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Hainer Weißpflug
Maulbeerbäume in Berlin

Naturdenkmale, die eigentlich keine sind

Uralte Maulbeerbäume gibt es in Berlin. Fast alle sind über 200 Jahre alt und als Naturdenkmale unter Schutz gestellt. Am bekanntesten sind wohl die vier Bäume in der Bölschestraße in Berlin-Friedrichshagen. Dann stehen drei alte, weiße Maulbeerbäume auf dem Friedhof der kleinen, 1768 erbauten Dorfkirche von Zehlendorf. 1940 wurden sie als Naturdenkmale unter Schutz gestellt. Weitere Exemplare des Morus alba, so der lateinische Name des weißen Maulbeerbaumes, findet man auf dem Friedhof in Lübars und in der Dorfaue Heiligensee. Selbst in Mitte, auf dem Innenhof des Gebäudekomplexes Friedrichstraße 129/Ecke Claire-Waldoff-Straße, kann man einen alten Maulbeerbaum bewundern.
     Ursprünglich stammt der Maulbeerbaum aus China und Indien. Schon frühzeitig fand er Verbreitung im gesamten Mittelmeerraum. Auch zu uns kam er auf künstliche Weise, er wurde im 18. und 19. Jahrhundert bewußt angepflanzt.
     Wenn man also die im Naturschutzgesetz festgelegten Kriterien eines Naturdenkmals

Die Entwicklung der Seidenraupe
anlegt, so ist der Maulbeerbaum im strengen Sinne des Gesetzes kein Denkmal der Natur, sondern eher eines der Kultur. Vor allem eines der Industriekultur. Andererseits sind das hohe Alter der Maulbeerbäume und die Tatsache, daß sie sich wie manche andere Exoten in unserem rauheren Klima haben halten können, Gründe genug, sie als Naturdenkmale zu schützen.

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Am 3 000 Meter langen Seidenfaden hängt alles

Zwei Arten von Maulbeerbäumen sind bei uns heimisch. Beide dienten früheren Industrialisierungsversuchen in Preußen. Die eine Art trägt schwarze, brombeerähnliche Früchte, die als Nahrungs- und Weinfärbemittel genutzt wurden. Beim weißen Maulbeerbaum dagegen, der bis zu 12 Meter hoch werden kann, ging es nicht um die weißrötlichen, wohlschmeckenden Früchte, sondern um seine Blätter, die den Raupen des Maulbeerspinners (Bombyx mori) als Nahrung dienen. Die Raupen des ebenfalls aus Ostasien stammenden Seidenspinners verpuppen sich, nachdem sie genügend frisches Maulbeerlaub vertilgt haben, in Kokons, die aus einem bis zu 3 000 Meter langen Seidenfaden bestehen. Dieser Seidenfaden ist der eigentliche Grund für die in Berlin noch vorhandenen Maulbeerbäume. Angepflanzt wurden sie zu Zeiten, da Seidenstoffe als Zubehör eines höfisch-absolutistischen Lebensstils zunehmende Bedeutung für Kleidung und Raumausstattung an den europäischen Fürstenhöfen erhielten. Ende des 17./Anfang des 18. Jahrhunderts erreichte die Seidenstickerei am Hofe des Kurfürsten Friedrich III., dem späteren Preußischen König Friedrich I. (1657-1713; Kfst. 1688, Kg. 1701), einen Höhepunkt. Die Königliche Gold- und Silber-Manufaktur am Brandenburg-Preußischen Hofe kaufte jährlich

für etwa 16 000 Taler Seide aus dem Ausland ein. Keine Person ist so arm, daß sie nicht etwas Seidenes trage könne, soll der Landesvater Friedrich I. gesagt haben.
     Erste Ansätze einer Seidenbaukultur, die von den französischen Refugiés in manchen Siedlungen betrieben wurden, fanden das Wohlwollen des Kurfürsten und späteren preußischen Königs. Schon die Kurfürstin Katherine, Gemahlin Joachim Friedrichs (1546-1608; Kfst. 1598), hatte versucht, Seidenzucht in der Mark zu betreiben. Allerdings ohne Erfolg. 1668 schrieb der Bürgermeister von Cremmen, Johann Grüwel, ein Büchlein, in welchem er begründete, daß der Seidenbau auch unter den klimatischen Verhältnissen Brandenburgs möglich sei. 1690 dann erging der Befehl an die Amtskammer, auf den Domänen Maulbeerbäume pflanzen zu lassen. Dem Stammumfang, der Höhe und der Gebrechlichkeit nach zu urteilen, stammt der Baum, der heute in der Friedrichstraße steht, aus ebenjener Zeit. Kurfürstin Dorothea, die zweite Gemahlin Friedrich Wilhelms (1620-1688; Kfst. 1640), schenkte 1687 eine in Höhe der heutigen Friedrichstraße gelegene Meierei französischen Refugiés. Die legten dort dann ein Hospiz, ein Hospital und einen Friedhof an. Später kamen Waisenhäuser dazu. Inmitten der Gebäude befanden sich prächtig gepflegte Parkanlagen, Gärten und Maulbeerpflanzungen. Die Vermutung liegt also nahe, daß der

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Baum, der schon von starken Eisenrohren gestützt werden muß, aus jener Zeit stammt.
     Kein geringerer als Leibniz (1646-1716), der geistige Vater und erste Präsident der Societät der Wissenschaften zu Berlin, interessierte sich lebhaft für die Möglichkeiten, den Seidenbau in Preußen heimisch zu machen. 1707 erhielt die Societät der Wissenschaften - offensichtlich auf Leibniz' Betreiben hin - das ausschließliche Privileg zur Anlegung von Maulbeerpflanzungen auf ihren Grundstücken und an öffentlichen Orten. Leibniz regte wohl auch den späteren Rektor des
»Grauen Klosters«, Leonhard Frisch (1666-1743), an, sich dem Seidenbau zu widmen. Jedoch, Leibniz und Frisch standen mit ihren Bemühungen in Berlin ziemlich allein. Der Akademie fehlte das nötige Betriebskapital und wohl auch das nötige Interesse. Schon in dieser Anfangszeit war der Widerstand gegen die Seidenzucht spürbar, der später zum Scheitern des ganzen Projekts führte. Dazu gehörte auch, daß die Anordnungen nur sehr unvollkommen befolgt wurden. Die Domänenverwaltung hatte zwar 1708 ihre Weisung zu Maulbeerbaumanpflanzungen auf den Domänen erneuert, die Amtskammer stellte einen italienischen Hofgärtner zur Pflanzung und Wartung der Bäume ein, und der Lustgarten wurde teilweise mit Maulbeerbäumen bepflanzt, trotzdem wurden keine durchgreifenden Erfolge erzielt. Allerdings bewies der harte
Der Maulbeerbaum in der Friedrichstraße 129

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Winter 1709, daß der Maulbeerbaum auch abnorme Temperaturen verkraftet.

Seidene Röcke sind nichts für gemeine Weibsleut

Mit dem Regierungsantritt Friedrich Wilhelms I. (1688-1740; Kg. 1713) kam wieder Bewegung in die Sache. Nachdem er selbst in Königs Wusterhausen große Maulbeerpflanzungen anlegen ließ, erging 1716 ein königliches Patent, in dem Amtleute, städtische Magistrate und Geistliche angewiesen wurden, auf geeigneten Plätzen wie Stadtwällen und Kirchhöfen Maulbeerbäume anzupflanzen. Der Domänen- und Fiskalrat Pfeiffer (1718-1787) wurde damit beauftragt, Pflanzschulen von Maulbeerbäumen anzulegen, um junge Bäume an die verschiedenen Einrichtungen und Privatpersonen abzugeben. 1717 wurden französischen Vertriebenen aus Orange Plätze im Tiergarten zur Anlegung von Maulbeerpflanzungen zugewiesen. So ist überliefert, daß Friedrich Wilhelm I. 1717 dem Kommissarius bei der Spiegelmanufaktur, Jean Bechier Fayé, auf dessen Gesuch hin ein Gebiet von elf Morgen zur Anlage einer Maulbeerplantage überließ, das er mit den Worten »Maulbeer Beume zu pflantzen« eigenhändig auf einem Tiergartenplan bezeichnet haben soll. Der König habe ihm und den anderen Refugiés, die sich am gegenüberliegenden Spreeufer angesiedelt hatten, den Rat gegeben, »umb Ihre Plantage Gräben

aufwerffen und selbige oben auf mit Dornen und anderen Buschwerk bepflantzen und mit der Zeit eine lebendige, beständige Hecke zu gewinnen«, um die jungen Maulbeerpflanzen vor Beschädigungen zu schützen und das Holz für Zäune zu sparen. 1) Trotz der zehn Jahre Grundzinsfreiheit, die der König Fayé gewährte, verkaufte dieser seine Erwerbung bald, weil es ihm nicht gelang, ertragreiche Maulbeerplantagen anzulegen. Nachdem das Grundstück mehrfach den Besitzer gewechselt hatte, wurde hier das Schloß Bellevue errichtet. Aus der Siedlung der Refugiés am anderen Spreeufer entstand das spätere Moabit, in dem noch lange Zeit Maulbeerplantagen betrieben wurden.
     1718 wies Friedrich Wilhelm I. den Chef derjenigen Domänenkammer, der der Seidenbau oblag, an, den Präsidenten der Societät der Wissenschaften, den gelehrten und - wie Friedrich Wilhelm I. ihn auch nannte - närrischen Gundling (1673-1731), als Geheimen Rat bei der Kammer einzuführen und ihm »das Departement aller Seidenwürmer im ganzen Lande« zu übertragen.
     1723 gab es in und um Berlin ca. 2 000 Maulbeerbäume, die einen jährlichen Ertrag von 115 Pfund Seide lieferten. Ein Ergebnis der letztlich doch eher halbherzigen Förderung des Seidenbaus durch Friedrich Wilhelm I. Er förderte die Entwicklung des Gewerbes in Preußen, aber im Vergleich zur Unterstützung der Wollmanufakturen waren die Mittel für Seidenbau und Seidenmanu

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Eigenhändige Einzeichnung Friedrich Wilhelms I. in einem Tiergartenplan ...
faktur eher bescheiden. Seine militärischen Ambitionen ließen die Entwicklung und Förderung der Woll- und Leinenmanufakturen wichtiger erscheinen als den Seidenbau. Die Importe von Rohseide versuchte er auf andere Weise zu senken: 1731 verbot ein Edikt für Dienstmädchen »und ganz gemeine Weibsleute« das Tragen von seidenen

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Röcken, weil der Gebrauch der seidenen Waren den Wollmanufakturen schädlich sei. 2)

Grüner Damast aus Berliner Schulgärten

Erst mit Friedrich II. (1712-1786; Kg. 1740) wurde der Seidenbau in Preußen mit allen zu Gebote stehenden Mitteln merkantilistischer Wirtschaftspolitik gefördert. Friedrich bestimmte, daß der Geheime Rath de Campagne (1707-1781), der auf den Moabiter Plantagen Seidenbau betrieb, zum Leiter des Seidenbaus für alle französischen Colonien bestellt wurde. Er erstellte auch die Grundsätze, nach denen Kabinettsordres Friedrich II. die Bevölkerung zur Maulbeerbaum und Seidenzucht aufforderten. Hier wurden erstmals die kostenlose Verteilung von Samen und Jungpflanzen, Geldprämien für das Anlegen von Plantagen (50 Taler für 1 000 Stämme) und unentgeltliche Verteilung der Seidenraupeneier (Graines) in Aussicht gestellt sowie die garantierte Abnahme der Seide zu festen Preisen. In dieser Zeit wurden auch auf Anregung des Gewerbeministers Samuel von Marschall (1683-1749) Waisenhäuser und geistliche Stiftungen zu Pflanzschulen für Seidenbau gemacht. Auch die Charité wurde Musteranstalt des Seidenbaus.
     In den Jahren 1745-1748 ließ Friedrich II. nördlich des Charitégartens das Invalidenhaus errichten. Um das Hauptgebäude wurden eine Reihe Wirtschaftsgebäude grup

piert. Östlich vor dem Haus lagen Gärten, Äcker und eine besonders große Maulbeerplantage. In den Instruktionen des Königs für den Bau des Invalidenhauses hieß es u. a.: »Ferner will Ihre Königliche Majestät für das Haus eine Plantage von Maulbeerbäumen anlegen lassen, um davon Seidenwürmer zu undterhalten. Die Bäume soll der Gärtner in Acht nehmen, und wenn sie groß genug sind, wird jemand bestellt werden, der mit Seidenwürmern umzugehen weiß. Der Gewinn soll dem Invalidenhaus zu Gute kommen.« 3)
     Edikte von 1745, 1746 und 1748 verboten die Ausfuhr von Maulbeerbäumen und stellten deren Beschädigung unter Strafe. Auch die Gemahlin Friedrichs, Elisabeth Christine, förderte den Seidenbau. Im Schloßpark Niederschönhausen ließ sie in einem Gewächshaus im Schloßpark und in Zimmern der Fasanerie Seidenraupenzucht betreiben. Dazu wurden in der Colonie Schönholz Maulbeerplantagen angelegt. »Es war zum Seidenbau ... bereits 1743, am Ende der vom Schlosse abgehenden Charlottenburgischen Allee in dem Walde eine weitläufige eingehegte Plantage von vielen Maulbeerbäumen angepflanzt worden«, berichtete Nicolai. 4)
     Einer der Schulmeister, die die Anweisungen des Königs zum Seidenbau verwirklichten, war Johann Julius Hecker (1707-1768), Gründer der Königlichen Realschule. Er legte auf einem Gelände vor dem Potsdamer Tor den ersten Berliner Schulgarten an, wo

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er Maulbeer- und Seidenraupenzucht betrieb. Heckers Realschule wurde eine Musteranstalt für den Seidenbau, und viele seiner Zöglinge gingen als Schullehrer auf das Land. Von ihnen erhoffte sich Friedrich II., daß sie »Apostel« für den Seidenbau unter der Landbevölkerung werden würden.
     Zu diesen Bemühungen um die Gewinnung der Bevölkerung gehörte auch, daß ein Schüler des alten Rektors Frisch, der Plantageninspektor Johann Friedrich Thym, beauftragt wurde, eine Schrift »Practik des Seidenbaus« zu verfassen. Sie erschien 1750 und wurde danach in mehreren Auflagen kostenlos verteilt.
     Maulbeer- und Seidenraupenzucht wurde auf dem Gut Tegel betrieben und war die Ursache für die Entstehung des Ortes Adlershof. In Friedrichshagen, 1753 als Spinnerdorf gegründet, ließ Friedrich II. 1 200 Maulbeerbäume anpflanzen, aber zu einer regelrechten Seidenproduktion ist es nicht gekommen. Mehrere Chronisten berichten, daß der Seidenbau nur von untergeordneter Bedeutung war.
     Erwähnenswert sind die Bemühungen des Ministers von Boden (gest. 1762), der auf seinen Besitzungen in Charlottenburg recht erfolgreich Seidenbau betrieb, der Arnims auf Boytzenburg und des Ministers Graf von Hertzberg (1725-1795) in Britz. »Der Minister Graf von Hertzberg betrieb auf seinem Gut Britz bei Berlin den Seidenbau im großen; mit Stolz zeigte er den Gästen seinen Schlafrock aus grünem Damast, die Tapeten und
Möbelbezüge, die er aus selbst gewonnener Seide von Berliner Fabrikanten hatte anfertigen lassen.« 5)
     Insgesamt zeichnen die Bemühungen Friedrichs II. um den Seidenbau in Preußen ein widerspruchsvolles Bild. Die hochgesteckten Ziele einer Eigenversorgung sowie des Exports von preußischer Seide wurden zu keinem Zeitpunkt erreicht. In einer ersten Periode, bis zum Beginn des Siebenjährigen Krieges, wurden ca. eine halbe Million Maulbeerbäume gepflanzt, von denen 100 000 laubbar waren. Mit ihnen wurden in guten Jahren etwa 3 000 Pfund Seide erzeugt. Nach dem Ende des Krieges konnte die Seidenproduktion verdoppelt werden, sie lag 1776 bei 6 000 Pfund. Doch der König war unzufrieden: »Ich wünsche, daß ein jeder Bauer sich damit beschäftige ...
     Wenn ein jeder Bauer auch nur so viel Maulbeerbäume oder Hecken anlegt, daß er ein oder zwei Pfund (Seide) gewinnen kann, so ist das ziemlich hinreichend, davon sein Kontribution zu bezahlen.« 6) Mitte der 80er Jahre wurden 11 000 bis 13 000 Pfund erreicht. Und doch war das - gemessen an den vorhandenen Bäumen und den Plänen Friedrichs, die bei 40 000 Pfund lagen - «sehr wenig, sehr schlecht«. Die Geistlichen der Kurmark, deren Ergebnisse extra ausgewiesen wurden, nannte Friedrich »faule Esels«. Der König sah wohl, daß der Fortschritt des ganzen Projekts letztlich daran zu scheitern drohte, »daß viele Leute,

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wenn sie gleich die Menge an Maulbeerbäumen haben, sich nicht die Mühe nehmen, solche gehörig zu benutzen und Würmer aus(zu)legen«. 7) Es gab eine regelrechte Abneigung unter der Bevölkerung, der Bauer machte ungünstige Klima- und Bodenverhältnisse geltend, den Schulmeistern war die Seidenraupenzucht unter ihrer Würde, und vom Adel widmete sich nur der Seidenraupenzucht, wer in der Gunst Friedrichs steigen wollte. So kam es, daß nach Friedrichs Tod das ganze Projekt bald in Vergessenheit geriet und verfiel.
     Zweimal noch machte der Seidenanbau in Berlin Schlagzeilen. Fast drei Jahrzehnte nach Friedrichs Tod sorgten der Schul und Regierungsrat Wilhelm von Türk, der Berliner Lehrer Ramelow, der 1821 gegründete »Verein zur Beförderung des Gewerbefleißes in Preußen« und einige Unternehmer wie der Italiener Bolzani und vor allem Adolf Heese mit verbesserten Technologien der Seidenraupenzucht und der Verarbeitung der Kokons für eine neue Blüte. 1861 wurde diese Entwicklung durch eine europaweite Seidenraupenseuche abrupt beendet.
     Schließlich war es das Hitlerregime, das den Seidenbau für seine Ziele mobilisierte. Mit einem »Seidenaufbau-Programm«, in dem der Seidenanbau als Ausdruck der »deutschen Selbstbehauptungskraft« und die Rohseidengewinnung für Technik und Wehrmacht als späte Erfüllung der hochgesteckten Ziele Friedrichs II. propagiert wur
den, erzwang man die »kurzlebigste, aber auch quantitativ erfolgreichste Phase einer Inländischen Seidenproduktion«. 8)

Quellen:
1 Zitiert bei Bogdan Krieger: Das Königliche Schloß Bellevue bei Berlin und sein Erbauer Prinz Ferdinand von Preußen, Berlin 1906, S. 11
2 Acta Borussia, Denkmäler der Preußischen Staatsverwaltung im 18. Jahrhundert, Berlin Verlag Paul Parey 1892, Seidenindustrie Bd. 1, Nr. 13, S. 14
3 Zitiert nach Folkwin Wendland: Berlins Gärten und Parke von der Gründung der Stadt bis zum ausgehenden neunzehnten Jahrhundert, Frankfurt/Berlin/Wien 1979, S. 174
4 F. Nicolai: Beschreibung der Königlichen Residenzstädte Berlin und Potsdam, Berlin 1779
5 Adolph Porschmann: Seidenbau ..., a. a. O., S. 2
6 Ilja Mieck: Preußischer Seidenbau im 18. Jahrhundert; Vierteljahresschrift für Wirtschafts und Sozialgeschichte, Steiner Verlag Wiesbaden, Heft 4, 1969, S. 484
7 Ebenda
8 Ilja Mieck: Preußischer Seidenbau im 18. Jahrhundert; Vierteljahresschrift für Wirtschafts und Sozialgeschichte, Steiner Verlag Wiesbaden, Heft 4, 1969, S. 484
Bildquelle: Bogdan Krieger: Das Königliche Schloß Bellevue bei Berlin und sein Erbauer Prinz Ferdinand von Preußen, Berlin 1906
Folkwin Wendland: Berlins Gärten und Parke von der Gründung der Stadt bis zum ausgehenden neunzehnten Jahrhundert, Frankfurt/Berlin/Wien 1979


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© Edition Luisenstadt, Berlinische Monatsschrift Heft 7/1996
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