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Horst Fritzsche
Feinschmecker-Straßen

In der Großbeerenstraße 40 wohnte zu Bismarcks Zeiten Baron von Holstein, als Geheimrat für das Auswärtige Amt tätig. Die Herren vom »Auswärtigen« speisten für gewöhnlich bei Borchardt in der Französischen Straße.
     Der Küchenchef hatte eigens für den Baron, der ein Feinschmecker hohen Grades war, ein Gericht komponiert: Ein zartes Schnitzel, mit Trüffelpastete bestrichen und mit einem Setzei gekrönt, wird mit Delikatessen umlegt, feines Gemüse, Kaviar, Hummerschwänze, Austern ... Dieses Gericht wünschte sich der Baron nun auch in seinem Stammlokal, dem »Großbeerenkeller« unweit von seiner Wohnung. Er bekam es. Betrat er das Lokal, rief der Kellner in die Küche »Ein Schnitzel à la Holstein ...«
     Auch eine ausgesprochene Berliner Spezialität stammt aus Kreuzberg. Eigentlich könnte die Skalitzer Straße auch Bockwurststraße heißen, denn hier soll der Name aus der Taufe gehoben worden sein.

     Früher verzehrte man an allen Ecken Berlins die warmen Knobländer, Wiener und Breslauer. Die glatte Bockwurst mit ihrem herzhaften Geschmack tauchte erst 1889 bei Fleischermeister Löwenthal in der Friedrich-/Ecke Krausenstraße auf. Diese Wurst, gestopft mit frischem Schweinefleisch, gepökeltem Rind, gewürzt mit Knoblauch und viel Paprika, ging weg wie warme Semmeln.
     Nur einen Namen gab es für die neue Wurst noch nicht. Der entstand in der Eckkneipe Skalitzer Straße 46 b, damals noch Ecke Wendenstraße, beim Büfettier Richard Scholtz. Er schenkte Bier und Schnaps aus und verkaufte, was damals noch nicht üblich war, Wurst. Die gab es mit Soße, Salat und Sauerkohl, oder als »Kahle«.
     Eines Abends hatten sich Studenten bei Scholtz angesagt und wollten zum Bockbier etwas Besonderes. Scholtz bestellte bei Löwenthal die beliebte, aber namenlose Wurst. Die Studenten waren begeistert und nannten sie Bockwurst. Von Stund an hieß die Kneipe »Bockwurst-Scholtz« und wurde so berühmt, daß viele dort einkehrten.
     Noch berühmter wurde die Bockwurst durch die Gewerbeausstellung 1896. Dort nämlich stellte Scholtz die millionste Bockwurst aus, ein Riesenexemplar.
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© Edition Luisenstadt, Berlinische Monatsschrift Heft 5/1996
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