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verlagerte Karajan das Schwergewicht seiner Arbeit zunächst nach Wien, erhielt aber 1946/47 wegen seiner Mitgliedschaft in der NSDAP (seit 1933) Auftrittsverbot. Ab 1948 leitete er die Wiener Gesellschaft der Musikfreunde, es folgte eine intensive Tätigkeit am Philharmonia Orchestra London, dessen Principal Conductor er 1956 wurde. Darüber hinaus nahm er zahlreiche internationale renommierte Gastdirigate wahr, so zu den Bayreuther Festspielen, an der Mailänder Scala.
     1955 begann mit einer Tournee durch die USA und Kanada, Deutschland, Frankreich und Belgien die kontinuierliche Zusammenarbeit mit dem Berliner Philharmonischen Orchester, das ihn zu seinem Dirigenten wählte. 1956 wurde Herbert von Karajan auch Künstlerischer Direktor der Wiener Staatsoper (bis 1964) sowie Künstlerischer Leiter der Salzburger Festspiele (bis 1960, ab 1964 im Direktorium). Karajan war nun ein weltweit gefeierter »Maestro« für Konzert, Oper (auch als Regisseur), Schallplatte, Film und Fernsehen, deren technische Neuerungen er sofort aufgriff. 1967 rief er mit dem Berliner Philharmonischen Orchester die Salzburger Opernfestspiele ins Leben, 1968 erfolgte die Gründung der »Herbertvon-Karajan-Stiftung« der u. a. auch ein Forschungsinstitut für experimentelle Musikpsychologie angeschlossen war. 1969 unternahm er mit dem Berliner Philharmonischen Orchester eine Europareise: Prag,
Manfred Nöbel
Der Dirigent des Wirtschaftswunders

Ehrenbürger Herbert Ritter von Karajan
(1908-1989)

Herbert Ritter von Karajan, geboren am 5. April 1908 in Salzburg, entstammt einer griechisch-mazedonischen Familie (eigentlich Karanjanopoulos), die im 18. Jahrhundert in Österreich ansässig wurde und hier Hervorragendes in Handel und Wissenschaft leistete. Der Arztsohn erhielt 1916-1926 am Salzburger Mozarteum seine erste musikalische Ausbildung. 1926-1929 absolvierte er in Wien neben drei Semestern an der Technischen Hochschule (Ingenieur) ein Studium an der Akademie für Musik- und Darstellende Kunst (Klavier) und beendete die Dirigierklasse. 1929-1934 war er als 1. Kapellmeister am Stadttheater Ulm engagiert. 1934-1941 trat er die Nachfolge Buschs als Kapellmeister am Stadttheater Aachen an und war dort ab 1935 der jüngste Generalmusikdirektor Deutschlands.
     1939 wurde Karajan zum Staatskapellmeister an die Berliner Staatsoper berufen (bis 1944) und übernahm außerdem die Leitung der Sinfonie-Konzerte der Preußischen Staatskapelle. Nach dem Zweiten Weltkrieg


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Moskau, Leningrad, danach London, Paris, Holland. Er unternahm Tourneen nach Japan und China. Am 30./31. Dezember 1988 war sein letzter Auftritt in Berlin; 1989 leitete er zu den Opernfestspielen in Salzburg letztmalig die Berliner Philharmoniker. Am 24. März 1989 erklärte er aus gesundheitlichen Gründen seinen Rücktritt als Ständiger Dirigent und Künstlerischer Leiter des Berliner Philharmonischen Orchesters, mit dem die Zusammenarbeit in den letzten Jahren nicht spannungsfrei war.
     Karajan hat in Berlin nie eine Wohnung oder ein Haus bezogen. Am 16. Juli 1989 starb er in Salzburg. Als Nachfolger des 1954 verstorbenen Wilhelm Furtwängler war er der vierte Leiter der traditionsreichen Berliner Philharmoniker. Diese intensive Zusammenarbeit dauerte 34 Jahre. Karajan prägte so das Berliner Musikleben wie kaum ein anderer. 1960 legte er den Grundstein zu dem von ihm durchgesetzten Scharoun-Projekt am Kemperplatz, im Berliner Volksmund »Zirkus Karajani« genannt; 1987 eröffnete er auch den Kammermusiksaal der
»Kleinen Philharmonie«. Mit rund 700 Platten-, Film- und Video-Aufnahmen strahlte der »Dirigent des Wirtschaftswunders« weit über die Grenzen der Stadt. Für die Verdienste, die er sich für das Ansehen Berlins als Musikstadt erwarb, erhielt er am 23. Novem
Herbert von Karajan
ber 1973 aus den Händen des Regierenden Bürgermeisters Klaus Schütz die 85. Ehrenbürgerwürde Berlins. Karajans Kommentar: »Es ist ja auch wirklich Zeit.«

Bildquelle: Landesbildstelle Berlin
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© Edition Luisenstadt, Berlinische Monatsschrift Heft 7/1996
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