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ser Stiftung ein Instrument pflegen und weiterentwickeln kann, das es in der alten Bundesrepublik leider nicht gegeben hat: nämlich länderübergreifend künstlerisches Schaffen zu fördern. Obwohl eigentlich bekannt ist, daß ein Land allein überfordert ist, Kunst zu fördern, die weit über die eigene Region ausstrahlt. Unsere Stiftung ist als ein Ergebnis solidarischen Handelns der neuen Länder in der Wende anzusehen.
     Dann ist die Stiftung also ein glückliches Kind der Wende?
Dietger Pforte: Genau, denn da war schon etwas, was sich mit der Wende gewandelt hat: der Kulturfonds der DDR, bereits 1949 errichtet. Wie ich finde, eine großartige Einrichtung. Der »Kultursechser«, der ja ein Fünfer war, später dann der Groschen von jeder Eintrittskarte für eine Kulturveranstaltung, der in diesen Fonds einging. Es ist sehr anerkennenswert, daß der damalige Generaldirektor des Kulturfonds der DDR, Wolfgang Patich, gemeinsam mit dem letzten Kulturminister der DDR, Herbert Schirmer, in den letzten Wochen der DDR ganz schnell diese Stiftung errichtet hat.
     Zu DDR-Zeiten ist neben unserer Stiftung nur noch die Johann-Sassenbach-Stiftung entstanden, um das 120 Jahre Gewerkschaftsarbeit in Deutschland dokumentierende FDGB-Archiv zu retten.
     Unser Stammkapital, mit dem die Stiftung arbeitet, ist zustande gekommen durch 184 Millionen Mark, die die PDS an die

Berechenbare Kunst ist die Kunst von gestern

Dietger Pforte über das Wirken der Stiftung Kulturfonds

Beim Senat von Berlin waren Sie Autoren, Literaturwissenschaftlern und Literaturinteressierten ein vertrauter Ansprechpartner und Beförderer vieler Unternehmungen in Sachen Literatur. Vom Senat sind Sie nun zur Stiftung Kulturfonds gewechselt, als geschäftsführender Vorstand. Haben Sie das Feld der Literaturförderung aufgegeben? Dietger Pforte: Gottlob habe ich weiterhin mit Literatur und mit den Autoren zu tun. Aber nicht nur mit denen in Berlin und im Umland, sondern mit Schriftstellerinnen und Schriftstellern in allen neuen Ländern einschließlich Berlin. Zugleich bin ich auch für alle anderen Künste zuständig, die bildende und die darstellende Kunst, Musik, den Film, den Tanz. Die Stiftung hat die Aufgabe, Künstlerinnen und Künstler sowie Projekte zu fördern. Die Stiftung ist also nicht dazu da, das kulturelle Erbe zu pflegen. Das leisten andere Einrichtungen sehr überzeugend. Für mich ist das Reizvolle an dieser neuen Aufgabe nicht nur das Interdisziplinäre, sondern daß ich mit die


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DDR-Regierung abzuführen hatte. Hinzu kommt ein Vermögen aus Immobilien wie Schloß Wiepersdorf, das Haus Lukas in Ahrenshoop, die Häuser Klinger und Sonneck bei Naumburg. Das sind Einrichtungen, die zum Teil weiter von uns betrieben und gefördert werden als Orte, wo Künstler interdisziplinär arbeiten und leben können. Andere Häuser sind langfristig in eine andere Nutzung übergegangen, so das Ensemble Haus Klinger, aber sie sind weiterhin Eigentum der Stiftung Kulturfonds.
     Viele Groschen brachten Millionen. Eigentlich schade, daß diese nützliche »Steuer« im vereinten Deutschland keine Befürworter hat.
     Dietger Pforte: Ob es der Groschen sein muß, sei dahin gestellt. Aber es wäre wunderbar, wenn die alten Bundesländer unserer Stiftung durch Zustiftungen beiträten und die Stiftung Kulturfonds bundesweit tätig sein könnte. Dann wäre sie nicht nur für die neuen Länder, sondern für ganz Deutschland eine sinnvolle Ergänzung zur »Kulturstiftung der Länder«. Die »Kulturstiftung der Länder« sieht ja ihre vornehmste Aufgabe darin, Kulturgut zu sichern und in Deutschland zu halten. Und sie hat in den knapp acht Jahren, die sie tätig ist, enorm segensreich gewirkt.
     Die Zinsen vom Stiftungskapital werden kaum reichen, das zu verwirklichen, was Sie sich vorgenommen haben. Standen und stehen hier noch andere Mittel ins Haus?
Dietger Pforte: In den Jahren 1990, 1991 und 1992 gab es zusätzlich Mittel, um all den Künstlerinnen und Künstlern helfen zu können, die noch nicht in der Künstler-Sozialversicherung waren. Das war eine Überbrückungsfinanzierung. Dann sind
auch noch andere Mittel hinzugekommen. Ab 1997 müssen wir ausschließlich von den Zinserträgen leben können. Das sind dann um die sieben Millionen Mark, die jährlich für die Förderung zur Verfügung stehen. Eine Erweiterung wäre nur durch die schon erwähnten Zustiftungen der alten Bundesländer möglich. Im Moment aber, und das sollte man nicht verschweigen, ist dies ein Traum.
     Bei der Finanzsituation der Länder ist eher damit zu rechnen, daß das eine oder andere der neuen Länder meint, es sei gut beraten, seinen Kapitalanteil abzuziehen, um im eigenen Land eine eigene Landesstiftung effektiver zu machen. Solche Überlegungen gibt es zum Beispiel in Sachsen. Es wäre bitter, wenn es dabei bliebe. Ich will mich bemühen, hier zumindest einen Aufschub zu erwirken. Und ein Land wie Sachsen muß natürlich auch sehen, daß die Arbeit der Stiftung auch für Sachsen ganz wichtig ist. Vielleicht ist das in der Vergangenheit nicht immer ganz deutlich geworden. Und zugleich muß es meine Aufgabe sein, die anderen Länder bei der Stange zu halten. Die Stiftungssatzung sieht beim Austritt mehrerer Länder vor, die Stiftung

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zu liquidieren. Auch diese Gefahr besteht also. Aber das habe ich gewußt, bevor ich mich um dieses Amt beworben habe. Mir geht es darum, Substanz zu erhalten und zugleich den Grundstein für eine Institution für ganz Deutschland zu legen.
     Worauf konzentrieren Sie in nächster Zeit Ihre Fördermittel?
Dietger Pforte: Auf Stipendien in den einzelnen Kunstsparten. Es geht darum, Künstler auf Zeit freizusetzen von der Not, Brotaufträge annehmen zu müssen.
     Sie sollen die Möglichkeit erhalten, konzentriert an einer Prosa, einem Gedichtband, einem Gemälde arbeiten zu können oder eine Komposition zu vollenden. Denn nur wenige freischaffende Künstler können von ihrer Kunst auch leben. Solch ein Stipendium beträgt in der Regel monatlich 2 000 Mark und hat eine Laufzeit bis zu einem Jahr, allerdings differenziert nach Projekten.
     Die zweite Form der unmittelbaren Förderung von Künstlerinnen und Künstlern besteht in dem Angebot der Aufenthaltsstipendien in unseren Häusern, zum Beispiel im Schloß Wiepersdorf. Das ist natürlich nicht für jeden geeignet. Jemand mit Familie und schulpflichtigen Kindern kann das schwer nutzen. Aber die Nachfrage ist ganz enorm. Zugleich sind das auch Orte, wo die Künstlerinnen und Künstler aus allen Kunstsparten aus den neuen Ländern Begegnungsmöglichkeiten haben, mit Kolle

ginnen und Kollegen auch aus den alten Ländern, und, was für uns noch viel wichtiger ist, aus dem Ausland. Das sind Anregungen, die die Menschen, die dort auf Zeit arbeiten und leben, bekommen, die man gar nicht hoch genug einschätzen kann.
     Für das, was Sie vorhaben, brauchen Sie viel Unterstützung und vor allem auch engagierte Mitarbeiter. Wieviel sind in Ihrer Stiftung beschäftigt? Dietger Pforte: Insgesamt sind wir rund 30, davon acht in der Berliner Geschäftsstelle.
     Bleibt Ihnen als Geschäftsführer noch Zeit für inhaltliche Mitwirkung?
Dietger Pforte: Ich habe meine Arbeit noch nie nur formal erledigt. Und ich werde mich von meinen Interessen als Literaturwissenschaftler nicht verabschieden. Für meine jetzige Tätigkeit ziehe ich auch enorm viel Anregungen aus meiner Lehrtätigkeit an der Freien Universität. Die Diskussion mit den Teilnehmerinnen und Teilnehmern meiner Hauptseminare sind auch für meine Arbeit hier befruchtend. Und die Lehre lebt auch wiederum von den Erfahrungen, die ich hier gewinne. Dann bin ich auch nicht schüchtern, wenn es darum geht, mit den Leitern der beiden Künstlerhäuser über Programme zu reden. Ich werde ihre Autonomie wahren, sie haben im Grunde genommen eine Intendantenfreiheit, aber das hindert doch nicht, mitzudenken. Inhaltlich beschäftigt mich vor allem, wie wir deutlicher als in der

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Vergangenheit auf regionale Bedürfnisse eingehen. Das nehme ich sehr ernst.
     Wie können Interessierte die Ergebnisse der durch die Stiftung geförderten Projekte zur Kenntnis nehmen, an ihnen teilhaben?
Dietger Pforte: Projekte enden alle in öffentlichen Vorstellungen, Aufführungen, Ausstellungen, Diskussionen, Lesungen. Das heißt, die sind alle mit dem Ziel gefördert, an die Öffentlichkeit zu gelangen, wenn möglich, an mehreren Orten.
     Schwieriger ist es, das Ergebnis bei Stipendien zu sehen. Da muß man darauf vertrauen, daß die fertigen Produkte dann auf dem Kunstmarkt zu finden sind. Wir wollen ja den Marktmechanismus nicht außer Kraft setzen. Die große Leistung der Stiftung Kulturfonds besteht ja gerade auch darin, die Anpassung und in der Anpassung die Veränderung des deutschen Kunstmarktes mit zu befördern. Die Künstlerinnen und Künstler und auch die Kunstvermittler in den neuen Ländern mußten ja lernen, sich auf diesen ganz anderen Markt einzustellen. Dies ist auch weitgehend gelungen, zugleich aber sind auch neue Vermarktungsmechanismen zu beobachten. Weil doch sehr viele Elemente aus der DDR erhalten geblieben sind. Unser Ziel ist, eine Einarbeitungshilfe zur Selbsthilfe zu leisten. Und es geht auch darum, gegenzusteuern. Gegen Markttendenzen, die Kunst behindern. Man muß auch Kunst fördern, die zur Zeit nur kleine Zielgruppen erreicht. Weil sie vielleicht die
Kunst ist, die morgen auch von den Massen rezipiert werden kann. Das darf man nicht alleine dem kommerziellen Markt überlassen, denn dann würde so manche wichtige Kunst von morgen heute im Keim erstickt.
     Wer Fördermittel vergibt, ist natürlich begehrter Ansprechpartner. Können Sie sicher sein, immer die Richtigen zu fördern? Dietger Pforte: Arbeit ohne Risiko wäre langweilig, berechenbar. Und Kunst, die berechenbar ist, ist eine Kunst von gestern. Kunst von heute ist nur dann gut, wenn wir als Rezipienten immer wieder an die Grenzen des Verständnisses stoßen, einen neuen Zugang, einen neuen Schlüssel brauchen, um zu verstehen. Hier das richtige Augenmaß zu haben, sind wir natürlich auf die Beratung sachverständiger Künstler, Kritiker und Wissenschaftler angewiesen, die wir auch einholen.
     Das Gespräch führte Hans-Jürgen Mende
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© Edition Luisenstadt, Berlinische Monatsschrift Heft 9/1996
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