9   Probleme/Projekte/Prozesse Lust und Liebe der Hohenzollern  Nächstes Blatt
Herbert Schwenk
»Lust und Liebe sind die Fittiche zu großen Taten«

Eine etwas delikate Seite des Mühens im Hause Hohenzollern

Die Taten der Hohenzollernherrscher in der Politik und auf den Schlachtfeldern, in der Wirtschaft und Wissenschaft, in der Kunst und Kultur sind viel beschrieben worden. Aber »Lust und Liebe«, nach Goethe »die Fittiche zu großen Taten« - wie verhielt es sich eigentlich damit im Hause Hohenzollern?
     Seit der Burggraf von Nürnberg Friedrich VI. (1372-1440) aus dem Hause Hohenzollern von Kaiser Sigismund (1368-1437) zu »einem rechten obersten und allgemeinen Verweser und Hauptmann« von Brandenburg eingesetzt (1411), ihm die Kurwürde von Brandenburg erblich verliehen (1415) und er auf dem Konzil zu Konstanz (1417) als Friedrich I. förmlich mit der Kurmark belehnt wurde, haben 20 brandenburgisch-preußische Hohenzollern auf dem Herrscherstuhl gesessen: 12 Kurfürsten und 9 Könige (wobei der letzte Kurfürst auch als erster König zu Buche steht und die drei letzten Könige zugleich deutsche Kaiser waren).

Die Sorge für genügend blaublütigen Nachwuchs stand stets obenan im Hause Hohenzollern. Kinderkriegen gehörte zur Staatsräson: Ein großer Kindersegen sicherte die Erbfolge und vergrößerte die Chancen, durch kluge Heiratspolitik Herrschaft und Macht auszudehnen. Und das ist die nüchterne Zahlenbilanz des Mühens im Hause Hohenzollern auf dem Felde der ehelichen (!) »Lust und Liebe«: In den 500 Jahren von 1417 bis 1918 haben 33 Ehefrauen (einschließlich derer der »Ehen zur linken Hand«) von den 20 Herrschern der brandenburgisch-preußischen Hohenzollernlinie 165 Kinder zur Welt gebracht, das sind - im statistischen Durchschnitt - imposante 8,25 Kinder pro Herrscher und 5,00 pro Herrscherin!

Zwei Herrscher blieben ohne Kinder

Allerdings verteilt sich dieser eheliche Kindersegen höchst ungerecht. Große Taten bei begrenzter Lust und Liebe - so jedenfalls scheint es, wenn man den Totalausfall gleich zweier Herrscher betrachtet: Die Ehen von König Friedrich II. (1712-1786) mit seiner Gemahlin Elisabeth Christine sowie von König Friedrich Wilhelm IV. (1795-1861) mit Gemahlin Elisabeth blieben kinderlos. Weit unter dem Durchschnitt rangiert auch das Bemühen des ersten deutschen Kaisers, Wilhelm I. (1797-1888), mit Kaiserin Augusta: Sie brachten es nur zu zwei Kindern.

BlattanfangNächstes Blatt

   10   Probleme/Projekte/Prozesse Lust und Liebe der Hohenzollern  Voriges BlattNächstes Blatt
Jeweils nur drei Kinder steuerten der zweite brandenburgische Kurfürst, Friedrich II. »Eisenzahn« (1413-1470), mit Gemahlin Katharina und der erste König in Preußen, Friedrich I. (1657-1713), bei - letzterer schaffte trotz dreier Ehefrauen (Elisabeth Henriette, Sophie Charlotte und Sophie Luise) sowie einer eigens in Karlsbad unternommenen »Wasserkur« zur Stärkung seiner Potenz nicht mehr. Verärgert hatte er nach der Kur seinem Leibarzt gestanden, daß sich »bezüglich des Beischlafs nichts Reelles ereignet«. Auch die Vier-Kinder-Ehen von Johann Cicero (1455-1499) mit Margarete sowie von Georg Wilhelm (1595-1640) mit Elisabeth Charlotte müssen noch als schwache Kür eingestuft werden, nicht anders die Fünf-Kinder-Ehe von Joachim I. »Nestor« (1484-1535) mit Elisabeth. Ja selbst die sieben Kinder (6 Söhne und eine Tochter), die den Bemühungen des letzten Kaisers Wilhelm II. (1859-1941) mit Auguste Victoria entsprossen (die zweite Ehe mit Hermine blieb kinderlos), lagen noch unter dem statistischen 500-Jahres-Kinder-Durchschnitt bei den brandenburgischen Hohenzollern.

23 Sprößlinge sind ein Rekord

Da mußten sich andere Herrscher schwer ins Zeug legen, um die Statistik hochzudrücken. »Wo Kinder sind, da ist ein goldnes Zeitalter«, mutmaßte Novalis (eigentlich Friedrich Freiherr von Hardenberg, 1772-1801).

Und etliche Kurfürsten und Könige schienen sich einen solchen oder ähnlichen Spruch in ihr Schlafgemach gehängt zu haben. Allen voran zwei: Johann Georg (1525-1598), der mit seinen 23 Sprößlingen den Rekord hält und ohne sein blaues Blut gewiß zum krassen Sozialfall abgestürzt wäre, dicht gefolgt von Albrecht Achilles (1414-1486), Bruder von Kurfürst Friedrich II. »Eisenzahn«, mit 21 Kindern. Während Johann Georg, dem die Hohenzollern-Geschichtsschreibung attestiert, »eine ernsthafte patriarchalische Natur, ein guter Hauswirt und Familienvater, dem die standesgemäße (!) Versorgung seiner Nachkommenschaft sehr am Herzen lag«, gewesen zu sein, für seine Leistung drei gebärfreudige Ehefrauen, Sophie, Sabina und Elisabeth, bemühen mußte, verteilte Albrecht Achilles seine Gunst nur auf zwei: Margarete und Anna. Mit beträchtlichem Abstand, aber sich auch überdurchschnittlich mühend, folgen: der »Soldatenkönig« Friedrich Wilhelm I. (1688-1740), der mit Gemahlin Sophie Dorothea 14 Kindern, allen voran dem »Großen« Friedrich, das Leben schenkte; der »Große« Kurfürst Friedrich Wilhelm (1620-1688), der seine beiden Ehefrauen, Luise Henriette und Dorothea, mit 13 Kindern beglückte, wobei letztere sieben Kinder in acht Jahren gebar und damit für reichlich Erbgerangel sorgte (worauf noch einzugehen ist); elf Kinder brachten die zwei Ehefrauen Kurfürst Joachim Friedrichs (1546-1608), Katharina und Eleonore, zur Welt;
BlattanfangNächstes Blatt

   11   Probleme/Projekte/Prozesse Lust und Liebe der Hohenzollern  Voriges BlattNächstes Blatt
jeweils zehn eheliche Kinder verdankten ihre Geburt der Energie Kurfürst Joachims II. »Hektor« (1505-1571) nebst Gattinnen Magdalena und Hedwig, sowie König Friedrich Wilhelm III. (1770-1840) und seiner ersten Ehefrau, der vielbesungenen Königin Luise, die schon 34jährig starb und einem späteren König und einem Kaiser (dem späteren kinderlosen König Friedrich Wilhelm IV. und schon eineinhalb Jahre danach dem späteren Kaiser Wilhelm I.) sowie einer Kaiserin (Charlotte, dann Alexandra Feodorowna, seit 1817 Gemahlin des späteren Zaren Nikolaus I. von Rußland [1796-1855]) das Leben schenkte; neun Kinder gebar Elisabeth dank ihres rührigen Gemahls, des ersten brandenburgischen Kurfürsten Friedrich I. (1372-1440); die beiden Ehefrauen des potenten Königs Friedrich Wilhelm II. (1744-1797), Elisabeth und Friederike Luise, brachten es zusammen auf eine achtköpfige Kinderschar (hinzu kommen noch zwei aus der »morganatischen Ehe« mit Gräfin Dönhoff); schließlich lagen auch Kurfürst Johann Sigismund (1572-1619) mit Gattin Anna sowie der 100-Tage-Kaiser Friedrich III. (1831-1888) mit Kaiserin Victoria jeweils genau im statistischen 500-Jahres-Durchschnitt von acht Kindern.
Kurfürst Johann Georg hält mit 23 Kindern von drei Ehefrauen den Rekord.
BlattanfangNächstes Blatt

   12   Probleme/Projekte/Prozesse Lust und Liebe der Hohenzollern  Voriges BlattNächstes Blatt
     Wenn der Verfasser summa summarum 165 Sprößlinge der brandenburgischen Hohenzollernlinie ausgemacht zu haben glaubt und dabei keinen übersehen hat, dann sind allerdings nicht jene Kinder erfaßt, die ihr Dasein der über die ehelichen Beziehungen hinausgehenden Lust und Liebe der Herrscher verdankten. Ihre Gesamtzahl verschweigt die Geschichte diskret. Einige amouröse Eskapaden erregten jedoch die Öffentlichkeit erheblich, allen voran die des Kurfürsten Joachim I. »Nestor« und des Königs Friedrich Wilhelm II. Joachim »Nestor«, der 15jährig Kurfürst wurde, führte 18jährig die kaum 17jährige dänische Königstochter Elisabeth (1485-1555) heim. Beide lagen später in schwerem Streit, weil Elisabeth 1527 zum protestantischen Glauben übergetreten war, Joachim »Nestor« aber ein erbitterter Gegner der Reformation war.
     Aus Furcht vor der Todesstrafe floh Elisabeth an den Hof des Herzogs von Sachsen. Das Ehedrama wurde verschärft durch Joachims öffentlich bekannte Liebschaft mit Katharina Hornung, einer Verwandten des Berliner Bürgermeisters Thomas Blankenfelde. Sogar Martin Luther wurde zur Schlichtung des verfahrenen Ehedramas bemüht und entschloß sich daraufhin zu seinem gewagten tiefsinnigen und salomonischen Rat: »Zuviel zerreißt den Sack ...« (vgl. BM, 6/1995, S. 77).
     Übrigens fällt auch in diesem Falle der Apfel nicht weit vom Stamm: »Nestors« Sohn, Joachim II. »Hektor«, verfeinerte das Repertoire kurfürstlicher Lustbarkeiten noch erheblich, nicht nur durch seinen legendären
»Knüppelkrieg« zwischen Berlin und Spandau (1567), sondern auch seine höchst ergötzlichen Schlittenfahrten, die in einer »Entführung viel Spandauer Bürger- und Jungfrauen« kulminierten (Vgl. BM, 11/1995, S. 85) und manche Folgen mit »Hand und Fuß« hatten - jedenfalls verbucht die Hohenzollern-Werk-Chronik für Kurfürst Hektor »im ganzen 13 Kinder«, was zu den oben aufgeführten zehn ehelichen Kindern die kleine Differenz von drei bedeutet und durch den folgenden Satz weiter erhellt wird: »Joachim erregte manchen Anstoß durch seine beständige (!) Verbindung mit der schönen Witwe eines Geschützgießers, Anna Sydow, die ihn auch oft in Männerkleidern auf die Jagd begleitete. Von seinen Landständen mußte er sich den Vorwurf machen lassen, daß er stets >im Holze liege< ...«
     Was hätte der große Reformator Luther wohl erst 250 Jahre später angesichts des liebestollen Königs Friedrich Wilhelm II. für einen Rat erteilen müssen! »Lust und Liebe sind die Fittiche zu großen Taten« - während dies bei dem großen Schöpfer der »Iphigenie« und auch einem Mann wie dem Großen Kurfürsten unbedingt zutraf, schien Friedrich Wilhelm II., der im Jahr der Geburt der »Iphigenie« (1786) gerade König geworden war, eher bemüht gewesen zu sein, durch sein Leben Goethes anspornendes Motto widerlegen zu wollen. Nach der kinderlosen Regentschaft Friedrichs des Großen als dessen Neffe in die Pflicht der preußischen Erbfolge genommen, frönte er zwar ausgiebig der Lust und Liebe - allein andere große Taten blieben aus.
BlattanfangNächstes Blatt

   13   Probleme/Projekte/Prozesse Lust und Liebe der Hohenzollern  Voriges BlattNächstes Blatt
Der Regierungsgeschäfte weitgehend unkundig, mied er tunlichst alle Anstrengungen, mit Ausnahme derer, die seinen erotischen Neigungen entsprangen. Von seiner ersten Gemahlin, Elisabeth von Braunschweig, die ihm noch 1767 das Töchterchen Friederike in die Wiege gelegt hatte, hatte er sich noch als Kronprinz bereits 1769 wieder getrennt, um sich im gleichen Jahr von Friederike Luise von Hessen-Darmstadt kräftig in die ehelichen Pfichten nehmen zu lassen, was prompt mit sieben Kindern belohnt wurde. Zudem ging der sinnenfreudige und sogar Übersinnlichem verfallene Friedrich Wilhelm noch zwei »Ehen zur linken Hand« (sog. morganatische, d. h. »Ehen auf bloße Morgengabe«, gewissermaßen Kürehen nach erfüllter Pflichtehe) ein: mit Fräulein von Voß, die sich zur Gräfin Ingenheim hochdiente, und 1790 mit der Gräfin Dönhoff, die sich für die »Morgengabe« mit zwei Sprößlingen bedankte. (Graf und Gräfin Brandenburg; Graf von Brandenburg [1792-1850] wurde preußischer General der Kavallerie und Staatsmann und ging ganz nach dem Papa: Er wurde Vater von acht Kindern ...) Sein nimmermüdes Liebesleben aber krönte Friedrich Wilhelm II. mit seinem zeitlebens intensiv gepflegten Verhältnis mit Wilhelmine Enke, der späteren Gräfin Lichtenau, die sich für die ihr erwiesene Gunst ebenfalls mit zwei Königs-Kindern bedankte: Graf und Gräfin von der Mark. (Während der kleine Graf schon 1787 im 8. Lebensjahr verstarb, ging die 1780 geborene Gräfin von der Mark später mit dem Erbprinzen von Stolberg-Stolberg die Ehe ein.)
     Wilhelmine Enke (1752?-1820) war die Tochter eines Potsdamer Musikers der königlichen Kapelle. Der junge Kronprinz soll Wilhelmine Enke schon als 13jährige »kennengelernt« haben, wie gründlich, ist nicht bekannt. Die Geschichtsschreibung der Hohenzollern setzt dieses Datum jedoch etwas später an, wahrscheinlich, um dem Vorwurf der Verführung Minderjähriger zu begegnen, muß jedoch einräumen, daß die angeblich 16jährige »das Herz und Gemüt und auch die Zeit des Thronfolgers stärker in Anspruch nahm, als für seinen künftigen Herrscherberuf gut war«. Und der Kronprinz habe sie, so heißt es weiter vielsagend in den Annalen, »ausbilden lassen«, wobei er sie »zum Teil selbst unterrichtete«, jedoch aus Diskretion die Disziplinen nicht näher beschrieben werden. So entwickelte sich Wilhelminchen dank ihrer »nicht geringen Geistesgaben zu einer vollkommenen Weltdame«, was wieder einmal den weisen Goethe bestätigt: »Man muß jung sein, um große Dinge zu tun« (Goethe zu Eckermann, 11. März 1828). Sein »intimes Verhältnis zu ihr« kaschierte Friedrich Wilhelm allerdings reichlich plump, indem er sie, zur Legalisierung seines Dauer-»Unterrichts«, mit seinem Kämmerer Rietz »verheiratete«.
BlattanfangNächstes Blatt

   14   Probleme/Projekte/Prozesse Lust und Liebe der Hohenzollern  Voriges BlattNächstes Blatt
1795, zwei Jahre vor seinem Tode, bedankte sich der König auf seine Art, indem er seine Geliebte doch noch als »Gräfin Lichtenau« hoffähig machte und sie mit Gütern, die ihren Namen trugen, sowie mit 500 000 Talern beschenkte. Aber alles Glück geht einmal zu Ende: Nach dem Tode König Friedrich Wilhelms II. ließ sein Sohn, König Friedrich Wilhelm III., 1797 die Gräfin Lichtenau verhaften und einen Prozeß gegen sie einleiten. Nach dreijähriger Haft mußte sie auf ihr gesamtes Vermögen verzichten, erhielt allerdings eine Pension von 4 000 Talern. Sie starb am 9. Juni 1820 in Berlin. »Die Liebe ist zuweilen teurer als ein Regiment«, spottete dereinst Voltaire (1694-1778) ahnungsvoll.
     Die 165 legitimen Sprößlinge waren eine solide Grundlage zur Erhaltung und Ausdehnung von Macht und Pracht der Hohenzollern. Der Großteil dieser Kinder heiratete - wohl nach dem antiken griechischen Problemspruch: »Heiraten ist ein Übel, aber ein notwendiges Übel« - in andere Dynastien, nicht selten mit europapolitischen Ambitionen. Viele der 33 Ehefrauen der 20 brandenburgischen Hohenzollern waren ja selbst europäische »Importe«: beispielsweise Elisabeth, Gemahlin Joachims I., aus Dänemark (Tochter König Johanns); Hedwig, zweite Gemahlin Joachims II., aus Polen (Tochter König Sigismunds I.); Luise Henriette, erste Gemahlin des Großen Kurfürsten, aus den Niederlanden (Tochter Heinrichs von Oranien);
Sophie Dorothea, Gemahlin des »Soldatenkönigs« Friedrich Wilhelm I., aus England (Schwester Georgs II.); Victoria, Gemahlin Kaiser Friedrichs III., aus England (Tochter von Königin Victoria). Bevorzugte Adressen für die Anbahnung von Ehebeziehungen waren aber auch Sachsen, Mecklenburg, Anhalt, Ansbach, Braunschweig, Hessen-Darmstadt, Schleswig-Holstein usw.

165 Erben und viel Streit

Jedoch Erbfragen sind schwierige Fragen. Das erfuhren manche der 165 Erben brandenburgischen Geblüts. Hart mußten sie sich mitunter durchbeißen, um ans Ziel zu gelangen. Gleich der zweite brandenburgische Kurfürst, Friedrich II. »Eisenzahn«, konnte davon ein Lied singen. Schon im zarten Spielalter von acht Jahren wurde er mit der Erbprinzessin von Polen verlobt und seit 1422 als Thronfolger am polnischen Hof jahrelang auf diese staatspolitische Aufgabe getrimmt, bis der plötzliche Tod seiner Braut Hedwig in den Armen des Geliebten (1431) alles jäh zerbrach - die Erbpläne ebenso wie »Eisenzahns« Herz. Voller Gram kehrte der 18jährige in seine Heimat zurück, wo der »Mann von weichem Herzen« auf seine Weise seinem Herz und Schmerz Luft machte: In Berlin liquidierte er die städtische Selbständigkeit, unterdrückte den »Berliner Unwillen« und baute die erste Schloßburg in Cölln an der Spree.

BlattanfangNächstes Blatt

   15   Probleme/Projekte/Prozesse Lust und Liebe der Hohenzollern  Voriges BlattNächstes Blatt
Den frühen Tod seiner Hedwig versuchte er in Vergnügungen mit »ettlichen frauen von Frankfurt und anderen« zu verdrängen. Diese Energieverschwendung sollte sich höchst negativ auf die Erbfrage auswirken: Nach dem Tode seines Sohnes (1468), des Thronerben Johannes, stand plötzlich kein männlicher Erbe mehr zur Verfügung. Entnervt trat er die kurfürstliche Herrschaft seinem Bruder Albrecht Achilles ab (1470), der, wahrscheinlich das Erbdesaster seines Bruders ständig vor Augen, die Erbfolge energisch mit 21 Kindern absicherte. Auch dies war ein würdiger Beitrag zum »sinnenfrohen« 15. Jahrhundert!
     Lag »Eisenzahns« Ehe- und Erbproblem in einem Mangel an männlichen Erben, so bestanden die Sorgen bei anderen Herrschaften in einem Zuviel daran. Besonders zeigt sich das im Erbgerangel nach dem Tode des Großen Kurfürsten im Zusammenhang mit seiner Erb-Hinterlassenschaft bei seinen beiden Gattinnen, Luise Henriette von Nassau-Oranien (1627-1667) und Dorothea von Holstein-Glücksburg (1636-1689). Luise Henriette brachte sechs Kinder zur Welt, darunter die früh verstorbenen Thronfolger Wilhelm Heinrich (1648-1649) und Karl Emil (1655-1674), so daß Friedrich zum Kronprinzen avancierte. Als aber die zweite Gattin, Dorothea, die Erbengemeinschaft gleich um sieben weitere kurfürstliche Erbberechtigte bereicherte, nahmen die Spannungen zu. »Mißverständnisse« mit der Stiefmutter und ein umstrittenes Testament des kurfürstlichen Vaters trieben den Thronerben Friedrich in Rage und ein Jahr vor dem Tode des Großen Kurfürsten sogar in die Flucht.
Als der Vater 1688 gestorben war, erklärte der neue Kurfürst Friedrich III. das Testament, das die Kinder von Dorothea territorial begünstigte (darunter ihren ältesten Sohn vom Großen Kurfürsten, den 1669 geborenen Markgrafen Philipp Wilhelm von Schwedt, den Begründer der Schwedter Nebenlinie des kurfürstlich-brandenburgischen Hauses), für ungültig. 1692 kam es zum Vergleich, ein knappes Jahrzehnt später wurde Friedrich erster König in Preußen, und alles schien wieder im Lot - trotz alledem.
     Und die Moral von der Geschichte? Lust und Liebe sind vielleicht doch nicht immer die Fittiche zu großen Taten - auch nicht im Hause Hohenzollern.

Literatur:
-Otto Hintze: Die Hohenzollern und ihr Werk. Fünfhundert Jahre vaterländische Geschichte, Berlin 1915;
-S. Fischer-Fabian: Preussens Gloria. Der Aufstieg eines Staates, München 1979;
-Peter Mast: Die Hohenzollern. Von Friedrich III. bis Wilhelm II., Wien 1994

Bildquelle:
Patriotisches Gedenkbuch »Das Haus Hohenzollern«, 1912,Verlag C. A. Schwetscheke & Sohn

BlattanfangNächstes Blatt

   16   Probleme/Projekte/Prozesse Lust und Liebe der Hohenzollern  Voriges BlattArtikelanfang
Übersicht:
Kurfürst/König/KaiserLebenszeitEhefrau(en)Kinder

Friedrich I.1372-1440Elisabeth9
Friedrich II.1413-1470Katharina3
Albrecht Achilles1414-1486Margarete; Anna21
Johann Cicero1455-1499Margarete4
Joachim I. »Nestor«1484-1535Elisabeth5
Joachim II. »Hektor«1505-1571Magdalena; Hedwig10
Johann Georg1525-1598Sophie; Sabina; Elisabeth23
Joachim Friedrich1546-1608Katharina; Eleonore11
Johann Sigismund1572-1619Anna8
Georg Wilhelm1595-1640Elisabeth Charlotte4
Friedrich Wilhelm1620-1688Luise Henriette;
Dorothea
6
7
Friedrich III./I.1657-1713Elisabeth Henriette;
Sophie Charlotte;
Sophie Luise
1
2
0
Friedrich Wilhelm I.1688-1740Sophie Dorothea14
Friedrich II.1712-1786Elisabeth Christine0
Friedrich Wilhelm II.1744-1797Elisabeth;
Friederike Luise;
(Fräulein von Voß);
(Gräfin Dönhoff)
1
7
0
2
Friedrich Wilhelm III.1770-1840Luise;
(Gräfin Auguste von Harrach)
10
0
Friedrich Wilhelm IV.1795-1861Elisabeth0
Wilhelm I.1797-1888Augusta2
Friedrich III.1831-1888Victoria8
Wilhelm II.1859-1941Auguste Victoria;
Hermine
7
0

20
Herrscher
33
Ehefrauen
165
Kinder
BlattanfangArtikelanfang

© Edition Luisenstadt, Berlinische Monatsschrift Heft 5/1996
www.berlinische-monatsschrift.de