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Hainer Weißpflug
Rektor und Seidenbauer

Johann Leonhard Frisch
(1666-1743)

In den Beständen der Bibliothek des ehemaligen Berlinischen Gymnasiums zum Grauen Klosters, die seit 1953 zu den wertvollen Beständen der Berliner Stadtbibliothek gehört, wird Leonhard Frisch als Schulmann, Entomologe und Sprach- und Naturforscher geführt. Wie wurde der am 19. März 1666 in Sulzbach bei Nürnberg als Sohn des Geh.
     Registrators Johann Christoph Frisch und der Sabina Fecher, Tochter des Goldarbeiters Fecher in Straßburg, geborene Leonhard Frisch ein so vielseitig begabter Wissenschaftler? Von Johann Ulrich Christian Köppen, Diakon und Prediger an St. Nicolai und der Kirche zum Grauen Kloster, haben wir einen detaillierten Lebenslauf dieser universellen Persönlichkeit. Die Biographie ist enthalten in dem von Johann Jacob Wippel (1714-1765) edierten Buch »Das Leben des weiland berühmten Rectors an dem Gymnasie zum Grauen Kloster in Berlin Johann Leonhard Frisch« aus dem Jahre 1744. Wippel selbst war von 1759-1765 Rektor des Gymnasiums

Johann Leonhard Frisch
am Grauen Kloster. Köppens Biographie zufolge konnte Frisch im vierten Lebensjahr »fertig lesen« und wurde an die große Schule St. Lorentzen in Nürnberg geschickt. Ein Umzug der Eltern auf das Amt Schnabelweid im Bayreuthischen zwang zu »jederzeit fleißigem Hausunterricht«. 1680 kam er wieder auf eine Schule in Nürnberg.
     Als weitere Stationen seiner Laufbahn werden genannt: 1683 Studium der Theologie in Altdorf unter dem Rektor Jac Pancratio Brunone; 1686 Studium orientalischer Sprachen bei Bechmann in Jena, hier entstand

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unter dem Einfluß seiner Lehrer auch das Interesse an den Naturwissenschaften. 1688 ging er nach Straßburg, um die französische und die italienische Sprache zu studieren und sich für eine Reise durch Frankreich zu rüsten. »Kriegerische Zeiten« (Heidemann: Geschichte des Grauen Klosters zu Berlin, Berlin 1874) zwangen ihn zur Aufgabe dieses Vorhabens. Er bereiste 1690 nur die Schweiz und kehrte nach Hause zurück, wo er 1691 sein Universitätsstudium als Kandidat der Theologie beendete.
     Danach reiste er über Wien nach Ungarn, wo er als Hilfsprediger wirkte. Nach seiner Rückkehr von einer Reise nach Italien übernimmt er zwischen 1693 und 1696 den Posten eines Gutsverwalters bei Baron von Bodenstein in Arenstein. In den Jahren 1696-1698 wurde er Erzieher der Söhne des Herrn von Hartenfels, mit dem er nach Blankenburg, Goslar, Aschaffenburg und Erbach ging, wo er die Erziehung eines jungen Grafen von Erbach übernahm. Auch besuchte er in jenen Jahren häufig das Stift Quedlinburg, wo er »manche Gnade« der Pröbstin, einer Herzogin von Holstein, genoß, wie Johann Jacob Wippel schreibt.
     Über Frankfurt, Mainz, Köln, Amsterdam, Ostfriesland und Hamburg kam er schließlich 1699 nach Berlin. Hier nahm ihn sein Freund, der Diakon der Nicolaikirche, Paul Astmann, ins Haus und vermittelte ihm eine Stelle am Grauen Kloster als Lehrer. 1706 schon wurde er auf Betreiben
von Leibniz (1646-1716) Mitglied der Königl. Preuß. Societät der Wissenschaften, 1708 erhielt er das Konrektorat am Grauen Kloster, 1726 wurde er Rektor desselben.
     Anton Büsching (1727-1793) schrieb in der »Geschichte des Berlinischen Gymnasiums im Grauen Kloster« 1794, daß Frisch ein sehr verdienstvoller Mann war. »Was er als Schriftsteller geleistet hat, ist zu seinem unvergänglichen Ruhm bekannt, es muß aber auch dieses nicht vergessen werden, daß er das Berliner Blau erfunden, und zu Berlin die erste Pflanzung von Maulbeerbäumen zum Behuf des Seidenbaus, angelegt hat.«
Bahnbrechend wirkte er auf sprachwissenschaftlichem Gebiet, insbesondere auf dem der Slawistik, der Germanistik und der Romanistik. Vor allem mit seinen sechs Abhandlungen »Historia linguae sclavonicae« (1727-1736) gilt er als Wegbereiter der Slawistik in Deutschland. Leibniz lernte übrigens Russisch bei ihm. Darüber hinaus verfaßte er ein französisches Lexikon unter dem Titel »Dictionaire des Passagers«. Sein »Franz.-Teutsches und Teutsch-Franz. Wörterbuch« wurde nach seinem Tode mehrfach aufgelegt. Auch auf dem Gebiet der vergleichenden Sprachwissenschaft gehörte Frisch zu den Pionieren. In einem »Teutsch-lat. Wörterbuch«, an dem er 30 Jahre gearbeitet hatte, stellte er durch umfangreiches Quellenstudium belegte Vergleiche der einzelnen Wörter dar. Der Germanist und Philologe Jacob Grimm (1785-1863) bezeichnete es

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als das erste gelehrte deutsche Wörterbuch.
     Aber Frisch beschränkte sich nicht nur darauf, Sprachen zu erforschen und zu lehren, er widmete sich auch mit großem Eifer dem Studium der Natur. 1720-1738 veröffentlichte er 13 Hefte »Beschreibung von allerlei Insekten in Deutschland«, die von seinem Sohn Jacob mit Kupferstichen versehen wurden. In seiner Arbeit »Vorstellung der Vögel Deutschlands ...« gab er eine weitgehend vollständige Beschreibung der einheimischen Vogelwelt. Diese Arbeit wurde mit zahlreichen Kupferstichen seiner Söhne Hellfrich und Jodocus Leopold ausgestattet. Das Werk wurde erst nach dem Tode Frischs von Jodocus Leopold Frisch herausgegeben.
     Unterschiedliche Aussagen findet man in der Literatur zu seinem Anteil an der Erfindung des Berliner Blaus, einem prachtvollen, leuchtend blauen Farbstoff, der zu Malzwecken, zum Stoffe Färben und zum Tapetendruck verwendet wurde. In »Miscellanea Berolinensia I« von 1710 wird der Farbstoff aufgrund seiner völligen Ungiftigkeit sogar zum Färben von Zuckerwaren empfohlen. Diese Berliner Blau genannte Eisencyanidverbindung soll nach Büschings Aussage von Frisch erfunden worden sein. Dagegen wird in Meyers Lexikon von 1925 ein Diesbach genannt, der in Dippels Laboratorien zu Berlin 1704 das Berliner Blau erfunden, dessen Fabrikationsweise aber bis 1724 geheimgehalten haben soll. Es wur
de zunächst auch Diesbacher Blau genannt. In der »Neuen deutschen Biographie« wird festgestellt: »Selbst auf dem Gebiet der Technik und der Wirtschaft hat F. beispielhaft gewirkt. Das Berliner Blau hat er verbessert und sich um dessen Verbreitung bemüht.« Das stimmt mit der Darstellung des Theologen und Wissenschaftlers Adolf von Harnack (1851-1930) überein: »Endlich - auch im Chemisch-Technischen versuchte sich Frisch, und es gelang ihm, die Fabrikation des eben von Dippel entdeckten Berliner Blaus so erheblich zu verbessern, daß er bedeutenden Nutzen aus dieser Erfindung ziehen konnte.«
Eine besondere Hervorhebung verdienen Frischs Bemühungen um den Seidenbau. Leibniz soll ihn während seiner Sprachausbildung und im Briefwechsel zu nützlichen Erfindungen ermuntert haben. Wahrscheinlich sind auch seine Untersuchungen der Insekten ein Anstoß gewesen, sich mit der Maulbeerbaum- und Seidenraupenzucht zu befassen. Leibniz hatte ja dafür gesorgt, daß die Societät der Wissenschaften 1707 das ausschließliche Privileg zur Anlegung von Maulbeerpflanzungen erhielt, und Frisch, der Mitglied der Societät war, bei seinen Zuchtversuchen bestärkt. Wippel berichtete, Frisch »that hierüber der Königl. Preuß.
     Societät der Wissenschaften allerley Vorschläge, miethete die hier und da bereits angelegten Plantagen von Maulbeerbäumen, und lernte durch Erforschung der Natur, so

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wohl dieser Bäume, als auch der Seidenwürmer, manche zu besagtem Werke gehörigen Vortheile«. Aber an der Akademie wollte das Werk nicht recht vorankommen. Einerseits fehlten wohl die Mittel, andererseits gab es unter den Mitgliedern des Direktoriums der Akademie genügend Leute, die sowohl Leibniz als auch Frisch zu schaden wußten. Im September 1712 schrieb Frisch an Leibniz: »Wegen unseres Seidenwerks steht es noch in den alten schläfrigen Anstalten ... Es ist eine K. Kommission gehalten worden. Ich werde in keinem Stück mehr, wie ich es um die Societät vermeine verdient zu haben, in fünf und mehr Jahren, da ich dieses Werk zu treiben gesucht, consideriert, und unterlasse es doch nicht, so viel dabei zu thun als ich kann.« So zu lesen bei Harnack. Es spricht für Frisch, daß er, obwohl offensichtlich von den Mitgliedern des Direktoriums der Akademie ins Abseits geschoben, den Mut nicht verlor. Vom König erhielt er das Recht, die Wälle der Stadt mit Maulbeerbäumen zu bepflanzen, und legte schließlich eigene Maulbeerplantagen an. Büsching schrieb dazu, daß ein Stanislaus Rütker der Witwenkasse des Grauen Klosters zwei Baustellen vor dem Spandauer Tor schenkte, die Frisch für zehn Taler kaufte. Büsching berichtete auch, daß Frisch hier schon eine früher erworbene Baustelle besaß, auf der er Maulbeerzucht betrieb. Offenbar handelte es sich dabei um den in Friedrich Nicolais (1733-1811) »Beschreibung der königlichen Residenzstädte Berlin und Potsdam« erwähnten »Frischs Maulbeergarten«, der sich Ecke Heydereuthergasse und Hospitalstraße befand. Rektor Frisch soll hier 1701 bis 1714 Maulbeerbäume gezüchtet haben. Nunmehr legte Frisch auf dem gesamten Gelände Maulbeerplantagen an, von denen er in guten Jahren 100 Pfund Seide erzielte. Wichtiger als dieser Gewinn war dem Schulmann Frisch, andere in diesem Werk zu unterrichten, wie Johann Jacob Wippel schrieb. Aus diesem Anliegen heraus verfaßte und veröffentlichte er 1713 und 1714 zwei Broschüren über den Nutzen der Seidenzucht mit Anweisungen zur Praxis des Seidenbaus. 1716 erging ein königliches Patent, in dem auf Empfehlung Frischs Amtleute, städtische Magistrate und Geistliche angewiesen wurden, auf geeigneten Plätzen wie Stadtwällen und Kirchhöfen Maulbeerbäume anzupflanzen.
     Johann Leonhard Frisch war in allen seinen Wirkungsbereichen vor allem ein »Schulmann«. Immer sah er es als seine Berufung an, anderen Menschen sein Wissen, seine Erkenntnisse und Erfahrungen zu vermitteln. Im Alter von 77 Jahren verstarb er am 21. März 1743 nach einer langen und schweren Krankheit. Seine Ruhestätte fand er in der Klosterkirche.

Bildquelle: Joh. J. Wippel: Das Leben des weiland berühmten Rectors an dem Gymnasie zum grauen Kloster in Berlin Joh. Leonhard Frisch. Nicolai 1744


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© Edition Luisenstadt, Berlinische Monatsschrift Heft 8/1996
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