18 Probleme/Projekte/Prozesse | Leonhard Thurneysser |
im wirtschaftlich und wissenschaftlich
gering entwickelten Brandenburg ein weites Betätigungsfeld. Sein Wissen überragte
das vieler seiner Zeitgenossen. In alten Quellen wird er »zu den Abenteurern von mässig anständiger Gesinnung gerechnet«. Erst das 20. Jahrhundert läßt mehr
Gerechtigkeit walten, stellt Positives und Negatives
nebeneinander, ordnet Thurneysser ein in eine bestimmte Zeit, in ein bestimmtes gesellschaftliches Umfeld.
Ein Anhänger der Theorien
Als Leonhard Thurneysser nach Berlin kam, war er, am 6. August 1531 geboren, bereits 40 Jahre alt. Er hatte sich in der Welt umgesehen und in den verschiedensten Berufen gearbeitet: als Goldschmied, Mediziner, Apotheker, Wappenstecher, Soldat, Bergmann, Alchemist, Astrologe, Naturforscher und Schriftsteller. Bei seinem Vater erlernte er in seiner Heimatstadt Basel zunächst das Goldschmiedehandwerk und bekam erste Einblicke in Metallurgie und Chemie, war aber gleichzeitig nebenbei als Famulus bei dem Arzt und Naturforscher Dr. Johann Huber tätig, für den er Kräuter sammelte und sich Grundkenntnisse in der Zubereitung von Arzneien aneignete. Bei seinem Lehrherrn lernte er die Schriften Paracelsus' kennen und war Zeit seines Lebens ein Anhänger dessen medizinischer Theorien. | ||||||
Susanne Benjamin
Ein Berliner Dr. Faustus? Geachtet und als Zauberer verteufelt: Leonhard Thurneysser Am 9. Juli vor 400 Jahren starb ein Mann, über den es bei Literaten, Historikern,
Medizinern sehr unterschiedliche, oft
konträre Auffassungen gibt. Die
widerspruchsvolle Beurteilung von Leonhard Thurneysser,
der sich selbst zum Thurn nannte, reizt, ihn neu zu betrachten, zumal eine umfassende
Biographie noch aussteht. Thurneysser lebte in einer Übergangszeit, in der sich die
Naturwissenschaften schrittweise von mystischen Anschauungen befreiten, in der sich
Astronomie, Chemie, Medizin allmählich aus
der Umklammerung der Alchemie lösten.
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Mit 16 Jahren ging er auf Wanderschaft,
kam nach England und Frankreich (1547 bis 1551). Thurneysser stand von 1551 (oder 1552)
bis 1553 als Landsknecht im Dienste des Markgrafen Albrecht von
Brandenburg-Kulmbach. In der Schlacht von Sievershausen gegen
Kurfürst Moritz von Sachsen am 9. Juli 1553 geriet er in Gefangenschaft, aus der
er sich jedoch loskaufen konnte.
Anschließend arbeitete er in Deutschland und Rußland
in Bergwerken und Schmelzhütten sowie in Straßburg und
Konstanz als Goldschmied.
1555 kehrte er nach Basel zurück und heiratete die ältere, wohlhabende Witwe Margarete Müller(in), die ihn jedoch mit ihrem Vormund betrog. Leichtsinnig hatte 1558 der selbst zahlungsunfähige Thurneysser Bürgschaften für Freunde übernommen, in der Hoffnung, notfalls auf das Vermögen seiner Frau zurückgreifen zu können. Das wurde ihm jedoch von deren Vormund verwehrt. Daraufhin versuchte er, seine Gläubiger mit einer Stange vergoldeten Bleis, das er als Goldbarren ausgegeben hatte, zu täuschen. |
Bevor dieser Betrug herauskam, durch
den er das Bürgerrecht einbüßte, verließ er
seine Vaterstadt. 1559 verdingte er sich in Tirol
als Metallurg im Bergbau und im Hüttenwesen, brachte es später zum Aufseher
und Bergbauinspektor, zuletzt sogar zum Minenbesitzer.
Seine Bergwerke, Schmelz- und Schwefelhütten
zogen viele Menschen an, unter anderen Kaiser Ferdinand I. und
dessen zweiten Sohn Erzherzog Ferdinand, seit 1564 Regent in
Tirol. In dieser Zeit betätigte er sich auch als
Arzt und Schneidekünstler. Die
Schneidekünstler standen in der mittelalterlichen
Handwerkertradition. Es waren Spezialisten auf
einem bestimmten Gebiet der Chirurgie, wie z. B. auf
dem Gebiet der Bruch- oder Blasensteinoperationen. Die
jeweiligen Kenntnisse waren ein Geheimnis, das nur innerhalb der Familie an die nächste Generation weitergegeben wurde.
Schon 1559 erhielt Thurneysser die kaiserliche Erlaubnis zur Sektion einer Leiche, ein
besonderes Privileg zur damaligen Zeit.
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die Tochter des Goldschmieds
Huettlin (Hüetlin), kennengelernt. Nachdem er
1563 von seiner ersten Frau geschieden wurde, konnte er sie heiraten und nach Tirol
holen. Mit ihr hatte er vier Kinder.
Durch die Gunst und Förderung des Erz | herzogs Ferdinand II. von Tirol gelang
es ihm nach 1560, zum »Meister aller Minen in Tirol« aufzusteigen. Im Auftrag seines
Gönners unternahm er zwischen 1560 und 1565 Studienreisen nach England und
Schottland, Spanien und Portugal, nach
Äthiopien, Ägypten, Syrien und Palästina.
Über Kreta, Griechenland, Italien und Ungarn ging er zurück nach Tirol. Er sammelte seltene Pflanzen, Mineralien und Rezeptbücher. Auf seinen Reisen hatte er so viel Neues gesehen und kennengelernt, daß sein Interesse fortan den Wissenschaften galt. 1570 schied er endgültig aus den Diensten des Erzherzogs aus und machte sich auf die Suche nach einer leistungsfähigen Druckerei für seine Werke. Im Winter 1570/71 hielt er sich in Frankfurt/Oder auf. Während seiner Reise dorthin untersuchte er den Metall- und Mineraliengehalt der Flüsse und des Bodens in der Mark. Diese Untersuchungsergebnisse brachte er in sein neues Werk »Pison«, ein »Wasserbuch«, »Herbario und ein Arztney-Buch« ein, für das er schon die kaiserliche Druckgenehmigung besaß. In der damals bekannten | |||||||
Inneres der Klosterkirche | ||||||||
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Eichhornschen Druckerei in Frankfurt
wollte er seine Schriften »Archidoxa« und »Pison - Von kalten, warmen, Iminerischen und Metallischen Wassern, sampt der
vergleichunge der Plantarum und Erdgewaechsen« drucken lassen. Der Kurfürst von Brandenburg und seine Gemahlin weilten im Frühjahr 1571 ebenfalls in
Frankfurt/Oder. Johann Georg (1571-1598) war vom geologischen Werk Thurneyssers
beeindruckt, verhieß es doch der Mark
Brandenburg bedeutende Heilquellen und Bodenschätze. Als es Thurneysser gelang,
die Leiden der Kurfürstin Sabina durch eine Kur zu lindern, war ihm die Gunst des Herrscherpaares sicher. Er wurde zum Leibarzt mit 1 352 Talern Gehalt ernannt, bekam in Berlin im leerstehenden Grauen Kloster (Kapitelsaal) und in den
angrenzenden Gebäuden Räume als Wohnung und Laboratorium, eine Kalesche, Kleidung, Deputate und vor allem die
uneingeschränkte Unterstützung des Herrscherpaares.
Mediziner und Metallurge,
Sein Auftreten und sein ungewöhnlicher Aufstieg hatten für viele im Ständedenken befangene Bürger der Stadt etwas Unheimliches. Selbstbewußt wie er war, ging er nur in schwarzen samtenen und seidenen Kleidern, goldenen Ketten, aß nur von silbernen Tellern. Bedienen und begleiten ließ er sich | stets von zwei Edelknaben. Bei seinen
Fahrten im vierspännigen Wagen liefen Diener nebenher. Auffällig und ungewöhnlich
wie sein Auftreten und die Art, sich zu kleiden, waren die Gegenstände, mit denen er
sich beschäftigte. Obwohl er kein
abgeschlossenes Studium nachweisen konnte, versuchte
er sich in den unterschiedlichsten
Wissenschaftsdisziplinen, gab sich als Mediziner, als
Apotheker, als Metallurge, als Alchemist und Astrologe aus, wirkte als Botaniker und Zoologe.
So einer mußte einfach mit dem Teufel im Bunde stehen. Mit seinem Streben nach Wissen, seiner scharfen Beobachtungsgabe, seinem Organisationstalent und seiner an Mäzenatentum grenzenden Freigebigkeit war er eine Art Berliner Doktor Faustus. Neben beachtlichen wissenschaftlichen Erkenntnissen verstieg er sich mitunter zu Spekulationen, so z. B., wenn er behauptete, daß im Wasser der Spree Gold zu finden sei, daß es im märkischen Sand beachtliche Bodenschätze, sogar Saphire und Rubine gäbe. Dies und seine spektakulären Erfolge, vor allem die damit verbundenen finanziellen Gewinne, haben die studierten Fachkollegen erbittert, genauso wie seine Welterfahrenheit den durch die Zünfte engen Geist der Berliner Bürger gereizt hat. Ärzte und Professoren der Universitäten Heidelberg, Frankfurt/Oder, Magdeburg, Greifswald waren seine schärfsten Kritiker. Thurneysser mußte sich immer wieder in zermürbenden Rechtfertigungsprozessen gegen Neid | ||||
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und Dummheit durchsetzen. Hinzu
kam, daß dieser extravagante Mann kein
zurückgezogen lebender Büchergelehrter war.
Er genoß bei vielen hochgestellten
Persönlichkeiten großes Ansehen, stand in
Briefkontakt mit Kaiser Maximilian, mit Königen
und Fürsten, wurde konsultiert von Ärzten und Wissenschaftlern, die seine Methoden und Arzneien kennenlernen wollten.
Thurneysser war Handelsherr, Verleger, Buchdrucker, Unternehmer. Als Mediziner entwickelte er auf dem Boden der Alchemie eine eigene Harndiagnostik. Aus destilliertem und resolviertem Urin leitete er seine Therapie ab. Jeder Patient mußte zehn Taler für die Harndiagnose im voraus bezahlen und außerdem die von Thurneysser verschriebenen teuren Medikamente kaufen. Die Medikamente bestanden zum großen Teil aus kostbaren Substanzen und Edelsteinen: Smaragdtinktur, Goldpulver. Aufträge - und damit verbunden Geld - kamen aus ganz Deutschland und sogar aus einigen europäischen Ländern in die Klosterstraße. Da er aber in der Mark Brandenburg für seine Harn- und Mineralwasseranalysen nicht genügend Retorten und Flaschen auftreiben konnte, übernahm er die Leitung einer Glashütte, verbesserte deren Produktionsablauf und stellte feines weißes Glas her. Mit all diesen Projekten förderte er in Berlin die Entwicklung von Technik und Naturwissenschaft und trug viel zur Belebung von Handwerk und Handel bei. | Bald gehörte er zu den reichsten Männern der Stadt
Der Wunsch vieler adliger Damen und Herren nach Jugend und Schönheit ließ ihn
zum Hersteller und Händler von kosmetischen Präparaten und Verjüngungsmitteln
werden. Er gründete einen Großversand in der Klosterstraße und betrieb einen schwunghaften Handel mit Arzneimitteln,
kosmetischen Produkten und astrologischen Almanachen. Sterndeutungen,
Prophezeiungen, Horoskope, astrologische Kalender und
Talismane brachten im damaligen Berlin mehr Geld ein als aufwendige Studien und
deren Publikation. Dennoch - auch Thurneysser veröffentlichte seine Beobachtungen,
verallgemeinerte seine wissenschaftlichen Erkenntnisse. Sie trugen zu seiner Popularität bei und vermehrten sein Ansehen.
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gedruckt, die sogenannte »Berliner
Botenmeister Zeitung« von Christoph
Frischmann, direkte Vorgängerin der bekannten
»Vossischen Zeitung«.
Zur Druckerei gehörte ab 1576 eine Schriftgießerei - eine Voraussetzung, um Bücher in hebräischen, griechischen, persi | schen, arabischen, türkischen und lateinischen Lettern drucken zu können. Böse Zungen behaupteten, diese Lettern hätten nur dazu gedient, seine Werke zu schmücken und ihnen einen akademischen Anstrich zu verleihen. Dem widerspricht, daß Gelehrte aus ganz Europa und der Kurfürst im Kloster | ||||
Die Klosterkirche mit dem Gymnasium | |||||
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Bücher drucken ließen. In seinen
Werkstätten beschäftigte er Maler,
Schriftgießer, Formschneider, Metallarbeiter,
Mathematiker aus vielen deutschen Ländern. Seine eigenen Kräuter- und Arzneibücher
konnte Thurneysser nun mit aufwendigen und prachtvollen Holzschnitten illustrieren lassen. Aber nicht nur seine eigenen, sondern alle im Kloster gedruckten Werke
sind Zeugnisse großen handwerklichen
Könnens, den besten Leistungen früher
Buchdruckerkunst ebenbürtig.
Ab 1572 gab Thurneysser den astrologischen Almanach »Nativitäten« heraus. Jährlich erschienen Kalender, die in verschlüsselter Form Prophezeiungen enthielten. Gegen ungünstige Prophezeiungen konnte man »Gegenmittel« erwerben, sogenannte Talismane, gefertigt aus Metallegierungen, errechnet nach dem Planetenstand der Gestirne bei der Geburt. Sie sollten Krankheiten und Unglück abwenden. Die Kalender, Horoskope, Talismane und Sigillen (Bildchen, die magische Zeichen, Symbole enthielten und Schutz bieten sollen) bedeuteten eine wichtige Einnahmequelle für Thurneysser. Außerdem war er in Berlin im Geld- und Bankgeschäft tätig, verlieh Kapital, wechselte fremde Währungen. Um 1580 soll Thurneysser 1 000 000 Gulden besessen haben. Dieses Geld aber gab er mit vollen Händen wieder aus. Er mußte für viele Beschäftigte sorgen, über 200 Helfer und Angestellte standen bei ihm in Lohn und Brot. | Zum Teil wohnten sie mit ihren Familien
bei ihm im Kloster und wurden auch verpflegt.
Daneben benutzte er seinen Reichtum, um Kulturgüter zu sammeln und zu erhalten. Berichtet wird von einer Gemälde- und Waffensammlung, von wertvollen Silbergeräten. 1583/84 ließ er, kurz vor seinem Weggang aus Berlin - wie ein echter Mäzen - das Innere der Franziskanerklosterkirche weißen und den Klosterkomplex restaurieren. Unter seiner Leitung entstand in der Berliner Klosterstraße eine wissenschaftliche Bibliothek mit Werken aus aller Welt. Zur Sternbeobachtung hatte er sich ein kleines Observatorium in einem Turm des Klostergebäudes eingerichtet. Ausführlich beschrieb er einen am 19. Oktober 1577 über Berlin gesichteten Kometen. In seinem Naturalienkabinett sammelte er Samenarten, ausgestopfte oder getrocknete Tiere, Erze, Mineralien. Im Klostergarten blühten neben einheimischen Arzneipflanzen viele fremde Gewächse. Hier entstand Berlins erster botanischer und zoologischer Garten. Er führte die Beringung
Bei seinen frühen Schriften lagen ernstes wissenschaftliches Streben und bewußte Irreführung dicht beieinander. Der »Pison« z. B., aus dem Jahre 1572, enthielt neben der | |||||
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Behauptung, im Schlick der Spree gäbe
es Gold von 23,5 Karat (24 Karat = reines Gold), durchaus brauchbare Verfahren zur
Untersuchung von Wasser. Er verglich das Gewicht des Regenwassers mit dem
anderen Wassers, machte sich Gedanken über das Abdampfen, die Kristallisation des Rückstandes und seine Überprüfung in der
Flamme. In diesen Details zeigte er sich als genauer Beobachter und ernstzunehmender Naturforscher. In Teilbereichen kam er
zu Erkenntnissen, die heute noch Beachtung finden. Für das 16. Jahrhundert waren
seine Schlußfolgerungen erstaunlich. Sein
Werk »Historia« war das erste umfassende
Kräuterbuch der Mark Brandenburg mit vielen hervorragenden Abbildungen.
Thurneysser führte umfangreiche anatomische und
botanische Studien durch. Er beobachtete den jährlichen Vogelzug und führte in der
Mark die Beringung von Vögeln ein.
1575, auf dem Höhepunkt seiner Erfolge, starb seine zweite Frau. Er zog sich vom öffentlichen Leben weitgehend zurück. Eine Pestepidemie im Berliner Raum zwang ihn 1576, ein Jahr lang aus Berlin fortzubleiben, Besitz und Geschäfte zu vernachlässigen. Erneut keimte der Gedanke auf, in seine Schweizer Heimat zurückzukehren. Die immer häufigeren Angriffe studierter Fachkollegen, die zwar seine Heilerfolge nicht bestritten, sie aber einem Bündnis mit dem Teufel zuschrieben, vergällten ihm das Leben in Berlin. 1577 erlitt er einen Schlag | anfall. Sein Wesen veränderte sich,
einige Quellen sprechen sogar davon, daß er
trübsinnig wurde. In seiner Heimatstadt Basel wollte er Ruhe, Heilung und eine
Erneuerung seiner Schaffenskraft finden und seine letzten Lebensjahre als Gelehrter
verbringen. Um diesen Entschluß zu
bekräftigen, verkaufte er seine Druckerei, aber der
Kurfürst genehmigte ihm 1579 nur einen Urlaub nach Basel. Erneut versuchte
Thurneysser, für sich und seine Kinder das Baseler
Bürgerrecht zu erlangen, hoffte gar, durch
eine Heirat sein Anliegen zu begünstigen. Mit 50 Jahren, im November 1580, nahm er die mehr als 20 Jahre jüngere Marina
Herbroth (Herbrott), Tochter aus niederem Adel,
zur Frau. Es war eine Zweckheirat, er hatte seine Braut vor der Ehe nie gesehen. Sein beträchtliches Vermögen, die
Gemäldesammlung, die Bibliothek und das Herbarium sandte er in die Schweiz. Als es zwischen ihm und seiner jungen Frau, nach Thurneyssers eigenen Worten »eine
ehrvergessene Blutschandhure und
Giftköchin«, zum Zerwürfnis kam, reichte sein
Schwiegervater 1582 in Basel Klage wegen Verstoßens der Ehefrau ein. Das Gericht
sprach Thurneyssers gesamtes Vermögen seiner Frau zu. Das Urteil wurde 1584 rechtskräftig.
Im gleichen Jahr benutzte Thurneysser eine Reise des Kurfürsten nach Dresden, um Berlin endgültig zu verlassen. Über Prag reiste er nach Rom. Hier schuf er sich | ||||
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als Leibarzt des Kardinals Sittich II. von Hohenems eine neue Existenz, mußte aber zum katholischen Glauben übertreten.
Erneut gelang es ihm, ein Vermögen anzuhäufen. Warum er 1590 Rom verließ und 1594 nach einem Aufenthalt in Konstanz noch einmal nach Deutschland zurückkehrte, ist bis heute unklar. Vergessen und verarmt starb er im Juli 1596 im Alter von 65 Jahren im Hause eines Kölner Goldschmieds. Der Bettelorden begrub ihn im dortigen Predigerkloster. Was blieb von Thurneysser in Berlin erhalten, was erinnert an diesen außerordentlich vielseitigen Mann? Die Ruinen seiner Wirkungsstätte in der Klosterstraße wurden 1968 gesprengt. Nur sein Name existiert noch: auf einer Gedenktafel an der Klosterruine, auf einem Straßenschild im Wedding. Die von ihm ursprünglich für die Klosterkirche gestiftete Kreuzigungsgruppe befindet sich heute in der Moabiter Johanneskirche. Das aber dürften nur wenige Betrachter wissen: Thurneyssers Wappen und der auf die Erneuerung der Franziskanerkirche bezogene Spruch »Thurneysser hat mich neu gemacht, da ich alt war und ganz veracht« sind an der Kreuzigungsgruppe heute nicht mehr vorhanden. |
Literatur:
Bildquelle: | |||||
© Edition Luisenstadt, Berlinische Monatsschrift Heft 7/1996
www.berlinische-monatsschrift.de