96   Dokumentiert April 1996  Nächstes Blatt
Es geschah gestern in Berlin:
April 1996

Was gestern noch Schlagzeilen machte, ist heute fast schon wieder in Vergessenheit geraten. Wir dokumentieren deshalb Berliner Ereignisse aus der jüngsten Vergangenheit.

1. 4.
     Zwanzig Schwarzarbeiter
werden erneut bei der Kontrolle von zwei Berliner Baustellen aufgegriffen und vorläufig festgenommen. Neun von ihnen werden der Ausländerbehörde sowie dem Landeskriminalamt zur sofortigen Abschiebung überstellt.
     Der Sänger René Kollo bekommt als künftiger Intendant des Metropol-Theaters von der Berliner Kulturverwaltung einen Vertragsentwurf zugestellt, in dem dem Operettentheater für das Jahr 1996 ein Zuschuß von 32 Millionen DM gewährt wird.

2. 4.
     Die 7,9 Tonnen schwere Statue des Pharao Amenehet II.
wird von der Ruine des Neuen Museums auf den Vorplatz des Pergamonmuseums umgesetzt. Die Statue war 1850 vom preußischen Staat für das neugegründete Ägyptische Museum gekauft worden.
     Das Krankenhaus Prenzlauer Berg erhält Zuwachs. Ab Mai soll ein Behelfsbau aus Containern mit zwei Operationssälen und einer neuen Zentralsterilisation genutzt werden.

3. 4.
     Die Umweltschutzorganisation Robin Hood
demonstriert auf dem Brandenburger Tor gegen Atommülltransporte. Fünf Mitglieder gelangen mit einer Hebebühne auf das historische Bauwerk und entrollen dort ein 20 Meter langes Transparent.
     Gegen »Wuchergebühren« der Deutschen Telekom demonstrieren etwa 150 Menschen vor dem Roten Rathaus. Aufgerufen zu der Aktion hatten mehrere Senioren- und Behindertenverbände.
     Zum ersten »Erfindergipfel« treffen sich in Berlin 80 Wissenschaftler und Unternehmer, um ein Netzwerk von Erfindern zu bilden und die Innovationskraft deutscher Unternehmen anzukurbeln.
     Die Niederlassung Berlin der Dresdner Bank wird bis Ende dieses Jahres rund 300 von knapp 3 700 Arbeitsplätzen abbauen. Im Westteil der Stadt soll die Zahl der Zweigstellen leicht reduziert werden.

4. 4.
     Auf dem Dach der Info-Box
, einem auf Stelzen stehenden Gebäude mit Ausstellungen zu den Bauprojekten am Potsdamer Platz, wird eine Aussichtsplattform eröffnet.
     Eine totale Mondfinsternis über Berlin ist ab Mitternacht zu beobachten. Leider lassen die Wolken nur wenige Lücken; dennoch verweilen zahlreiche Interessenten bis vier Uhr in der Wilhelm-Foerster-Sternwarte am Munsterdamm (Schöneberg).

5. 4.
     Die Bürgerinitiative »Hellersdorf hilft Tuzla«
schickt ihren fünften Hilfstransport in die nordbosnische Industriestadt. Geladen sind vorrangig Nähmaschinen und Stoffe für den Aufbau einer Nähstube.
     Demonstranten besetzen vorübergehend die Info-Box am Potsdamer Platz. Ihr Protest richtet sich gegen die »Unwirtlichkeit der Städte« und die Räumung besetzter Häuser in der Palisaden- und Kleinen Hamburger Straße.

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   97   Dokumentiert April 1996  Voriges BlattNächstes Blatt
6. 4.
     Alba Berlin steht im Playoff-Halbfinale
um die Deutsche Basketball-Meisterschaft. Das entscheidene siebente Spiel des Viertelfinales gewinnt die Mannschaft gegen MTV Gießen mit 97:88.
     Die Berliner S-Bahn zieht Bilanz ihres seit dem 9. März andauernden Frühjahrsputzes. Insbesondere der Gleiskörper wurde von Abfällen befreit. Sechs Kühlschränke, 14 Autoreifen und 4,5 t Betonschutt konnten u. a. beseitigt werden.

7. 4.
     Pünktlich zum Osterfest holt die BVG
wieder ihre drei »Zille-Busse« aus der Garage. Ein professioneller Stadtführer erklärt auf der nostalgischen Tour den Touristen Berlin in Deutsch und Englisch.
     Der Fahrradclub ADFC und die Grüne Liga veranstalten gemeinsam eine Rad-Demonstration für mehr Lebensqualität in der Stadt. Traditionell treffen sich die Radler an jedem ersten Sonntag des Monats vor dem Roten Rathaus.

8. 4.
     Anwohner der Wagenburg am Bethaniendamm
in Mitte fühlen sich von der lauten Musik der Rollheimer belästigt und holen die Polizei. Als die Beamten die Lautsprecher-Anlage beschlagnahmen wollen, kommt es bis 21 Uhr zu erheblichen Auseinandersetzungen.
     Berlin erlebt das wärmste Osterfest seit zwölf Jahren. In der Innenstadt steigen die Temperaturen auf 18 Grad. Tausende Berliner ziehen ins Grüne.
     Gegen einen Schlußstrich unter die Stasi-Akten spricht sich der Berliner Erzbischof Kardinal Georg Sterzinsky aus. Ziel ihrer Auswertung ist am Ende die Versöhnung. Versöhnung aber erwächst aus Vergebung. Diese können nur die Opfer gewähren.

9. 4.
     Mehr als 80 Arztberichte
finden zwei Berliner in einem Papiercontainer in der Friedrichshainer Marchlewskistraße. Sie stammen aus der Frauenklinik des Krankenhauses Neukölln.
     Der Sender »TV lokal«, Fernsehen für Lichtenberg, Marzahn, Hohenschönhausen und Hellersdorf, stellt sich im Tierpark vor.

10. 4.
     Ein Schmerzensgeld von 300 000 Mark
spricht das Berliner Kammergericht einem Berliner zu, der aufgrund unzureichender Information über die Infektionsgefahr bei Schutzimpfung gegen Kinderlähmung schwer erkrankte.
     Dem 1985 verstorbenen Verleger Axel Springer wird ein kurzes Stück Straße in Kreuzberg gewidmet. Direkt an seinem Verlagshaus wird die Lindenstraße umbenannt. Schwache Proteste begleiten die kurze Zeremonie.

11. 4.
     Gegen den Zusammenschluß mit Berlin
spricht sich drei Wochen vor der Volksabstimmung erstmals die Mehrheit der Brandenburger aus, berichtet die »Berliner Zeitung«. 29 Prozent wären laut »Infas«-Umfrage dafür, 44 dagegen.
     Das einstige sowjetische Oberkommando Wünsdorf soll künftig Wohnstandort für Bundesbedienstete werden, schlägt Bundesbauminister Klaus Töpfer bei einem Besuch des 590 Hektar großen Areals vor.

12. 4.
     Bei einer Trapeznummer während der Spätveranstaltung
des »Cirque Baroque«, der an der Friedrichstraße gastiert, verletzt sich der Artist Jean-Marie Rasé schwer. Er verliert das Gleichgewicht und stürzt fünf Meter in die Tiefe.

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   98   Dokumentiert April 1996  Voriges BlattNächstes Blatt
13. 4.
     Einen großen Erfolg hat »Die respektvolle Dirne«
von Jean-Paul Sartre im Schloßpark Theater. Es gibt Bravos für den Schauspieler Horst Buchholz und freundlichen Beifall für das Ensemble und Regisseur Heribert Sasse.
     330 Hausbesetzer fordern die Rückgabe geräumter Häuser. Sie ziehen vom Helmholtzplatz (Prenzlauer Berg) zur Pfarrstraße (Lichtenberg). Die Polizei nimmt 10 von ihnen kurzfristig fest.
     120 Naturliebhaber machen Frühjahrsputz rund um die Müggelberge. Die Mitglieder der Cöpenicker Wanderfreunde und des Wandersportverbandes Berlin sammeln auf einer Wegstrecke von 60 km 50 Säcke mit Müll und Abfällen.

14. 4.
     Die größte Gefährdung der inneren Sicherheit
Berlins gehe derzeit von der verbotenen Kurdischen Arbeiterpartei PKK aus, erklärt der Berliner Innensenator Jörg Schönbohm (CDU). In Berlin leben 35 000 Kurden.
     Vor einem Scheitern der Fusion warnen drei Wochen vor der Volksabstimmung Berlins Bürgermeister Eberhard Diepgen (CDU) und Brandenburgs Ministerpräsident Mandfred Stolpe (SPD).

15. 4.
     Der jüdische Holocaust-Gedenktag Jom HaSchoa
wird auf dem Bahnhof Grunewald begangen. Freiwillige verlesen 27 Stunden lang 55 696 Namen ermordeter Juden, die von dort deportiert wurden.

16. 4.
     Einen Streik für Mitte Mai
gegen die Hochschulsparbeschlüsse des Senats beschließen Studenten der Humboldt-Universität mehrheitlich auf einer Vollversammlung.
     Peter Ustinow, Schauspieler, Regisseur und Kosmopolit, feiert mit in- und ausländischen Gratulanten seinen 75. Geburtstag im Großen Schauspielhaus.
     Unter strengen Sicherheitsvorkehrungen beginnt vor dem Berliner Landgericht der Prozeß gegen sechs mutmaßliche Tunnelgangster, die im Juni 1995 eine Zehlendorfer Bank überfallen hatten.
     171 000 Mark übergibt der ADAC Berlin-Brandenburg im Schloß Bellevue an die Vorsitzende der Mukoviszidose-Hilfe, Christiane Herzog. Das Geld ist der Erlös des Großen ADAC-Balls im Januar.

17. 4.
     Der neue Präsident der Hochschule der Künste,
Prof. Lothar Romain, leitet seine erste Sitzung des Akademischen Senats. Der aus München kommende Kunstgeschichtler hatte am 1. April 1996 sein Amt angetreten.
     Bei der Asbestsanierung des Palastes der Republik sollen jetzt auch die Denkmalschützer ein Wörtchen mitreden. Das beschloß der Stadtplanungsausschuß des Abgeordnetenhauses nach einer Anhörung zur Zukunft des Hauses.

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   99   Dokumentiert April 1996  Voriges BlattNächstes Blatt
18. 4.
     Die Bewohner der Wagenburg an der East Side Gallery
ziehen auf ein Gelände an der Bernauer Straße/Ecke Gartenstraße (Wedding). Die Besiedlung dieses Grundstücks ist von der Stadtbaurätin Karin Baumert genehmigt worden. Es ist die 11. Wagenburg in Berlin.
     Eine Bürgerinitiative zur Bewahrung des Gründerzeitmuseums von Deutschlands einzigem Transvestiten mit Bundesverdienstkreuz, Lothar Berfelde (Charlotte von Mahlsdorf), wird in der Kaulsdorfer Gaststätte »Zum Oberfeld« gegründet.
     Der Tiergartentunnel kann weitergebaut werden. Der 11. Senat des Bundesverwaltungsgerichts weist die Klagen dreier Bürger und der Berliner Landesarbeitsgemeinschaft Naturschutz (BLN) ab.

19. 4.
     Sein 20jähriges Jubiläum
feiert das Kinderschutzzentrum Berlin e.V., das in der Strausberger Straße 5 (Hohenschönhausen) und in der Karl-Marx-Straße 262 (Neuköln) präsent ist. Der Verein hilft jährlich zirka 450 Problem-Familien.
     Die 1. »Fäkal-Demonstration« Berlins wird unter Federführung der Luther-Gemeinde-Kita (Pankow) durchgeführt. Mit der Losung »Hundekacke ist Scheiße« ziehen sie zum Rathaus und demonstrieren gegen diese Art von Verunreinigungen.
     Die denkmalgeschützte gußeiserne Bedürfnis-Anstalt (Café Achteck) am Chamissoplatz/Ecke Arndtstraße (Kreuzberg) wird abgebaut. Das im vergangenen Jahrhundert errichtete Bauwerk wird zur grundlegenden Erneuerung nach Lauchhammer transportiert.

20. 4.
     Nach umfangreichen Sanierungsarbeiten
(1,1 Millionen Mark) ist der Müggelturm (Köpenick) wieder für Besucher geöffnet.
     Das Brücke-Museum zeigt eine spektakuläre Auswahl der bisher im Depot lagernden Mueller-Sammlung: Gemälde, Pastelle, Aquarelle und Druckgraphiken. Der Maler Otto Mueller (1874-1930) galt als »Romantiker unter den Expressionisten«.

21. 4.
     Im letzten U-Bahn-Wagen der Linie 1
wird ein - allerdings mißglückter - Brandanschlag verübt. Die Feuerwehr sichert eine Camping-Gasflasche, die Zündvorrichtung und eine Kerze.

22. 4.
     Die Vollversammlung der Zahnklinik
der Freien Universität, an der zirka 500 Studenten und Mitarbeiter teilnehmen, verläuft trotz des Beschlusses des Abgeordnetenhauses vom 28. 3. 1996, die Zahnklinik zum Wintersemester zu schließen, ohne Tumult.

23. 4.
     Falschparker werden künftig stärker zur Kasse gebeten
, sollte ihr Wagen abgeschleppt werden. Der Berliner Senat beschließt Gebühren von 214 Mark, wenn z. B. ein PKW werktags in der Zeit von 7 bis 18 Uhr umgesetzt wird.

24. 4.
     Kritisiert wird in der Schöneberger Bezirksverordnetenversammlung
von B 90/Grüne und SPD die 24 000 DM teure Renovierung des Amtszimmers von Baustadtrat Gerhard Lawrentz (CDU).

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25. 4.
     Der Geschäftsführer der Messe Berlin GmbH
, Karl-Joachim Kierey, zieht eine durchweg positive Bilanz der 17 Veranstaltungsjahre des Internationalen Congress Centrums (ICC). Über sechs Millionen Besucher haben an insgesamt 7 689 Konferenzen teilgenommen.
     Der Präsident der Handwerkskammer Berlin gibt die Lage des Berliner Handwerks für 1995 bekannt. Insgesamt beschäftigten 26 284 Berliner Handwerksbetriebe Ende 1995 genau 259 555 Mitarbeiter, teilte Hans-Dieter Bläse mit.

26. 4.
     Sieben Schwarzarbeiter werden bei einer Razzia
auf der Bundestagsbaustelle Unter den Linden/ Ecke Neustädtische Kirchstraße (Mitte) ermittelt. 55 Polizeibeamte und 85 Mitarbeiter des Landesarbeitsamtes Berlin-Brandenburg nehmen an der Aktion teil.
     Für Arbeitssenatorin Christine Bergmann (SPD) ist die hohe Arbeitslosigkeit »zum gravierendsten Problem« der Stadt geworden. Berlin verzeichnete im vergangenen Jahr mit durchschnittlich 214 000 Arbeitslosen einen Negativ-Rekord.

27. 4.
     Mit einem Konzert aus Schiffssirenen
und Dampfpfeifen wird am Mittag die dritte Segelregatta für historische Lastensegler auf dem Müggelsee eröffnet.
     Die zweistufige Heißwasserrakete Aquarius X-Pro, an der Technischen Universität entwickelt, stürzt bei ihrem Jungfernflug über dem Truppenübungsplatz Klietz bei Stendal kurz nach dem Start aus einer Höhe von 800 Metern ab.

28. 4.
     Der Berliner CDU-Fraktionsvorsitzende Klaus Landowsky
spricht sich im Sender Hundert,6 für das Jahr 2002 als Termin für die Fusion zwischen Berlin und Brandenburg aus.

29. 4.
     Die erste City-Toilette Marzahns
wird mit Musik und Freibier übergeben. Das kleine Häuschen am Bahnhof Springpfuhl ist behindertengerecht gebaut und verfügt über eine vollautomatische Reinigung.

30. 4.
     Der Rat der Stiftung Naturschutz Berlin
konstituiert sich in Berlin. Zum Vorsitzenden wird der ehemalige Wirtschaftssenator Norbert Meisner (SPD) gewählt.
     »Mister Berlin« wird Kriminalkommissar-Anwärter Stefan Junge (20) aus Reinickendorf. Er wird von einer weiblichen Jury gewählt. Zweiter wird der amtierende »Mister Mitte«.
     Im Schauspielhaus am Gendarmenmarkt findet der erste Berlin-Ball statt. Es gibt jedoch nur 1 000 Interessenten für die Veranstaltung, 200 Karten können nicht verkauft werden.

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© Edition Luisenstadt, Berlinische Monatsschrift Heft 6/1996
www.berlinische-monatsschrift.de