92 Geschichte und Geschichten | Berliner Schachschule |
(1818 - 1899), der Jurist Karl Mayet (1810
- 1868) und der aus Düsseldorf stammende Maler Karl Schorn (1802 - 1850).
Sehr bald gewannen die »Plejaden« unter den Schachspielern ihrer Zeit bedeutenden Einfluß. Das verdankten sie vor allem der für die damalige Zeit noch keineswegs typischen Verbindung von Spielpraxis und Schachtheorie. Bis auf Karl Schorn, der sich nur für das Spielen interessierte, waren die jungen Männer alle intensive Analytiker: Schacheröffnungen mit ihren Varianten wurden ebenso untersucht wie Endspielstellungen, ganze Partien wertete man unter dem Aspekt ihrer theoretischen Ergebnisse aus. In dieser Tätigkeit war Ludwig Bledow wiederum federführend, besaß er doch eine der größten Schachbibliotheken seiner Zeit, hatte Kontakt zu allen bekannten zeitgenössischen Schachspielern, reiste viel und warb für ein qualitativ hochstehendes Schach. Nicht zuletzt wirkte er durch eine von ihm begründete Schachzeitung, die eigentlich nur das Organ der »Schachgesellschaft« sein sollte, sich dann aber zur »Deutschen Schachzeitung« entwickelte, einer der bedeutendsten deutschen Schachzeitschriften. Neben Bledow war von der Lasa vor allem als Schachhistoriker aktiv. Von ihm stammen Arbeiten über das mittelalterliche Schachspiel, über Handschriften zum Schach sowie zur Schachliteratur. Horwitz, der später nach England übersie | ||||||
Eberhard Fromm
Schach in Berlin und die »Plejaden« Als sich 1827 einige Schachbegeisterte in Berlin zusammenfanden und eine
»Schachgesellschaft« gründeten, war das nicht
der erste Berliner Verein dieser Art. Bereits 1803 wurde der erste Schachklub Berlins
gegründet, den man später den »großen« oder
auch den »alten« Klub nannte, um ihn
gegenüber den vielen Neugründungen abzuheben.
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delte, veröffentlichte Endspielstudien.
Diese intensive theoretische Arbeit
hinterließ nachhaltige Spuren. Bis heute findet man in der Schachliteratur Bezeichnungen, die auf das Wirken der sieben Berliner
hinweisen: das Hanstein-Gambit, eine
Eröffnungsvariante im Königsgambit, die Horwitz-Läufer für eine bestimmte Stellung des Läuferpaars - und natürlich den »Bilguer«.
Mit diesem Begriff verbindet auch heute noch jeder theoretisch interessierte Schachspieler ein Handbuch des Schachspiels, das seit Generationen immer wieder neu aufgelegt wird. Rudolph von Bilguer hatte mit den Arbeiten zu einem solchen umfassenden Handbuch gegen Ende seines kurzen Lebens begonnen. Er stammte aus einer Güstrower Offiziersfamilie, mußte selbst die ungeliebte militärische Laufbahn einschlagen und nutzte jede dienstfreie Minute für die schöne Literatur und seine große Liebe - das Schachspiel. Schach betrachtete er als »ein Geschenk aus der Ideenwelt«, als Kunst und Wissenschaft zugleich; es bot ihm nach seinen eigenen Worten »Stoff und Gelegenheit für menschlichen Scharfsinn und schöpferische Phantasie«. Als er 1839 wegen eines schweren Lungenleidens seinen Dienst in der Armee aufgeben mußte, widmete sich der mittellose Leutnant a. D. nur noch seinem Werk. Als eine erste Teilausarbeitung erschien eine Abhandlung zum »Zweispringerspiel«, einer bis heute immer wieder gespielten | Eröffnung. Der todkranke Bilguer
erlebte zwar noch den nachhaltigen Eindruck dieser Studie und das Interesse seines Verlegers an der Weiterführung der
Arbeit, doch sein früher Tod 1840 schien das
Ende dieses Werkes zu bedeuten. Da aber
bewährte sich die innere Beziehung der
»Plejaden«. Bilguer hatte sich gewünscht, daß von
der Lasa sein Konzept ausarbeiten möge. Und so geschah es auch. 1843 erschien zum erstenmal das »Handbuch des
Schachspiels«. Von der Lasa war als Herausgeber
genannt, Rudolph von Bilguer aber als Autor. Und so lebt denn das Andenken an den hochbegabten Schachspieler in seinem Werk,
eben dem »Bilguer«, weiter.
Was in Berlin zwischen 1830 und 1850 an Schachpraxis und Schachtheorie bewegt und geleistet wurde, hatte für die Entwicklung des Schachspiels und der Schachspieler in Deutschland, aber auch in anderen Ländern, große Bedeutung. In die Geschichte des Schachs ist das »Berliner Siebengestirn« als »Berliner Schachschule« eingegangen: eine Spiel- und Denkrichtung im Schach, die den Aufschwung dieses Spiels gerade auch in Berlin zur Folge hatte. | ||||
© Edition Luisenstadt, Berlinische Monatsschrift Heft 8/1996
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