88   Berlin im Detail Erste FÜR DICH  Nächstes Blatt
Horst Wagner
18. August 1946: Die erste FÜR DICH

»Zur Verfügung stand uns ein Zimmer: zwei Meter breit, fünf Meter lang. Und diese bessere Abstellkammer beherbergte in den nächsten Tagen Verlag und Redaktion ... Mußte unsere Redakteurin dringend zur Druckerei, dann lud sie unser Fahrradbote ein, auf dem Gepäckständer Platz zu nehmen.« So schilderte Chefredakteur Willi Karsch am ersten Jahrestag des Blattes den Start der FÜR DICH. Am 28. Juli 1946 war »alles beieinander«. Am 18. August erschien mit Lizenz der Sowjetischen Militärverwaltung die erste Nummer im Deutschen Frauenverlag, Berlin NW 7, Bauhofstraße 11 - die Titelzeile in Großbuchstaben und mit dem Untertitel »Die neue illustrierte Frauenzeitung«. Preis: 30 Pfennig. Auflage: 350 000. Der Umfang des wöchentlich erscheinenden Blattes wuchs von acht bald auf zwölf Seiten. Als Titelbild des ersten Heftes: die Schauspielerin Käthe Dorsch und ihre Widmung: »Grüßen Sie die tapferen Frauen Berlins.« Oben links die Schlagzeile »Zwei Wünsche der Frauen: Für gleiche Arbeit gleichen Lohn. Einen Hausarbeitstag«. In der rechten Spalte eine Art Leitartikel, der sich mit der Situation der Kinder und Jugendlichen im Nachkriegsdeutschland beschäftigte. Auf der
zweiten Seite wurden die Leserinnen aufgerufen, sich mit der Meinung auseinanderzusetzen: »Während des Krieges sind wir doch wenigstens satt geworden.« Auf den Innenseiten u. a. Tschechows »Das schwedische Streichholz« als Fortsetzungsroman; eine psychologische Betrachtung zum Thema »Liebt die Frau den Helden?« mit der Kernaussage, daß Kriegshelden nicht mehr Vorbild sein können; ein kleiner Bildbericht über »Berlins erste Polizistinnen«; Mantelkleider auf der Modeseite; Kosmetiktips und Kochrezepte. In der Sprechstunde FÜR DICH wurde u. a. darüber Auskunft gegeben, auf welchen Behördenwegen man zu Reisemarken (also Lebensmittelmarken, die auch außerhalb Berlins galten) kommt, und wo junge Leute sich über die Aussichten auf eine Lehrstelle informieren können. Die letzte Seite war der Kultur gewidmet.
     In den folgenden Heften wurde im Zusammenhang mit den bevorstehenden Land- und Kreistagswahlen die politische Richtung des Blattes deutlicher. Gleich auf dem Titel in Heft 2 wurde die Dresdener Tanzpädagogin Gret Palucca vorgestellt, die sich bereit erklärt habe, »auf der Wahlliste der SED zu kandidieren«. Und in einem Kommentar zu den Wahlergebnissen (Heft 11) wurde es begrüßt, daß »in den Ländern und Provinzen der sowjetischen Besatzungszone beinahe jeder zweite Wähler seine Stimme für die SED gegeben hat«. Allerdings habe »in der Vier-Sektoren-Stadt Berlin« jeder zweite

BlattanfangNächstes Blatt

   89   Berlin im Detail Erste FÜR DICH  Voriges BlattArtikelanfang
SPD gewählt, was dieser Partei »eine große Verantwortung« auferlege. Ein halbes Jahr später übrigens (Heft 20/47) begrüßte FÜR DICH die Wahl der SPD-Politikerin Louise Schroeder zur Oberbürgermeisterin Berlins mit den Worten: »Damit tritt erstmalig eine Frau an die Spitze der größten Stadt Deutschlands.« Interessant vor allem die Meinungsseiten und Leserdiskussionen im ersten Jahrgang der FÜR DICH. »Der Frau den Pfennig, dem Mann die Mark?« beschäftigte sich mit der finanziellen Abhängigkeit der nichtberufstätigen Frau. »Ist Ritterlichkeit überholt?« fragte FÜR DICH in Heft 12/46 und stellte fest: »Ritterlichkeit der Frau gegenüber sollte einfach von der Erkenntnis diktiert sein, daß es die Frau im Leben durchweg schwerer hat als der Mann.« In Heft 18/46 begann eine Diskussion über den Paragraphen 218. Die Meinungen differierten von »Weg mit dem von Männern geschaffenen Paragraphen« über »Nicht unterbrechen, sondern verhüten« bis zu »Schwangerschaftsunterbrechungen sind generell zu verbieten«.
     Käthe Kern erläuterte einen Gesetzentwurf der SED, der keine generelle Abschaffung des Paragraphen 218, wohl aber erweiterte soziale, medizinische und ethische Indikation vorsah, und setzte sich dafür ein, »den Schutz der werdenden Mutter auszubauen und durch soziale Einrichtungen, Beratungsstellen, Kindergärten und Kinderhorte zu helfen«. Im nächsten Frühjahr folgte eine
Serie über das Frauenstudium. Anlaß war die Einrichtung einer Vorstudienanstalt, der späteren ABF, an der Berliner Humboldt-Universität. Am 15. Juni 1947 stellte FÜR DICH auf dem Titelbild den »ersten weiblichen Minister Deutschlands« vor: Frau Dr. Marie Torhorst, zuvor Leiterin der Ausbildung von Neulehrern in Berlin, Mitglied der SPD seit 1928 und der SED seit 1946, war vom Thüringer Landtag zur Volksbildungsministerin gewählt worden.
     Als »Die neue illustrierte Frauenzeitung« erschien FÜR DICH bis zum 26. März 1950. Von da an ging sie in der seit Februar 1946 zunächst als Organ der Frauenausschüsse, später des Demokratischen Frauenbundes erscheinenden »Frau von heute« auf. Eine Wiederbelebung des alten Titels gab es, als die SED-Führung 1962 beschloß, eine, wie es damals hieß, sozialistische Massenillustrierte für die Frauen zu schaffen, die einen weiteren Leserkreis erreichen könne als das inzwischen reichlich hausbacken anmutende DFD-Organ. So erschien FÜR DICH ab Weihnachten 1962 - für 60 Pfennig und mit zumeist 48 Seiten - im SED-eigenen Berliner Verlag. Als dieser schließlich im Herbst 1990 vom Hamburger Verlagshaus Gruner + Jahr übernommen wurde, ging es auch mit der FÜR DICH zu Ende. Gleich manch anderem Blatt des einst größten Zeitungs- und Zeitschriftenverlages der DDR wurde sie mit Heft 24/91 wegen »mangelnder Wirtschaftlichkeit« eingestellt.

BlattanfangArtikelanfang

© Edition Luisenstadt, Berlinische Monatsschrift Heft 8/1996
www.berlinische-monatsschrift.de