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der Berichterstatter und hatte dabei bereits einen weiteren Entwurf aus Heinrich Straumers Feder vor Augen: »Hinter ihm wird auf 130 Meter Höhe ein F u n k t u r m seine schlanken Eisenglieder emporheben, von dem aus als dem höchsten Turm Berlins man einen weiten Blick über das Häusermeer der Weltstadt und über die Seen und Wälder der märkischen Landschaft genießen kann. Dieser Turm ist dazu bestimmt, Berlin zu einer Zentralstelle des Funkverkehrs zu machen. Eine besondere Anziehungskraft dürfte daneben ein Restaurant ausüben, das in fünfzig Meter Höhe über dem Erdboden schwebend, errichtet werden soll und durch dessen Glasfenster man z. B. Automobilrennen auf der Avus vollkommen übersehen kann.«
Vorerst mußte ein Hilfsmast von 85 Meter Höhe als Antennenmast für den neuen 1,5 kW-Telefunken-Sender dienen, aber schon ab September 1925 konnte das Programm der Berliner Funkstunde vom neuen Standort ausgestrahlt werden. In nur drei Monaten war das Stahlskelett des Turms fertiggestellt worden. Bis zum endgültigen Ausbau des Turms und dem Einbau der Gaststätte und ihrer Versorgungseinrichtungen auf zwei Geschossen verging ein weiteres Jahr.
     Am 3. September 1926 wurde das neue Berliner Wahrzeichen anläßlich der Er-öffnung der 3. Deutschen Funkausstellung in Anwesenheit des Reichspostministers Stingl eingeweiht.
Helmut Eikermann
3. September 1926:
Eröffnung des Berliner Funkturms

Kaum ein Jahr nach der Einführung des öffentlichen Rundfunks in Deutschland herrschte auf dem ehemaligen Exerzierplatz in Witzleben fieberhafte Bautätigkeit. »Auf dem Wege zur Entwicklung als Messestadt, den Berlin seit einigen Monaten unter der tatkräftigen Förderung des Oberbürgermeisters Boeß und des Magistrats und unter der Führung der Berliner Messe- und Ausstellungsgesellschaft mit dem Berliner Messeamt angetreten hat, wird die Große Deutsche Funkausstellung einen ragenden Markstein bedeuten«, wußte eine der zahlreichen Radio-Fachzeitschriften zu berichten. Allerdings: »Die wirtschaftliche Depression und die starke Geldknappheit erschwerte die Ausführung solcher Pläne sehr.« Das war im Herbst 1924.
     Dennoch wurde das von Professor Heinrich Straumer errichtete »Haus der Funkindustrie« als erste Messehalle rechtzeitig zum Ausstellungsbeginn am 4. Dezember 1924 fertig. »Wo im August noch die Kleingärtner neben ihren Lauben den Kürbis und die Himbeeren pflegten, erhebt sich heute bereits der fertige Bau«, schwärmte


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Mit 138 Meter Höhe ist der Berliner Funkturm zwar nur knapp halb so hoch wie der Pariser Eiffelturm, dem er deutlich nachempfunden ist; in preußischer Sparsamkeit hatte man jedoch nur fünf Prozent der Pariser Stahlmenge und sieben Prozent der Kosten aufgewendet.
     Die technisch aufwendigste Lösung war dabei zweifellos die notwendige Isolierung des Mastes und aller Nebeneinrichtungen. Dazu wurden die vier Eckpfosten des Turms auf Kugelgelenken gelagert, die den Druck gleichmäßig auf Porzellansäulen verteilen.
     Seinem ursprünglichen Zweck als Antennenmast für den Berliner Mittelwellen-Sender diente der von den Berlinern liebevoll »Langer Lulatsch« getaufte Turm nicht lange. Nach Fertigstellung des nahe gelegenen Rundfunkhauses an der Masurenallee errichtete die Reichspost 1932/33 für den »Großrundfunksender Berlin« auf dem ehemaligen Schießplatz Tegel einen Mast aus Pechkiefer, der mit 165 Meter Höhe den Funkturm beträchtlich überragte. Dieser hölzerne Turm überstand alle Kriegsereignisse und wurde am 16. Dezember 1948 auf Befehl des französischen Stadtkommandanten gesprengt.
     Der Funkturm diente seit 1934 als Antennenträger für den Sender des Fernsehlabors der Reichspost, über den am 22. März 1935 der erste reguläre Fernseh-Programmdienst der Welt ausgestrahlt wurde. Nur wenige
Monate später, am 14. August 1935, brach während der Funkausstellung am Fuße des Funkturms in der Straumerschen Funkhalle - inzwischen Halle IV auf dem Messegelände - ein Feuer aus, das die Halle und alle ihre technischen Anlagen vernichtete. Die Flammen schlugen bis zum Turmrestaurant hinauf und richteten beträchtlichen Schaden an.
     Den Bombenkrieg hingegen überstand auch der Berliner Funkturm nahezu unbeschädigt und diente den Berlinern bald wieder als Aussichtspunkt, von dem aus man die in Tempelhof landenden »Rosinenbomber«, bald auch wieder das Avusrennen und das »rote Funkhaus« beobachten konnte, das die sowjetischen Truppen erst 1956 räumten.
     Noch immer ließ sich der Turm seinem eigentlichen Zweck entsprechend als Mast für die neuen UKW- und Fernsehsender benutzen. Zusammen mit dem Stern auf dem Europa-Center bestimmt dieses technische Denkmal aus der Frühzeit des deutschen Rundfunks noch heute die Silhouette der westlichen Berliner City, während der Osten der Stadt seit 1969 vom 365 Meter hohen Fernsehturm am Alexanderplatz überragt wird.
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© Edition Luisenstadt, Berlinische Monatsschrift Heft 9/1996
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