindende Fischzug. Erstmalig wurde im Dezember 1936 das Engelbecken abgefischt. Wegen der starken Verkrautung konnten nur 2 1/2 Zentner Fische, vorwiegend Karpfen, gefangen werden. Darunter war auch ein Vierzehnpfünder, der bereits seit fünf Jahren im Engelbecken beheimatet war. Dieser Karpfen, von den Anwohnern
Die Kirche St. Thomas. Im Vordergrund der zugeschüttete Luisenstädtische Kanal.

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liebevoll Moritz genannt, hielt sich immer in der Nähe des Ufers auf und schnappte sich die dicksten Brocken, die die Spaziergänger ihm zuwarfen. Er wie sein etwas schwächerer Bruder Max waren schon bei der Wasserfüllung des Engelbeckens eingesetzt worden. In einer feierlichen Zeremonie war damals ein Zug fröhlicher Markthallenleute von der nahen Markthalle VII in der Dresdener Straße (im Zweiten Weltkrieg zerstört) zum Wasserbecken gezogen und hatte zwei Karpfen, Max und Moritz, dem neuen Gewässer übergeben.
     Ein Jahr später waren wieder ein paar hundert Schaulustige gekommen, um den Herbstfischzug im Engelbecken zu erleben. Auch die Obrigkeit in Person des Bezirksbürgermeisters war anwesend. Fast fünf Zentner Fische wurden diesmal gefangen, und das Anglerlatein blühte: »Mensch, ick sage dir, soo een Aal ham se schon hier jefangen. Et war die reenste Seeschlange.« - »Na und ick habe det Jejenteil jrade erlebt. Fische, sage ick euch. Se warn einfach nich zu sehen. Mit de Lupe mußte man se suchen.« Und ein Steppke sagte im Anblick eines prachtvollen Karpfens: »Mann, det sind doch wenichstens Fische! Da kommt die Friedrichsgracht nicht mit!« Trotz strömenden Regens waren auch 1939 wieder viele Berliner gekommen, um dem Ereignis zuzusehen. Diesmal war ein Teil des Wassers abgelassen worden, da die Fontänen, die das Becken gleichsam in drei Teile
gliederten, in den vorangegangenen Jahren den Fischzug nur in drei Bahnen ermöglicht hatten. Das nutzten die Karpfen häufig zum Entkommen. So hatten auch »Max« und »Moritz« die bisherigen Fischzüge überlebt - jeder sollte inzwischen um die 20 Pfund wiegen. »Det is meener, den hab ick jefüttert!« rief ein Zuschauer, als ein besonders fetter Bursche im Netz zappelte. Der zuständige Garteninspektor Martin meinte lächelnd, das sei ein rechter »Cyprinus Berolinensis«, der Typus eines liebevoll hochgepäppelten Berliner »Mastkarpfens«. 20 Zentner betrug diesmal die Ausbeute. Wohl zubereitet, verschwanden sie in den Mägen der Berliner.
     Der letzte Fischzug fand im November 1940 statt. Lag es daran, daß das Wasser nicht abgelassen worden war oder an der guten »Ernte« des Vorjahres - fast nur Schleie gingen ins Netz. Das führte natürlich zu entsprechenden Kommentaren der Zuschauer: »Menschenskinder, ick bring' Euch n' paar aus de Halle mit. Die schmeißt man wieder rin!« Der letzte Fischzug konnte nicht an die Erfolge der vorangegangenen anknüpfen.
     Nach dem Krieg folgte die Teilung der Stadt, die im Bau der Mauer gipfelte. Ende der 60er Jahre wurde das Engelbecken mit Trümmermaterial der umliegenden Ruinen zugeschüttet und der ganze Beckenbereich mit Grenzsicherungsanlagen der DDR überzogen.
     1990, gleich nach Öffnung der Grenze,

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St. Michaelkirche und das Engelbecken
wurden wieder Linden entlang des Kanals und rund um das Engelbecken gepflanzt. Probegrabungen zeigten, daß Mauern und Treppen der alten Anlage bei der Zuschüttung weitgehend intakt geblieben waren.
     Im April 1993 konnte der erste Abschnitt zwischen Engelbecken und Adalbertstraße, der sogenannte »Immergrüne Garten«, übergeben werden. Im Juni 1995 folgte der »Rosengarten« zwischen Engelbecken und
Waldemarbrücke. Dabei wurde auch wieder eine Kopie des »Indischen Brunnens« aufgestellt. Leider sind die Arbeiten am Engelbecken wegen der fehlenden finanziellen Mittel vorläufig eingestellt worden.

Bildquellen:
Luisenstädtischer Bildungsverein, Foto M. Uhlenhut, Archiv Autor


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© Edition Luisenstadt, Berlinische Monatsschrift Heft 10/1996
www.berlinische-monatsschrift.de