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dicht besiedeltes Wohngebiet, dessen Geschichte weit ins Mittelalter zurückgeht.
     Aufgrund von Archivstudien können die Ausgräber an dieser und anderen Stellen zielgerichtet nach Mauern, Abfallgruben, Brunnen und ähnlichen Hinterlassenschaften suchen, sagt die wissenschaftliche Direktorin für Archäologische Denkmalpflege im Landesdenkmalamt Berlin, Karin Wagner. Hilfreich seien die Ergebnisse der geophysikalischen Messungen vom Winter 1995, die sehr deutlich die Lage von Fundamenten und Hohlräumen erkennen lassen. Es wurden auch Führungen in die archäologische »Unterwelt« auf dem Schloßplatz angeboten. Interessenten könnten außerdem in einer Broschüre Einzelheiten nachlesen. Für Stadt- und Bauhistoriker überraschend sei das hohe Alter einiger Fundamentreste. »Wir nehmen an, daß sie aus dem 13. oder 14. Jahrhundert, also noch vor dem Bau der Zwingburg Mitte des 15. Jahrhunderts, stammen.« Auffällig seien die riesigen Findlinge, deren Erklärung Rätsel aufgebe.
     Noch nicht entdeckt sind die Reste des sogenannten Abtshauses und des in der Renaissancezeit errichteten Münzturms, der zu den ältesten Teilen des Berliner Schlosses gehörte. Das Abtshaus beherbergte einstmals die Vorsteher des Klosters Lehnin, die bei Hofe großen Einfluß besaßen und auf der Schloßinsel zwischen Berlin und Cölln eine Herberge hatten. Als Mitte des 15. Jahr
Helmut Caspar
Suche nach Münzturm und Abtshaus

Berliner Archäologen steigen in die Unterwelt der Stadt hinab, helfen, weiße Flecken in der Stadtgeschichte zu tilgen. An drei Stellen wird derzeit in der Mitte Berlins gegraben - auf dem Schloßplatz, auf dem Werderschen Markt vor dem ehemaligen ZK-Gebäude und auf dem mittelalterlichen Armenfriedhof an der Spandauer Straße. Jedesmal sind Bauplanungen der Auslöser solcher Vorstöße in älteste Kulturgeschichte. Einige Kilometer weiter wird im Garten des Schlosses Bellevue, unter den Augen von Bundespräsident Herzog, nach Relikten aus der Bronzezeit gesucht. Die Arbeiten werden nach dem »Verursacherprinzip« aus der Bundeskasse bezahlt.
     Vorbereitet werden auch archäologische Untersuchungen an der Breiten Straße. Der ehemalige Parkplatz unter dem noch aus DDR-Zeiten stammenden Stadtplan ist zur Neubebauung vorgesehen. Im Vorfeld solcher Maßnahmen sind archäologische Untersuchungen vorgeschrieben.
     Auf dem Viereck direkt an der Spree befand sich bis zum Zweiten Weltkrieg ein


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hunderts die Hohenzollern als neue Landesherren in der Mitte der Doppelstadt sehr zum Unwillen ihrer Untertanen eine Zwingburg errichteten, mußten die Äbte von Lehnin ihren Besitz aufgeben und sich eine neue Bleibe suchen. Bauhistoriker hoffen, daß trotz der vielen Umbauten in der Schloßgeschichte noch Reste jenes Klosterhauses zu finden sind.
     Vermutlich wurden im Münzturm beim Schloß unter den Augen des Herrschers Dukaten, Taler und Groschen geprägt. Die Hohenzollern hatten allen Grund, ihren Münzmeistern streng auf die Finger zu schauen, weil die Gefahr der Unterschlagung von Edelmetall immer gegeben war. Bei Versuchen, den eher bescheidenen Bau zu einem riesigen, die Residenz beherrschenden Campanile zu erhöhen, erlitt 1706 der Bildhauer und Schloßbaumeister Andreas Schlüter Schiffbruch. Der unsichere Baugrund und schlechtes Material ließen den ehrgeizigen Plan scheitern.
     Während die Lage der Münzturmfundamente noch ermittelt werden muß, liegen die Grundmauern einer der bedeutendsten deutschen Prägeanstalten auf dem Werderschen Markt, der Friedrichswerderschen Kirche gegenüber, bereits frei. Aus gutem Grund seien die Gewölbe umzäunt, erläutert Karin Wagner, denn der Munitionsbergungsdienst habe in den Kellern gefährliches Kriegsmaterial gefunden. Vermutlich seien Granaten und Fliegerbomben mit Häuser
schutt in die Löcher geworfen worden, aus denen sie nun vorsichtig entfernt werden müssen. In den Trümmerresten wurde unter anderem eine alte Prägepresse gefunden, die restauriert und ausgestellt werden soll.
     Die Münzanstalt war eine Mitte des 19. Jahrhunderts im damals modischen italienischen »Rundbogenstil« an der Unterwasserstraße errichtete Geldfabrik, deren von Friedrich August Stüler gestaltete Front zur Spree schaute. Im Zusammenhang mit dem Neubau der Reichsbank wurde Mitte der 30er Jahre das alte, bereits zu eng gewordene Münzhaus abgerissen. Der von Johann Gottfried Schadow, dem Schöpfer der Quadriga, entworfene Sandsteinfries von der Fassade wurde der ab 1934 erbauten neuen Preußischen Staatsmünze am Molkenmarkt eingefügt. Bis zum Ende der DDR war hier das Kulturministerium untergebracht. Jetzt amtieren Dienststellen des Bundesinnenministeriums in dem Haus.
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© Edition Luisenstadt, Berlinische Monatsschrift Heft 9/1996
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