17   Probleme/Projekte/Prozesse Karl Richard Lepsius  Nächstes Blatt
Erika Endesfelder
Begründer der Ägyptologie in Deutschland

Karl Richard Lepsius (1810-1884)

Obgleich das Alte Ägypten seit der Zeit der griechischen Reisenden und Historiker nie ganz aus der Vorstellungswelt Europas geschwunden war, ist die Ägyptologie erst ein vergleichsweise junges Fach im Spektrum der humanitas litterarum. Als ihr Geburtsdatum gilt der 22. September 1822, der Tag, an dem der junge französische Privatgelehrte Jean Francois Champollion (1790-1832) den ersten brauchbaren Vorschlag für die Entzifferung der altägyptischen Hieroglyphen an die französische Akademie der Wissenschaften einreichte. Als Champollion zehn Jahre später starb, noch bevor er sein umfangreiches Wissen selbst geordnet publiziert hatte, boten seine unfertigen Aufzeichnungen, die von seinen beiden einzigen Schülern Ippolite Rosellini und Francesco Salvolin sowie von seinem pietätvollen Bruder veröffentlicht wurden, zunächst breite Angriffsflächen für



Karl Richard Lepsius

Mißverständnisse, Entstellungen und Verleumdungen. Aber auch seine Befürworter konnten mit seinem Werk, so wie es der Öffentlichkeit vorgelegt wurde, nicht viel anfangen. Unter ihnen befanden sich auch die Gebrüder Humboldt sowie Christian Carl J. Bunsen, ein streitbarer Kirchenpolitiker, Historiker, Diplomat in preußischen Diensten, seit 1827 Ministerresident Preußens beim Vatikan und Generalsekretär des Archäologischen Instituts in Rom.

BlattanfangNächstes Blatt

   18   Probleme/Projekte/Prozesse Karl Richard Lepsius  Voriges BlattNächstes Blatt
     Lepsius, der nach Studien in Leipzig und Göttingen 1832 in Berlin in Klassischer Altertumskunde promoviert worden war, befand sich zu dieser Zeit in Paris, dem damals führenden Zentrum der Geisteswissenschaften, um seine Bildung und sein Französisch zu vollenden, wichtige Bekanntschaften zu machen und nach einer geeigneten Lebensaufgabe Ausschau zu halten. Dem Angebot, sich mit dem Alten Ägypten zu befassen, stand er zunächst sehr zögerlich gegenüber, zumal er fürchtete, mit dieser ausgefallenen Spezialisierung alle Chancen auf die angestrebte Gelehrtenlaufbahn in staatlichen Diensten zu vertun, »wenn ich mich«, wie er in seinem Antwortschreiben an Bunsen vom 12. Dezember 1833 ausführt, »in dieser Hinsicht nicht einer wesentlich höheren Unterstützung und für den Fall einstiger Erfüllung der billigen Erwartungen, einer öffentlichen Anstellung versichert halten dürfte«. Überdies machte er eine Zustimmung zu Bunsens Vorschlag von seinem eigenen Urteil abhängig, das er nach der Durcharbeitung des wissenschaftlichen Erbes von Champollion gewonnen haben würde. Nachdem es Bunsen gelungen war, die Lepsius'schen Zukunftssorgen etwas zu dämpfen - mit dem Einfluß der Gebrüder Humboldt gelang es ihm auch, ein Stipendium der Preußischen Akademie der Wissenschaften von jährlich 500 Talern über die Dauer von zwei Jahren an Lepsius zu vermitteln - und nachdem sich Lepsius von der wissenschaftlichen Tragfähigkeit der Ergebnisse und Ideen Champollions überzeugt und damit gearbeitet hatte, reiste er 1836 zu Bunsen nach Rom. Hier trat er die ihm angebotene Stelle eines Sekretärs des Archäologischen Institutes an. Im Gepäck hatte er als Ergebnis seiner Studien sowohl eine eigene umfangreiche Untersuchung, die die Hieroglyphenentzifferung Champollions de facto erst zum Abschluß brachte und die 1837 in Druck ging, als auch eine zeitlich geordnete Liste ägyptischer Königsnamen, die er von den damals überwiegend noch unpublizierten Denkmälern in den Museen von Paris, Pisa und Turin in Form von Papierabdrücken und Handkopien gewonnen hatte, und von der Bunsen sich höchst beeindruckt zeigte. 1838 wurde Bunsen nach London versetzt und wenig später beendete auch Lepsius seine Tätigkeit in Rom. Er kehrte, mit Unterbrechungen in Paris, England und Holland, wo er jeweils in den ägyptologischen Sammlungen arbeitete, nach Deutschland zurück.
     Die gemeinsame Arbeit an den ägyptischen Problemen hatte sich für beide so erfolgreich gestaltet, daß vieles, was in den späteren Arbeiten von Lepsius als seine Grundposition zur ägyptischen Geschichte erscheint, auf die Zeit mit Bunsen in Rom zurückging. Aber auch Bunsen schätzte die Arbeit von Lepsius so sehr, daß er ihm die Mitautorschaft an seinem großen fünfbändigen Werk »Ägyptens Stelle in der Weltgeschichte« anbot, für das Lepsius die Bearbeitung der Chronologie anhand der Primärquellen übernehmen sollte.
BlattanfangNächstes Blatt

   19   Probleme/Projekte/Prozesse Karl Richard Lepsius  Voriges BlattNächstes Blatt
Wenn Lepsius diese Kooperation später aufkündigte, ohne daß es jedoch zu einem persönlichen Bruch zwischen beiden kam, so lag dies nicht nur daran, daß ihm die Leitung der »Preußischen Expedition nach Ägypten und Nubien« übertragen worden war, ein Unternehmen, das ihn für die nächste absehbare Zeit völlig in Anspruch nehmen sollte. Lepsius' Absage an das Bunsensche Werk hatte auch grundsätzliche, konzeptionelle Ursachen.
     Mit der Kenntnis der bedeutendsten Sammlungen ägyptischer Altertümer und einem reichen Archiv von Abschriften und Notizen von noch unveröffentlichten Stücken zurückgekehrt, bewarb sich Lepsius 1841 an der Berliner Universität um eine Professur in Ägyptologie, wurde jedoch zunächst abgewiesen. Dies geschah, weil einerseits Ägyptologie als eigenständiges Fach bis dahin an keiner deutschen und daher auch nicht an der Berliner Universität existierte - in Paris war zwar 1831 für Champollion am »College de France« ein ägyptologischer Lehrstuhl eingerichtet worden, der aber seit Champollions Tod 1832 verwaist war -, andererseits besaß die Berliner Universität in den Lehrangeboten von zwei jüngeren Privatgelehrten, Moritz Gotthilf Schwartze und Julius Ludwig Ideler, ein ausreichendes Potential, um den Interessen der Studierenden am Alten Ägypten entsprechen zu können.
Durch den Einfluß Alexander von Humboldts im preußischen Ministerium für geistliche und Unterrichtsangelegenheiten wurde Lepsius dann aber doch im Januar 1842 zum außerordentlichen Professor an der Berliner Universität ernannt, mit dem gleichzeitigen Gebot, daß er vorläufig von den damit verbundenen Lehrverpflichtungen befreit sei. Inzwischen waren die Vorbereitungen für seine Ägypten-Mission, zu der ihm neben seinen Kenntnissen auch glückliche Umstände sowie die Beziehungen zu Bunsen und den Gebrüdern Humboldt verholfen hatten, in ihre akute Phase eingetreten.
     1840 war der sehr am Alten Ägypten interessierte preußische König Wilhelm IV. auf den Thron gekommen. Er plante u. a., die im Schloß Monbijou untergebrachte Sammlung ägyptischer Altertümer zu erweitern und ihr ein neues Gebäude zu geben. Dazu kamen eine Reihe außenpolitischer Umstände, die eine Präsenz Preußens in Ägypten sehr wünschenswert machten. Eine archäologische Mission schien dafür höchst geeignet. Lepsius erhoffte sich von einem Ägyptenaufenthalt insbesondere neues Material zu vier Programmkomplexen: erstens zur Herkunft der altägyptischen Kultur, zweitens zum Alten Reich, das bis dahin nahezu unerforscht war, drittens zur Rekonstruktion und Stellung der 12. Dynastie und viertens zur Rekonstruktion und Herrscherabfolge der 13. bis 20. Dynastie.
BlattanfangNächstes Blatt

   20   Probleme/Projekte/Prozesse Karl Richard Lepsius  Voriges BlattNächstes Blatt
     In der ihm vom preußischen König übertragenen Leitung der »Königlich-Preußischen Expedition nach Ägypten und Nubien« bot sich ihm eine einzigartige Gelegenheit, Antworten auf diese Fragen zu finden. An ihrer Vorbereitung nahm der erfahrene Weltreisende Alexander von Humboldt aktiven Anteil. Auf Grund ihres durchaus offiziellen Charakters war sie im Vergleich zu ähnlichen Unternehmungen - nicht nur dieser Zeit - außerordentlich gut mit entsprechenden Fachleuten, mit Geld und Material und sogar mit einem persönlichen Handschreiben und Geschenken des preußischen Königs an den ägyptischen Vizekönig Mohamed Ali ausgestattet.
     Das Unternehmen startete im September 1842, und Lepsius kehrte erst im Frühjahr 1846 nach Berlin zurück. Er hatte in Giza, im Fayum, in den Felsgräbern von Beni Hassan, in Theben gearbeitet, und ein ganzes Jahr verwendete er für Reisen und Untersuchungen im Sudan, die ihn bis nach Sennar führten. Der Erfolg der Mission, von deren Verlauf er bereits regelmäßig von unterwegs in Reiseberichten und kurzen wissenschaftlichen Abhandlungen an die Preußische Akademie der Wissenschaften informiert hatte, übertraf alle in sie gesetzten Erwartungen. Er konnte nicht nur seine eigenen wissenschaftlichen Fragestellungen klären und dafür ein riesiges Material an Papierabdrücken, Kopien, Zeichnungen und Gipsabdrücken mit zurückbringen, sondern auch eine sehr ansehnliche Kollektion ägyptischer Originale, die mit einem Schreiben des ägyptischen Vizekönigs dem preußischen König zum Geschenk gemacht worden waren.
Die Gesamtkosten der Reise beliefen sich auf 34 600 Taler, ein Betrag, den Alexander von Humboldt, an den Resultaten gemessen, als »überaus wohlfeil« einschätzte.
     Die große Anerkennung, die die Ergebnisse der Reise in der Öffentlichkeit und in Fachkreisen fanden, veranlaßte den preußischen König, »mittels Allerhöchster Ordre v. 26. 6. 1846 den bisherigen a. o. Prof. Dr. Richard Lepsius, hierselbst, zum ordentlichen Professor für einen neuzugründenden Lehrstuhl des ägyptischen Altertums in der Philosophischen Fakultät der königlichen Universität zu ernennen«. Damit war der erste ägyptologische Lehrstuhl in Deutschland eingerichtet worden; die junge Ägyptologie hatte dank der Verdienste von Lepsius ihre Anerkennung als eigenständiges Lehr- und Forschungsgebiet erreicht. Im Wintersemester 1846/47 hielt Lepsius mit großem, auch gesellschaftlichem Erfolg seine Antrittsvorlesung, die regelmäßige Lehrtätigkeit begann er dann im Sommersemester 1847.
     Seine hauptsächliche Aufmerksamkeit und Zeit mußte er jedoch zunächst der Durcharbeitung und Veröffentlichung des mitgebrachten wissenschaftlichen Materials widmen. Der Bau des Neuen Museums auf der Museumsinsel war 1847 abgeschlossen worden. Noch von unterwegs hatte Lepsius seine Vorstellungen über die Innendekoration der Wände mit altägyptischen Szenen übersandt, und die durch die Schenkung des Khediven wesentlich vergrößerte Sammlung bedurfte für eine dem neuen Haus angemessene Präsentation einer gut durchdachten Konzeption.
BlattanfangNächstes Blatt

   21   Probleme/Projekte/Prozesse Karl Richard Lepsius  Voriges BlattNächstes Blatt
Allerdings war Lepsius, als die Ausstellung 1850 eröffnet wurde, noch nicht Direktor der Sammlung, dieses Amt war 1828 dem später zu Unrecht in seinen Qualitäten verkannten Joseph Passalacqua (1797-1865) (siehe BM 1/96) auf Lebenszeit verliehen worden. 1855 wurde Lepsius dann aber Mitdirektor, obgleich Alexander von Humboldt eigentlich für diesen Posten den gleichfalls von ihm geförderten Heinrich Brugsch vorgesehen hatte.
     Am intensivsten befaßte sich Lepsius nach seiner Rückkehr jedoch mit der Publikation seines großen zwölfbändigen Tafelwerkes »Denkmäler aus Ägypten und Nubien«, das in den Jahren 1849 bis 1859 in Einzellieferungen erschien. Im Unterschied zu ähnlichen, früheren Arbeiten anderer Autoren, die ihr Material nach örtlichen bzw. sachlichen Kriterien gegliedert hatten, konnte Lepsius aufgrund seiner neugewonnenen historischen Erkenntnisse erstmals dem chronologischen Prinzip folgen und seinen Stoff nach Königen und Dynastien geordnet darstellen. Diese sensationelle neue Darstellungsweise machte, mehr als jede theoretische Abhandlung es gekonnt hätte, die enorme historische Tiefe des Alten Ägypten sichtbar, die bis dahin nicht selten auch von sehr seriösen Wissenschaftlern bezweifelt worden war. Die Publikationskosten für die »Denkmäler«, die zunächst auf 60 000 bis 80 000 Taler
veranschlagt worden waren, sich später jedoch als weitaus höher erwiesen, d. h. also mehrfach teurer waren als die gesamte Expedition, übernahm der preußische Staat. 1849, gleichzeitig mit der ersten Lieferung seiner »Denkmäler«, brachte Lepsius die »Chronologie der Alten Ägypter« heraus, und zwar den 1. Teil »Kritik der Quellen«. In ihr legte er das theoretische Gerüst seiner Auffassung vom zeitlichen Ablauf der altägyptischen Geschichte dar, insbesondere in, wenngleich behutsamer, so doch deutlicher Auseinandersetzung mit den Auffassungen von Bunsen, von dessen »Ägyptens Stelle in der Weltgeschichte« bereits 1844 und 1845 die ersten drei Bände erschienen waren, sowie mit August Boeckh, dem anerkannten Althistoriker der Berliner Universität, der 1845 ebenfalls eine umfangreiche Arbeit unter dem Titel »Manetho und die Hundssternperiode« publiziert hatte. Den ursprünglich versprochenen 2. und 3. Teil der »Chronologie« hat Lepsius dann aber nicht mehr veröffentlicht. Der dafür vorgesehene Stoff, »die Nachweisungen im Einzelnen«, die wohl als Dynastiengeschichte, ähnlich ausführlich wie Bunsen das im 2. und 3. Band von »Ägyptens Stelle ...« getan hatte, vorgesehen war, ist dann in das 1858 erschienene »Königsbuch der Alten Ägypter« und in mehrere Einzeluntersuchungen eingegangen.
BlattanfangNächstes Blatt

   22   Probleme/Projekte/Prozesse Karl Richard Lepsius  Voriges BlattNächstes Blatt
     In den folgenden Jahren hat Lepsius Grundlegendes auf fast allen Spezialgebieten der Ägyptologie geleistet, auf dem Spätere aufbauen konnten. Nur im philologischen Bereich übte er, trotz seines glänzenden Erstlingswerks zum Abschluß der Champollion'schen Hieroglyphenentzifferung, äußerste Zurückhaltung. Die gelegentlich recht gewagten und zum Teil höchst phantasievollen Versuche jüngerer in- und ausländischer Kollegen, längere Texte zu übersetzen, betrachtete er mit großer Skepsis, weil nach seinem an Latein, Griechisch und Sanskrit geschulten Verständnis noch nicht genügend methodisch gesichertes Wissen über Grammatik und Wortschatz des Ägyptischen existierte. Seine eigenen sprachlichen Ambitionen verwirklichte er an den rezenten Nuba-Sprachen, mit denen er während seiner Expedition im Sudan vertraut geworden war. Aus der Beschäftigung mit ihnen entstand eine Reihe von Arbeiten, von denen die zum Standard-Alphabet sowie die »Nubische Grammatik mit einer Einleitung über die Völker und Sprachen Afrikas« (Berlin 1880) die wissenschaftshistorisch interessantesten sind. Seine Arbeiten schlossen die Entstehungsphase der Ägyptologie ab, in der es um die Entzifferung der Hieroglyphen sowie um den Nachweis der historischen Tiefe des neuen, aus der klassischen Altertumsforschung emanzipierten Wissenschaftsgebietes ging, und markierten die Grenzen, hinter die niemand, der den Anspruch erhob, sich ernsthaft mit dem Alten Ägypten zu befassen, mehr zurückgehen konnte. Seine grundsätzliche Orientierung auf die ägyptischen Primärquellen (anstelle von Hinweisen aus den Arbeiten griechischer Reisender und Historiker) setzte prinzipiell neue Maßstäbe für das Studium des Alten Ägypten, und seine historisch-chronologischen Forschungen schufen die Voraussetzungen dafür.
     Persönlich konnte er sich jedoch zeitlebens nicht von dem ihm vertrauten sicheren Hinterland des klassischen Altertums lösen. Die Antike blieb stets seine eigentliche geistige Heimat. In den geistigen Auseinandersetzungen seiner Zeit hat er kaum Stellung bezogen. Die philosophischen Anschauungen von Kant, Fichte, Hegel, Feuerbach, Marx oder die Ergebnisse der Forschungen Darwins beeindruckten ihn - wenn er sie überhaupt zur Kenntnis nahm - ebensowenig wie die z. T. durchaus stürmischen zeitgenössischen politischen Bewegungen. Er sah zwar ihren äußeren Verlauf, interessierte sich aber wenig für ihre Ursachen und Ziele. Dennoch war seine innere Einstellung zutiefst konservativmonarchistisch, und seine Verbundenheit zum preußischen Königshaus gründete sich nicht nur auf die Dankbarkeit wegen der Chancen und der finanziellen Unterstützung, die ihm in seinen jungen Jahren von dort gewährt worden waren, sondern auf seine tiefste Überzeugung.
     Rein äußerlich blieb er bis an sein Lebensende hochgeehrt. Bereits 1850 war er zum Mitglied der Preußischen Akademie der Wissenschaften berufen worden, der Institution, der er sich seit seinen Pariser Tagen aufs engste verbunden fühlte.
BlattanfangNächstes Blatt

   23   Probleme/Projekte/Prozesse Karl Richard Lepsius  Voriges BlattArtikelanfang
Nach dem Tode Passalacquas 1865 wurde er zum alleinigen Direktor des Ägyptischen Museums ernannt, 1867 übertrug man ihm das Amt des Präsidenten des Archäologischen Institutes und 1874 wurde er als Leiter (Oberbibliothekar) der Deutschen Staatsbibliothek berufen. Daneben publizierte er wissenschaftliche Arbeiten (sein Schriftenverzeichnis umfaßt 142 Titel) und führte regelmäßig Lehrveranstaltungen durch.
     Als Richard Lepsius am 10. Juli 1884 im Alter von 74 Jahren starb, hatte die Erforschung des Alten Ägypten bereits sehr bedeutende Fortschritte gemacht. An zahlreichen großen Universitäten des In- und Auslandes waren für sie eigene Lehrstühle eingerichtet worden, die großen europäischen Museen begannen ihre Bestände an Aegyptiaca zu publizieren, in Ägypten waren der Altertümerdienst und das National-Museum gegründet worden. Durch gezielte Ausgrabungen kamen neue, oft aufsehenerregende Funde zutage. Noch bereitete die Übersetzung insbesondere längerer Texte Schwierigkeiten, weil geeignete Wörterbücher und Grammatiken vor allem für die älteren Perioden fehlten, aber auch hier kündigten sich bereits substantielle Fortschritte an. Lepsius hatte dieser Entwicklung den Weg gebahnt und war auf ihm ein entscheidendes Stück vorangegangen, bis er Jüngeren die Führung überließ.
     In der Tradition von Richard Lepsius nahm 1957 der damalige Ordinarius für Ägyptologie an der Humboldt-Universität zu Berlin, Fritz Hintze (1915-1993), die Feldarbeiten im Nordsudan wieder auf und grub in den Jahren 1960 bis 1970 die Ruinenstätte Musawwarat es Sufra in ihren wesentlichen Teilen aus. Diese Arbeiten werden seit einiger Zeit von Prof. Dr. Steffen Wenig, dem Leiter des Lehrstuhls für Sudanarchäologie der Humboldt-Universität, fortgesetzt.
Literatur:
Erika Endesfelder: Die Ägyptologie an der Berliner Universität - Zur Geschichte eines Fachgebietes, Berichte, Humboldt-Universität 8 (1988), Heft 6
Erika Endesfelder: Der Beitrag von Richard Lepsius zur Erforschung der altägyptischen Geschichte, In: Elke Freier/Stefan Grunert: Karl Richard Lepsius (1810-1884), Akten der Tagung anläßlich seines 100. Todestages, Berlin 1988
Elke Freier/Stefan Grunert: Eine Reise durch Ägypten, Henschelverlag Berlin, 1984
Georg Ebers: Richard Lepsius - ein Lebensbild, Leipzig 1885

Bildquelle: Zeichnung von Horst Link

BlattanfangArtikelanfang

© Edition Luisenstadt, Berlinische Monatsschrift Heft 4/1996
www.berlinische-monatsschrift.de