45 Porträt | Der Chirurg Dieffenbach |
Hanne-Lore Fritze
Begründer der plastischen Chirurgie Johann Friedrich Dieffenbach
Mutter und Schwester riefen ihn Fritzing. Er sprach ein unverwechselbares Mecklenburger Platt. Auch unter dem Einfluß des Berliner Tonfalls verlor der berühmte Chirurg die anheimelnde Sprechmelodie des Nordens nie, obgleich er bis zu seinem Tode fast 25 Jahre in Berlin lebte.
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Johann Friedrich Dieffenbach Während der letzten sieben Jahre seines Lebens stand er dem Königlichen Chirurgischen Klinikum als Direktor vor.
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46 Porträt | Der Chirurg Dieffenbach |
Zwar war es nicht Dieffenbachs Ziel, einen durch Alter eingebüßten Haarschopf zu erneuern, wohl aber Organfunktionen herzustellen, die durch Krankheit oder Unfall verlorengegangen oder auch von Geburt an nicht ausgebildet waren. Plastische Chirurgie heißt diese medizinische Fachrichtung, zu der heute auch die Schönheitschirurgie zählt. Dieffenbach begründete sie. Er operierte Gaumenspalten, Hasenscharten, Leistenbrüche. Er rückte schielende Augen in die rechte Ebene, stellte Schiefhälse gerade, ermöglichte Patienten mit Klumpfüßen ein beschwerdefreies Gehen.
Von überallher kamen Studenten und Ärzte nach Berlin zu Dieffenbach, um die neuen Operationstechniken zu erlernen. Seine Lehrbücher und Vorlesungen zeichneten sich durch meisterhaften Ausdruck und treffsichere Wortwahl aus. Trotzdem hatten die Hörer oft Mühe, seinen Vorträgen zu folgen, denn er sprach undeutlich, mit dünner, schwacher Stimme und brachte die einzelnen Wörter scheinbar widerstrebend hervor. Dieffenbach wohnte mit Frau, Sohn und zwei Töchtern in der Nähe des Zeughauses. Morgens bestieg der kleine Herr mit den flinken Bewegungen in grünem Frack mit goldfarbenen Knöpfen eine elegante Karosse - der einzige Luxus in seiner bescheidenen Lebensführung - und ließ sich zu seinen Patienten und danach in die Klinik fahren. Manchmal, wenn es ihn überkam, lenkte er eigenhändig die Rosse. |
Dieffenbach war Pferdeliebhaber und leidenschaftlicher Reiter. Das kam zuweilen auch in seinen Vorlesungen zum Durchbruch. »Eine Chirurgie auf Mechanik gestützt ist ein Reiter auf hölzernem Pferd, es bleibt auf der Stelle stehen ... Eine Chirurgie auf Physiologie gegründet durchfliegt dagegen die Wüste wie ein Arabisches Pferd.« Mit diesem Bild verdeutlicht er, daß Bau und Funktion von Organen eine Einheit bilden. Beides muß der Chirurg gleichzeitig beachten: ein Novum in einer Zeit, in der die Ärzte noch durch schnelles, sicheres Führen des Skalpells gegen die Dauer des Schmerzes ankämpften. Die erste Äthernarkose wurde 1846 in Boston in den USA angewendet.
Von Dieffenbachs bedeutendstem Werk »Die operative Chirurgie« erschien der erste Band 1845, der zweite nach seinem Tode. Er starb am 11. November 1847 in Berlin während einer Pause zwischen zwei Operationen in den Armen eines französischen Kollegen, dem er gerade einige fachliche Erläuterungen gegeben hatte. Nachbemerkung: Die großblättrige Zimmerpflanze Dieffenbachia verdankt ihren Namen nicht dem Chirurgen und Pferdeliebhaber, sondern einem Botaniker gleichen Namens. Bildquelle:
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© Edition Luisenstadt, Berlinische Monatsschrift Heft 6/1996
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