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Wolfgang Triebel
Er überbrachte die Freiheitsglocke

Lucius D. Clay (1897-1978)

Lucius D. Clay entstammt einer in den Südstaaten der USA angesehenen Familie. Einer seiner Vorfahren mütterlicherseits hatte am Bürgerkrieg teilgenommen und war darin umgekommen. Ein anderer Verwandter, Henry Clay, war zweimal als Präsidentschaftskandidat angetreten. Sein Vater schließlich, von Beruf Anwalt, war von 1897 bis zu seinem Tode 1910 Senator der Vereinigten Staaten. Clay wurde am 23. April 1897 in Marietta (Georgia) geboren. Im Elternhaus wurde ständig über Politik gesprochen, woran die sechs Kinder durchaus beteiligt wurden. Ihn selbst hatte sein Vater frühzeitig zu längeren Sitzungsperioden des Senats nach Washington mitgenommen, er durfte als Bote kleinere Aufgaben erledigen. Vor allem stand ihm die dortige Bibliothek zur Verfügung, aus der er vornehmlich Bücher militärischen Inhalts auslieh. Er wollte Soldat werden. Nach Beendigung der Oberschule besuchte er bis 1918 die Militärakademie von West Point, wurde aber nicht mehr an die Front versetzt.


Weitere Studien an der Pionierschule von Fort Belvoir entwickelten seine ingenieurtechnischen Fähigkeiten, so daß er auch zum Bau ziviler Objekte kommandiert wurde. So zur Planung eines Wasserkraftwerkes auf den Philippinen.
     In dieser Zeit begann seine Freundschaft mit General Eisenhower. Als Verbindungsoffizier des Chefs der Pioniere zum Kongreß wurde er mit der Arbeitsweise der Legislative und mit Rüstungsplanungen vertraut. Während des Zweiten Weltkrieges wurde er - sehr zu seinem Leidwesen - vom Pentagon nicht an die Front gelassen; er war wegen der Lösung der komplizierten Nachschubprobleme der US-Army unabkömmlich. Lediglich im Oktober 1944 holte Eisenhower ihn nach Frankreich mit der Aufgabe, kurzfristig den Hafen von Cherbourg wieder nutzbar zu machen. Aber noch immer gab Washington ihn nicht frei. Erst am 18. April 1945, der Krieg war fast zu Ende, berief Präsident Roosevelt Clay zum Stellvertreter General Eisenhowers und Militärgouverneur für Deutschland. Obgleich es im Stab Eisenhowers Interessenten für diese Funktion gab, wurde Clay wegen seiner Erfahrungen, seiner Entschlußkraft, seines Ansehens im Pentagon und im Außenministerium als der geeignetste Kandidat für dieses Amt angesehen.
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     Mitarbeiter und Zeitgenossen, seine Biographen und Freunde haben immer wieder übereinstimmend seinen scharfen Verstand, seine umfassende Bildung, sein phänomenales Gedächtnis, kühne und unkonventionelle - manchmal auch vorschnelle - Entscheidungsfreudigkeit hervorgehoben. Sie verwiesen auf seine militärische Disziplin und zugleich eigenständige politische Vorgehensweise, die in der Regierung der USA durchaus nicht unumstritten war. John Backer, einer der Biographen, schrieb, es habe damals »in den Vereinigten Staaten wahrscheinlich keinen politischen Führer« gegeben, »der sich konsequenter und energischer für die Fortführung des im Kriege geschlossenen Bündnisses und die freundschaftliche Zusammenarbeit mit der Sowjetunion einsetzte«. Ebenso konsequent vertrat er die später veränderte amerikanische Politik, als die Regierung der USA auf die Einbeziehung der westlichen Besatzungszonen Deutschlands in ein westliches Bündnissystem orientierte und auf die Notwendigkeit einer starken deutschen Volkswirtschaft verwies.
     Clays Erfahrungen aus seiner Tätigkeit in der Administration in Washington und sein Organisationstalent, seine Fähigkeit, funktionierende politische Strukturen zu


Lucius D. Clay

entwickeln und auf neue Umstände bzw. auch jähe Wendungen unkonventionell reaktionsfähig zu machen, wurden zwischen 1946/47 und 1949 mehr als einmal herausgefordert.

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     Höhepunkte dieser Arbeit jener Jahre waren vor allem die Schaffung der Bi-Zone, die 1948 von ihm nahezu über Nacht initiierte Luftbrücke nach Westberlin und sein Einwirken auf den Parlamentarischen Rat bei der Abfassung des Grundgesetzes. Clay hatte sich weltweites Ansehen erworben, als er schließlich im Mai 1949 als Militärgouverneur abberufen und entsprechend der neuen Lage von dem zivilen Beamten John McCloy als Amerikanischem Hochkommissar für Deutschland abgelöst wurde. Am 1. Juni 1949 wurde ihm zu Ehren die Kronprinzenallee (Wilmersdorf, Zehlendorf) in Clayallee umbenannt.
     In die USA zurückgekehrt, von der Armee in den Ruhestand versetzt, wurde er kurze Zeit später Generaldirektor und Vorstandsvorsitzender der Continental Can Company, die er entsprechend neuer Erfordernisse umstrukturierte und von einem bis dahin mittleren Betrieb zum größten Verpackungsunternehmen der Welt entwickelte. Noch mehrmals sollte er nach Deutschland kommen: 1950 überbrachte er die Freiheitsglocke für das Schöneberger Rathaus. Nach dem Bau der Berliner Mauer 1961 wurde Clay in einer rein symbolischen Funktion Sonderbotschafter und persönlicher Vertreter Präsident Kennedys in Deutschland.
Bei Beendigung dieser Tätigkeit wurde ihm wegen seiner Leistungen in Deutschland und für Berlin am 5. Mai 1962 die Ehrenbürgerschaft der Stadt Berlin verliehen.
     Lucius Clay starb am 16. April 1978 in Chatham (Massachusetts).

Bildquelle:
Landesbildstelle Berlin

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© Edition Luisenstadt, Berlinische Monatsschrift Heft 6/1996
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