103   Dokumentiert März 1996  Nächstes Blatt
Es geschah gestern in Berlin:
März 1996

Was gestern noch Schlagzeilen machte, ist heute fast schon wieder in Vergessenheit geraten. Wir dokumentieren Berliner Ereignisse aus der jüngsten Vergangenheit.

1. 3.
     Berlins erste Abteilung für Schlaganfallpatienten »Stroke unit« wird im Wenckebach-Krankenhaus eröffnet. Betroffene können rasch diagnostiziert und behandelt werden.
     Der erste ambulante Hospizpflegedienst, eine auf die Bedürfnisse schwerstkranker und sterbender Menschen zugeschnittene Hauskrankenpflege, nimmt in Schöneberg seine Arbeit auf.
     Der historische Kaisersaal des alten Hotels Esplanade wird um zweieinhalb Meter angehoben. Damit beginnt die mehr als fünf Millionen DM teure Verschiebung des Hotels im Rahmen des Sony-Projekts am Potsdamer Platz.

2. 3.
     Das Modehaus Galeries Lafayette in der Friedrichstraße erlebt den Ansturm von über 150 000 Berlinern. Bis zum Abend mußte das kurz zuvor eröffnete Haus immer wieder vorübergehend geschlossen werden.
     Dreißigjähriges Firmenjubiläum feiert Starfriseur Peter Reschenberg (53). Der Figaro hatte über 200 Gäste bei der 1. Rahnsdorfer Mode-Gala.

3. 3.
     Wegen zwei gefälschter Listen erklärt der Präsident der Freien Universität Berlin die Wahlen zum Studentenparlament vom Januar für ungültig.
     Die Witwe Wolfgang Harichs weist die Gründung einer Wolfgang-Harich-Gesellschaft zurück.
     Marianne Harich erklärt, daß sie zu den Unterzeichnern des Gründungsaufrufs kein Vertrauen habe.

4. 3.
     Zwei Brandsätze im Gleisbett hat ein Streckenläufer der Deutschen Bahn AG entdeckt. Der S-Bahn-Verkehr zwischen Griebnitzsee und Wannsee ist für drei Stunden unterbrochen.
     Neuer Leiter des Pastoralkollegs der Berlin-Brandenburgischen evangelischen Kirche wird Pfarrer Berend Wellmann. Der Theologe war zuvor sechs Jahre Pfarrer in einer deutschsprachigen Gemeinde im italienischen Genua.

5. 3.
     Innerhalb von 90 Minuten brechen im Bezirk Prenzlauer Berg vier Feuer aus. Die Kripo geht davon aus, daß alle die Brände auf das Konto eines Täters gehen.
     Zweimal lebenslange Haft und Sicherheitsverwahrung erhält der Serienmörder Thomas Rung vom Berliner Landgericht. Es befand ihn für schuldig, zwischen 1983 und 1995 sieben Menschen umgebracht zu haben.

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   104   Dokumentiert März 1996  Voriges BlattNächstes Blatt
6. 3.
     Die Aktionäre der AEG stimmen der Auflösung des 113 Jahre alten Berliner Unternehmens zu. Die Kernbereiche Energietechnik sowie Anlagen- und Automatisierungstechnik werden ausgegründet, andere Geschäftsfelder im Daimler-Konzern fortgeführt.
     Zum letzten öffentlichen Gespräch von Charlotte von Mahlsdorf kommen fast 200 Berliner. Sie kündigt an, daß sie im April nach Schweden emigrieren will.
     Der Haushalts- und Finanzausschuß im Landtag hat eine Landesbürgschaft für den angeschlagenen Landesverband der Arbeiterwohlfahrt (AWO) beschlossen. Das Votum erfolgte gegen die Stimmen von CDU und PDS, teilte Ausschußvorsitzender Hackel (CDU) mit.

7. 3.
     Kräftig zugelegt hat die Berliner Elektro Holding AG 1995, teilt das Unternehmen mit. Für 1996 werde ein Zuwachs von knapp 10 Prozent erwartet.

8. 3.
     Nashorn-Baby Ndugu, der jüngste Sproß der Spitzmaulnashörner, präsentiert sich im Zoo der Öffentlichkeit.
     In einem Gutachten, das vom Deutschlandradio Berlin in Auftrag gegeben wurde, wird festgestellt, daß der gesetzliche Auftrag nur erfüllt werden kann, wenn der Sender von den 16 Bundesländern ausreichend mit Frequenzen und Geld ausgestattet wird.
     Zu Stadtältesten ernannt werden Hanna-Renate Laurin (CDU) und Tino Schwierzina (SPD) im Roten Rathaus. Damit gehören sie zu den 2 114 Bürgern der Stadt, an die die Auszeichnung seit 1853 verliehen wurde.

9. 3.
     Klaus Schütz, ehemaliger Regierender Bürgermeister, ist neuer Präsident des Berliner Deutschen Roten Kreuzes (DRK). Die Landesversammlung wählte den 69jährigen SPD-Politiker in das Amt.
     Die Internationale Tourismus-Börse (ITB) lockt mehr als 70 000 Menschen am Wochenende unter den Funkturm. Mit 6 125 Unternehmen aus 176 Ländern bricht die Messe, die in diesem Jahr ihr 30jähriges Bestehen feiert, alle bisherigen Rekorde.


     Das Finale des 36. Tischtennis-Tuniers der Tausende um die Pokale der »Berliner Zeitung« bringt im Sport- und Erholungszentrum (SEZ) an der Landsberger Allee 384 Akteure ins Schwitzen und den Organisatoren einen fast 20stündigen Tischtennis-Marathon.

10. 3.
     Die Akademie der Künste protestiert gegen die geplante Auflösung des Fachbereichs Architektur an der Hochschule der Künste.

11. 3.
     Erstmals verhaftet die Polizei einen Graffiti-Sprayer. Der Neunzehnjährige wird beschuldigt, in 17 Fällen Hauswände, Kaufhaustoiletten, Geschäfte und S-Bahn-Waggons besprayt zu haben.
     Die Kriminalität in Berlin hat nach einem Rückgang 1994 im vergangenen Jahr wieder zugenommen. 1995 stieg die Zahl der Straftaten auf 580 829, teilte Innensenator Jörg Schönbohm (CDU) mit. Besorgniserregend sei vor allem die Anzahl der Raubüberfälle.
     Bis 1999 will sich Berlin von großen Teilen seines Vermögens trennen. Neben dem schon beschlossenen Verkauf von Bewag-Anteilen sollen auch Anteile der Bankgesellschaft und der Gasag sowie Gebäude auf dem Markt angeboten werden.

12. 3.
     Stärker zur Kasse gebeten werden von 1997 an Sozialmieter mit höherem Einkommen. Die Fehlbelegungsabgabe soll neu gestaffelt, der Höchstsatz auf 7,25 Mark pro Quadratmeter angehoben werden.
     Die Sieger im diesjährigen Schinkel-Wettbewerb werden vom Architekten- und Ingenieur-Verein zu Berlin vorgestellt. Thema der Ausschreibung war die Gestaltung der Wissenschafts- und Wohnstadt Adlershof der größten Entwicklungsmaßnahme des Landes Berlin.
     Im Studiotheater »bat« beginnen prominente Berliner Schauspieler zusammen mit Studenten der Hochschule für Schauspielkunst »Ernst Busch« tägliche Vorstellungen. Sie wollen sich damit für den Fortbestand der Ausbildungseinrichtung einsetzen.

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   105   Dokumentiert März 1996  Voriges BlattNächstes Blatt
13. 3.
     Verfolgung von Ladendiebstählen ist das Thema einer Arbeitsgruppe. Sie soll unter Federführung von Justizsenatorin Lore Peschel-Gutzeit nach Lösungen suchen, um schneller reagieren zu können.

14. 3.
     1 000 zukünftige Landwirte demonstrieren gegen Pläne des Senats, die Landwirtschaftlich-Gärtnerische Fakultät der Humboldt-Universität im Zuge von Sparmaßnahmen zu schließen.
     »... reißt auch der letzte Faden« ist der Titel einer im Martin-Gropius-Bau (Kreuzberg) stattfindenden Ausstellung über die Geschichte jüdischer Schulen in Berlin.
     Mit einem symbolischen Spatenstich durch Bundespräsident Roman Herzog beginnt der Bau des neuen Bundespräsidialamtes im Berliner Tiergarten. Der »scharfe« Baustart erfolgt erst bei Tauwetter, da der Boden noch hart gefroren ist.
     Einbrecher dringen nachts durch ein Fenster in die Bischofskirche in Mitte ein, brechen eine Tür und alle Opferstöcke auf - sie waren leer.

15. 3.
     Zwangsräumung in der Kolonie »Neue Heimat« an der Gorkistraße (Reinickendorf). Insgesamt sind 40 Zwangsmaßnahmen vorgesehen. Die Wohnungsgesellschaft DEGEWO will auf diesem Gelände 250 Wohnungen bauen.
     Der Transport des Kaisersaales auf einem Luftkissen scheitert, die Technik versagt. Journalisten und Schaulustige warten vergebens. Kurz vor 16 Uhr wird die Aktion abgebrochen.


     Ihr zehnjähriges Bestehen feiert die Vereinigung Berliner Familienforscher im Ribbeck-Haus. Wolfgang Ribbe spricht über die Ahnenforschung während des Dritten Reiches.

16. 3.
     Das ehemalige Stasi-Zentralarchiv in Berlin-Lichtenberg erlebt am Tag der »Offenen Tür« einen Besucheransturm (20 000 Menschen). Aufgrund des großen Interesses sollen im April weitere Tage der »Offenen Tür« folgen.

17. 3.
     Bei einem Feuer in einem Wohnhaus in der Rupprechtstraße 36 in Lichtenberg wird ein Polizist schwer verletzt. Zuvor hatte er drei Mieter rechtzeitig alarmiert, so daß sie sich vor dem Feuer retten konnten.

18. 3.
     Bausenator Klemann zieht den von seinem Vorgänger erteilten Bauvorbescheid für den Neubau der Akademie der Künste am Pariser Platz zurück. Die vom Architekten Behnisch entworfene Glasfassade verstoße gegen Gestaltungsregeln des Abgeordnetenhauses.
     Ein Klein-Las Vegas will der Münchner Investor Peter Kottmair am Leipziger Platz bauen. Geplant sind u. a. Studios, Diskotheken, Kongreßsäle, Geschäfte, eine Unterhaltungs- und Erlebniswelt in Passagen und einem Kuppelbau.
     Zu viel Lärm auf der debis-Baustelle am Potsdamer Platz. Das Verwaltungsgericht zieht deshalb die von Umweltsenator Peter Strieder (SPD) am 7. März erteilte Ausnahmegenehmigung zurück.
     Pierre Boulez, französischer Komponist, erhält den von der Akademie der Künste gestifteten »Kunstpreis Berlin« 1996.

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   106   Dokumentiert März 1996  Voriges BlattNächstes Blatt
19. 3.
     Das ehemalige Kontorhaus »Zollernhof« Unter den Linden wird Hauptstadtstudio des ZDF und Berliner Repräsentanz des Veba-Konzerns. Es wird zu diesem Zweck umgebaut.

20. 3.
     Einen Nachtragshaushalt von 135 Millionen Mark beschließt der Senat in Ergänzung zum Entwurf. 70 Millionen werden u. a. für den Kulturbereich aufgenommen.
     Das Sport- und Erholungszentrum (SEZ) in Friedrichshain feiert sein 15jähriges Bestehen. Bis heute kamen 33 Millionen Besucher ins SEZ.

21. 3.
     Der Bewilligungsausschuß des Landes Berlin beschließt die Eckwerte für die Berliner Wohneigentumsförderung. Die Darlehenshöhe je Haustyp beträgt 4 000, 4 250 oder 4 500 Mark pro Quadratmeter förderungsfähiger Wohnfläche.
     Die Berliner Preußen verlieren auch ihr drittes der maximal fünf Halbfinal-Playoffs um die Deutsche Eishockey-Meisterschaft nach schwacher Leistung gegen die Düsseldorfer EG mit 0:6 (0:1, 0:2, 0:3) und sind damit ausgeschieden.
     Der Kaisersaal trifft am Ziel ein, seine 75 Meter lange Reise ist beendet. Bei Flutlicht wird er auf der Sony-Baustelle auf die Fundamentpfähle gehoben und dort verankert.

22. 3.
     Götz Friedrich, Generalintendant der Deutschen Oper Berlin, erhält aus den Händen des Regierenden Bürgermeisters von Berlin im Roten Rathaus die »Ernst-Reuter-Plakette«.
     Heirat der PDS-Bundestagsabgeordneten Gregor Gysi (48) und Andrea Lederer (38) im Standesamt Prenzlauer Berg. Die anschließende Feier findet in der »Letzten Instanz« (Mitte) statt.

23. 3.
     600 Katzen aus dem In- und Ausland werden in der Kongreßhalle am Alexanderplatz (Mitte) ausgestellt. Veranstalter ist der Rassekatzen-Verein.
     Zum Auftakt der diesjährigen Jugendweihefeiern des Humanistischen Verbandes gibt es im Schauspielhaus am Gendarmenmarkt ein unterhaltsames Festprogramm.

24. 3.
     Als Kripobeamte geben sich zwei Männer aus, die am Abend einen Autofahrer (19) in der Mommsenstraße (Charlottenburg) »überprüfen« wollen, sich von ihm in Richtung Adenauerplatz fahren lassen, Geld aus dem Rucksack rauben und flüchten.

25. 3.
     Im Schloß Bellevue trifft sich Bundespräsident Roman Herzog mit Vertretern des Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Clubs (ADFC).
     Vom bedenklichen Zustand der ältesten Moschee Deutschlands in Wilmersdorf überzeugen sich Diplomaten aus 14 arabischen Staaten sowie Vertreter der Arabischen Liga und der Palästinensischen Generaldirektion.
     Gegen Sparmaßnahmen im Schulbereich demonstrieren 3 000 Schüler, Eltern und Lehrer in Kreuzberg. Bei anschließenden Krawallen werden mehrere Personen festgenommen.

26. 3.
     Auflagen für die Hochschulen beschließt der Hauptausschuß des Berliner Abgeordnetenhauses. Dem Streichzwang fallen die Numerusclausus-Fächer Pharmazie an der Humboldt-Universität und Zahnmedizin an der Freien Universität zum Opfer.
     Nach Waffen durchsucht werden Schüler der Charlottenburger Schlesien-Oberschule in einer bislang einmaligen Aktion der Polizei. Gefunden werden acht Messer und Schraubenzieher.

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   107   Dokumentiert März 1996  Voriges BlattArtikelanfang

     Gegen das Sparprogramm des Senats protestieren mittelständische Bauunternehmen. Etwa 500 Baulastwagen fahren vom Olympiastadion durch das Brandenburger Tor bis zum Roten Rathaus.

27. 3.
     35 000 Menschen demonstrieren gegen die Sparpolitik des Senats. Am Vormittag gehen 10 000 Schüler gegen Kürzungen im Schulbereich auf die Straße. Am Nachmittag sind es 25 000, die gegen Sozialkürzungen zum Roten Rathaus ziehen.
     Der »Berliner Mietspiegel 1996« wird von Bausenator Jürgen Klemann (CDU) und den Mieter- und Vermieterverbänden unterzeichnet.
     »Milde Gaben für den notleidenden Senat« sammeln ein Dutzend Obdachlose vor dem U-Bahnhof Wittenbergplatz. Am Nachmittag übergeben sie die gesammelten 267,46 Mark im Amt der Sozialsenatorin.

28. 3.
     Das Berliner Kammergericht lehnt es ab, den iranischen Geheimdienstminister Ali Fallahian und einen Konsul der iranischen Botschaft als Zeugen im Mykonos-Prozeß zu laden. Das Gericht sehe keine Möglichkeit, die Zeugen nach Deutschland zu holen.
     Für die öffentlich Bediensteten in Berlin und Brandenburg unterzeichnen im Jagdschloß Glienicke die Regierungen beider Länder ein Abkommen. Es sieht vor, in Berlin und Brandenburg weitgehenden Kündigungsschutz und gleiche Bezahlung zu sichern.
     Regisseur Boleslaw Barlog, 27 Jahre lang Generalintendant der Staatlichen Schauspielbühnen Berlin, feiert seinen 90. Geburtstag.

29. 3.
     Zu einer Auseinandersetzung zwischen Polizei und Hausbesetzern kommt es im besetzten Haus Linienstraße 158/159. Dabei werden drei Personen vorläufig festgenommen.
     Mit 106 Jahren stirbt Frieda Buckow, eine der ältesten Berlinerinnen, im Charlottenburger Max-Bürger-Krankenhaus. Bei ihrem letzten Geburtstag am 22. Dezember nannte die gebürtige Schlesierin als ihr Lebensmotto »Gut leben und bescheiden sein«.
     Den Bekennerbrief der Gruppe »Klasse gegen Klasse« sucht die Polizei vergeblich in den Redaktionsräumen der »taz«. In einem Schreiben bekennt sich die Gruppe zu Anschlägen auf Häuser und ein Auto.

30. 3.
     Bei Messerstechereien in Friedrichshain werden in den frühen Morgenstunden zwei Männer getötet.
     Zwanzig Unbekannte demolieren neun Scheiben von fünf Geschäften am Rosa-Luxemburg-Platz (Mitte). Die Täter entkommen unerkannt.
     Hubert Schwarz, bayerischer Extremsportler, startet vor dem Brandenburger Tor zu einer Radtour um die Welt. Als erster Mensch will er in 80 Tagen um die Erde strampeln.

31. 3.
     Revision gegen ein Urteil des Berliner Oberverwaltungsgerichts vom 22. Februar legt die Jüdische Gemeinde Adass Jisroel ein. Die Gemeinde wollte erneut die Anerkennung als Körperschaft des öffentlichen Rechts erreichen.
     Wegen des großen Ansturms auf die Afrika-Ausstellung im Martin-Gropius-Bau werden zeitweilig die Türen geschlossen. Wer heraus will, wird über verschachtelte Wege durch den Notausgang geleitet. Besucher beschweren sich deswegen bei der Polizei.

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© Edition Luisenstadt, Berlinische Monatsschrift Heft 5/1996
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