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ständigen. Auch in London trat er mit angesehenen Chirurgen in Verbindung. Fast 12 Jahre dauerte sein Studium in Hörsälen, am Krankenbett und in Laboratorien. 1717 promovierte Eller zum Dr. med. Anschließend trieb er in den Bergwerken Sachsens und des Harzes chemische und mineralogische Studien.
     Nach einer kürzeren Tätigkeit als Physikus und Leibarzt in Bernburg, wo er als einer der ersten in Deutschland die Pockenimpfung durchführte, berief ihn die preußische Regierung als Professor an das Collegium medicochirurgicum, das vorwiegend als Ausbildungsstätte für die im Lande Brandenburg-Preußen besonders dringend benötigten Militärärzte und -chirurgen dienen sollte. Er wurde zum Dekan des Obercollegium medicum, der obersten preußischen Medizinalbehörde. Seit 1727 teilte er sich mit Gabriel Senff in die Direktion der damals nach seinen Plänen in Berlin organisierten Charité und praktizierte als Internist.
     Eller, der über umfassendes gesamtmedizinisches Wissen verfügte, hat in den ihm anvertrauten Ämtern vielseitig und segensreich gewirkt. Nicht nur, daß er die erwähnten Institutionen zu wichtigen Mittelpunkten auf dem Gebiet der Chemie, Medizin und Botanik machte, er sorgte sich auch mit größter Gewissenhaftigkeit um die Patienten, regte die Verbesserung der Krankenhauseinrichtungen und des Hebammenwesens an. Zu den Aufgaben der Charité
Hans-Heinrich Müller
Ein zu Unrecht vergessener Arzt

Johann Theodor Eller
(1689-1760)

Im Jahre 1724 berief die preußische Regierung einen Arzt an das Collegium medicochirurgicum (siehe BM 2/96) in Berlin, die oberste ärztliche Ausbildungs- und Prüfstätte des preußischen Staates, der sich um die Entwicklung der Medizin und Chemie beachtliche Verdienste erworben hatte: Theodor Eller.
     Eller, Sohn eines begüterten Schankwirtes, wurde am 26. November 1689 in Plötzkau (Kreis Bernburg) geboren. Er studierte in Jena und Quedlinburg die Rechte, später in Halle, Leiden und Amsterdam Medizin und Naturwissenschaften. In Holland, der kapitalistischen Musternation des 17. Jahrhunderts, hörte er vor allem Hermann Boerhaave (1668-1738), den an der Universität Leiden wirkenden Internisten und bedeutenden Kliniker seiner Zeit. Von ihm brachte Eller »das vorwärtsweisende Denken im Geiste der Aufklärung nach Preußen«. 1) Doch zuvor besuchte er noch Paris, um bei den bekannten Chemikern Lemery und Homberg seine Kenntnisse zu vervoll


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gehörte auch die Behandlung von Geschlechtskrankheiten auf einer Isolierstation, die Entbindung und Betreuung von ledigen Müttern und die unentgeltliche Behandlung armer Kranker. Eller stellte fest: »Nichts ist in der ganzen Natur unerträglicher, als Krankheit bei äußerster Dürftigkeit und Armut.« 2) Er veröffentlichte als erster über Krankheitsfälle der Charité. 3)
     Mit dem bekannten Chemiker, Arzt und Metallurgen Georg Ernst Stahl (1660-1734) aus Halle arbeitete er zusammen das 1725 erlassene und für die Entwicklung des preußischen Medizinalwesens so bedeutsame Medizinaledikt aus, das für die ärztliche Approbation nunmehr eine staatliche Prüfung einführte und die Absolvierung eines anatomisch-chirurgischen Kursus sowie andere Leistungen verlangte und dem preußischen Medizinalwesen einen fortschrittlichen Inhalt gab.
     Ob seiner Verdienste und Tüchtigkeit ernannten Friedrich Wilhelm I. (1713-1740) und Friedrich II. (1740-1786) Eller zu ihrem Leibarzt. 1735 wurde er zum Generalstabsmedicus der preußischen Armee berufen und gab das Amt des Ärztlichen Direktors der Charité auf. Doch für Ärzte, die sich der Bedeutung ihrer Aufgaben bewußt waren, die sich eine nüchterne und zweckdienliche Betrachtungsweise zu eigen gemacht hatten und im Sinne der Aufklärung wirkten, konnte die Stellung eines Leibarztes unter preußisch-absolutistischen Ver-
hältnissen keine erfreuliche Funktion sein.
     So fiel Eller bei Friedrich II. bald in Ungnade.
     1725 war Eller in die Berliner Akademie der Wissenschaften gewählt worden und stand von 1755 bis zu seinem Lebensende der physikalischen Klasse vor, er war ein vom König eingesetzter sogenannter »überzähliger Direktor«. Er verbreitete die von Stahl begründete Phlogistontheorie, die zwar das Wesen der Verbrennung falsch erklärte, sich jedoch als gute Arbeitshypothese für die Chemiker jener Zeit erwies.
     Er stellte Untersuchungen und Versuche über die Scheidung des Goldes von Silber, über den Ursprung der Metalle, über die Bildung von Körpern und über die Elemente an, er befaßte sich eingehend mit der Auflösung der Salze, der Umwandlung des Wassers in Luft, der Fruchtbarkeit der Vegetation der Samen, Pflanzen und Bäume. Größtes Interesse widmete er auch der Wirkungsweise von Arzneimitteln. Dabei beobachtete und registrierte er mit sorgfältig ausgearbeiteten Methoden die Vorgänge, die sich beim Zusatz von therapeutisch verwendeten Stoffen zum menschlichen Blut abspielten.
     Hat Eller in der Chemie auch keine bedeutenden Entdeckungen gemacht, so trug er doch durch seine Untersuchungen und Versuche zur Erkenntnisförderung der Naturwissenschaften bei. Viel wichtiger war aber, daß er sich für die wissenschaftli

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   53   Porträt Johann Theodor Eller  Voriges BlattNächstes Blatt
che Förderung der Chemie wie auch der Medizin einsetzte. Wenn wenigstens auf diesen Gebieten in der Akademie der Wissenschaften unter Friedrich Wilhelm I. Hervorragendes geleistet wurde, so ist das zweifellos ein unschätzbarer Verdienst Ellers. 4) Denn Friedrich Wilhelm I. brachte kaum Verständnis für die Akademie auf. Während seiner Regierungszeit büßte sie wesentlich an Bedeutung ein. Für den Soldatenkönig, den »roi sergeant«, war die Akademie eine unnütze Spielerei, eine »Windmacherei«, wie er zu sagen pflegte. Erst seit 1743, unter der Herrschaft Friedrichs II., der mit löblichem Eifer, doch voller Vorurteile gegenüber deutschen Gelehrten, die Wissenschaft förderte, wirkte Eller an der

Johann Theodor Eller


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Reorganisation der Akademie mit und trug dazu bei, deren Ansehen in der Welt wieder herzustellen.
     Eller machte dabei nicht nur seinen gesamten Einfluß geltend, um den Naturwissenschaften zu ihrem Recht zu verhelfen, sondern er zeigte sich auch ökonomischen Fragen gegenüber sehr aufgeschlossen.
     Das geht sogar aus seinem Testament hervor, welches am Tage seines Todes, am 13. September 1760, in Kraft trat. Darin vermachte er der Akademie ein Legat von etwa 1 000 Talern mit der ausdrücklichen Bestimmung, das Legat und die anfallenden Zinsen für Preisaufgaben aus dem physikalisch-ökonomischen Bereich und für landwirtschaftliche Aufgaben zu verwenden.
     Die Akademie hat dieses Vermächtnis auch getreulich erfüllt und Preisfragen, die für die Entwicklung eine recht beachtliche Rolle gespielt haben, ausgeschrieben, etwa über den Anbau von Futterkräutern, die Einführung der ganzjährigen Stallfütterung, die Düngung, den Milzbrand beim Hornvieh oder über Probleme der Fruchtbarkeit des Bodens. Manche eingegangenen Antworten, die prämiert wurden, erlangten weltweite Anerkennung, wie beispielsweise die berühmte Abhandlung Schubarts über den Kleeanbau. 5)
     Johann Theodor Eller, der auch Mitglied der Leopoldina, der ältesten Akademie Deutschlands (gegründet 1684), war, der in seinen hohen Stellungen mehrere Jahr
zehnte hindurch einen großen Einfluß im Sinne der Aufklärung ausübte, war ein verdienstvoller Arzt und Förderer der Naturwissenschaften, dessen Lebenswerk nicht der Vergessenheit anheimfallen sollte.

Quellen:
1 E. Winter: Frühaufklärung. Der Kampf gegen den Konfessionalismus in Mittel- und Osteuropa und die deutsch-slawische Begegnung, Berlin 1966, S. 91
2 H. Breyer: Ärzte in Berlin. Johann Theodor Eller (1689-1760), In: Deine Gesundheit, Heft 1, 1987,
S. 31
3 J. T. Eller: Nützliche und auserlesene medizinische und chirurgische Anmerkungen sowohl
von innerlichen als auch äußerlichen Krankheiten und bei den selbigen zum Teil verrichteten Ope rationen, welche bisher in dem Sr. Königlichen Majestät in Preußen gestifteten Lazareth de Cha rité zu Berlin vorgefallen; nebst einer voran gegebenen Beschreibung der Stiftung, Anwachs und jetzigen Beschaffenheit dieses Hauses,
Berlin 1730
4 E. Winter, a. a. O., S. 91
5 Vgl. dazu H.-H. Müller: Akademie und Wirtschaft im 18. Jahrhundert. Agrarökonomische Preisaufgaben und Preisschriften der Preußischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 1975, S. 91 ff., S. 126 f.

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© Edition Luisenstadt, Berlinische Monatsschrift Heft 8/1996
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