98   Dokumentiert Februar 1996  Nächstes Blatt
Es geschah gestern in Berlin:
Februar 1996

Was gestern noch Schlagzeilen machte, ist heute fast schon wieder in Vergessenheit geraten. Wir dokumentieren deshalb Berliner Ereignisse aus der jüngsten Vergangenheit.

1. 2.
     Der Nachlaß
des Berliner Pfarrers Dietrich Bonhoeffer geht in den Besitz der Staatsbibliothek zu Berlin über.
     Zwei Drittel aller Bäume im Tiergarten sind krank, stellte die Berliner Landesarbeitsgemeinschaft Naturschutz (BLN) fest. Die BLN will in Zusammenarbeit mit der TU Berlin erkunden, ob die Bäume unter den geplanten Tunnelbauten leiden.

2. 2.
     Kompostierbare
Küchenabfälle können neuerdings in braunen Bio-Tonnen gesammelt werden, teilt die Stadtreinigung mit.

3. 2.
     Einweihung
der neuen, 60 Meter langen Behelfsbrücke auf dem Potsdamer Platz nach sechs Wochen Bauzeit. Damit besteht wieder eine direkte Verbindung zwischen der Potsdamer und der Leipziger Straße.

4. 2.
     Bürgerrechtler
, Politiker und Theologen fordern in einer Erklärung des »Initiativkreises Gerechtigkeit für Dietrich Bonhoeffer« die Aufhebung aller von NS-Sondergerichten verhängten und vom BGH zum Teil bestätigten Todesurteile gegen Widerstandskämpfer.

5. 2.
     Am Universitätsklinikum
Benjamin Franklin in Berlin wird mit einer neuen Beatmungsmethode einem zwei Tage alten Baby das Leben gerettet.

6. 2.
     Erik S. Klein
wird 70 Jahre alt. Der beliebte Schauspieler steht auch jetzt noch auf der Bühne des Renaissance-Theaters und gestaltet Abende mit unbekannter Prosa von Böll und Tschechow.
     Vollständig ausgebrannt sind am frühen Morgen bei einem Feuer in der Bülowstraße mehrere Architekturbüros. Nach ersten Ermittlungen ist das Feuer vorsätzlich an mehreren Stellen gelegt worden.

7. 2.
     Über 69 300 Mark
beläuft sich der Bußgeldbescheid, den das Wohnungsamt Wilmersdorf an die Eigentümerin eines Hauses am Hohenzollerndamm verschickte. Die Frau hatte eine Wohnung seit Jahren als Arztpraxis vermietet und aus dieser zweckfremden Nutzung Vorteil gezogen.
     Erzbischof Georg Kardinal Sterzinsky informiert den Regierenden Bürgermeister Eberhard Diepgen (CDU) über den Besuch von Papst Johannes Paul II. am 23. Juni dieses Jahres.

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8. 2.
     1 500.- Mark Strafe
muß ein 31jähriger Mann wegen Verstoßes gegen das Vereinsgesetz zahlen. Er hatte im Mai '95 bei einer Demonstration ein postkartengroßes Fähnchen einer kurdischen Organisation getragen.
     Mary (Georg Preuße), das schärfste Glamourgirl des deutschen Tingeltangels, hat um 20 Uhr im SchillerTheater Premiere.

9. 2.
     Arbeitslosigkeit
und die »höchst besorgniserregende wirtschaftliche und soziale Entwicklung in Deutschland« waren der Hauptanlaß für eine Beratung von etwa 400 Vertretern der katholischen und evangelischen Kirchen im Sitzungssaal des Berliner Abgeordnetenhauses.
     Gustav Büchsenschütz, Komponist und Autor der inoffiziellen brandenburgischen Hymne »Märkische Heide - Märkischer Sand« starb im Alter von 93 Jahren.

10. 2.
     Die Rettung
von 70 Passagieren aus einer brennenden Boeing 737 wird bei einer Notfall-Großübung auf dem Flugplatz Berlin-Schönefeld geübt. Bereits nach 20 Sekunden waren die ersten Feuerwehren am Ort.

11. 2.
     Die PDS
Brandenburg hat ihre Informations-Kampagne gegen den Fusionsvertrag mit Berlin offiziell eröffnet.
     Die Ausstellung »Extra drei - Die Klassiker der ostdeutschen Karikatur« hat sich als Publikumserfolg erwiesen. 10 000 Besucher haben die Zeichnungen von Manfred Bofinger, Henry Büttner und Heinz Jankofsky gesehen.

12. 2.
     180 Strafanzeigen
laufen gegen heutige und einstige Treuhandmitarbeiter. 81 Ermittlungsverfahren wurden bisher durchgeführt, 69 eingestellt, da sich kein hinreichender Tatverdacht ergeben hatte. Das erklärt der Sprecher der Berliner Justizbehörde.

13. 2.
     Nach 51 Jahren
sieht der frühere amerikanische Kunstoffizier Walter Farmer in der Berliner Gemäldegalerie der Stiftung Preußischer Kulturbesitz jene 200 Meisterwerke der Malerei, zu deren Rückführung er 1945 maßgeblich beigetragen hatte.

14. 2.
     Ruth Berghaus
, Theaterregisseurin und Ehefrau von Paul Dessau, wird auf dem Dorotheenstädtischen Friedhof beigesetzt. Die Urne wurde in das Grab ihres Ehemanns eingelassen.
     Wegen Spionage für die Stasi wird ein 59jähriger Justizbeamter vom Berliner Kammergericht zu zwei Jahren Haft mit Bewährung verurteilt. Der suspendierte Beamte hatte in Westberlin observiert, darunter auch ein Fluchthilfeunternehmen.

15. 2.
     Die 46. Filmfestspiele
werden mit Ang Lees Film »Sinn und Sinnlichkeit« im Berliner Zoopalast eröffnet. Hauptdarstellerin Emma Thompson gilt als Favoritin für den Goldenen Bären.
     Scharf protestieren die Arbeiter des Transformatorenwerks AEG TRO gegen die Schließung des Werks und ihre drohende Entlassung. AEG hatte das Werk 1992 von der Treuhandanstalt erworben und seitdem etwa 48 Millionen Mark investiert.

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16. 2.
     Den letzten Platz
nimmt Berlin in der Konjunkturentwicklung der Bundesländer ein. Laut Statistik hat Berlin ein reales Nullwachstum und verzeichnet einen überdurchschnittlichen Arbeitsplatzabbau.

17. 2.
     Marlis Dürkop
, Präsidentin der Humboldt-Universität, will nicht für eine zweite Amtszeit kandidieren.
     Der Schauspieler Herbert Köfer feiert seinen 75. Geburtstag im Café Liebig an der Grünauer Regattastrecke.

18. 2.
     Fledermäuse
sollen in dem seit 1990 gestillgelegten Palast der Republik ihre Zuflucht gefunden haben. Deshalb fordert der Interessenverband der Naturschützer Berlins (INB) seinen Erhalt.

19. 2.
     Eine Cessna 550
, die um 8.15 Uhr in Tempelhof gestartet war, stürzt mit zwei Besatzungsmitgliedern und sieben Geschäftsleuten an Bord gegen 10.00 Uhr nahe der bayrischen Stadt Freilassing ab.

20. 2.
     Zur Zahlung
von 300 000 Mark Schmerzensgeld an den Berliner Karl W., der sich an einem Säugling mit Kinderlähmung angesteckt hatte, hat das Berliner Kammergericht das Land Berlin verurteilt.

21. 2.
     Die Deutsche Angestellten-Gewerkschaft
(DAG) erwartet, daß sich der Aufsichtsrat der Berliner Bankgesellschaft auf seiner außerordentlichen Sitzung mit dem beabsichtigten Abbau von 1 900 Arbeitsplätzen befaßt.

22. 2.
     Der 1. S-Bahn-Zug
der Baureihe 481, des mit 2,1 Milliarden Mark größten Auftrags der bundesdeutschen Bahngeschichte, wird in der Hauptwerkstatt Schöneweide vorgestellt.

23. 2.
     Neue Schutzkleidung
erhält die Berliner Feuerwehr. Die dafür notwendigen 6,1 Millionen Mark sind von der Finanzsenatorin Annette Fugman-Heesing (SPD) bewilligt worden.
     »Täve«, das größte Sportidol der Ostdeutschen, geht offiziell in Rente. Der zweifache Amateurweltmeister Gustav Adolf Schur feiert seinen 65. Geburtstag.

24. 2.
     Dessous
für die Hochzeitsnacht, mehrstöckige Hochzeitstorten, Eheringe, Brautkleider zum Probieren - zu den »3. Hochzeitstagen Berlins« kommen am Wochenende gut 15 000 Besucher in die Halle 11.1 unter dem Funkturm.
     Die Bauchtanzschule »Aijouni«, die erste und einzige Ostberlins, wird drei Jahre alt. Die Besitzerin feierte ab 19 Uhr mit Freunden im Statthaus Böcklerpark. Zu sehen war das Tanzmärchen »Leila«.

25. 2.
     Innensenator
Jörg Schönbohm (CDU) spricht sich dafür aus, Teile der PDS auch weiterhin durch den Verfassungsschutz überwachen zu lassen. Er habe keinerlei Erkenntnisse, daß die Voraussetzungen dafür entfallen seien, erklärte Schönbohm.
     Sechs Marktschreier treten miteinander in Konkurrenz. Am heutigen Sonntag können von 9 bis 18 Uhr Schaulustige das lautstarke Buhlen der Händler um Kundschaft auf dem Marktplatz Pankow an der Breiten Straße verfolgen.
     Im Heimatmuseum Marzahn, Alt-Marzahn 23, wird um 17 Uhr die Ausstellung »Juden in Lichtenberg - mit den früheren Ortsteilen in Friedrichshain, Hellersdorf und Marzahn« eröffnet.

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26. 2.
     Im Prozeß
gegen sechs ehemalige Mitglieder des Politbüros der SED weisen auch Günther Kleiber und Günter Schabowski den Vorwurf der Anklage zurück, den Tod von Flüchtlingen an der Grenze billigend in Kauf genommen zu haben.
     Die 46. Berlinale geht am Abend mit der Preisverleihung im Zoo-Palast zu Ende. Der Goldene Bär geht an den amerikanischen Film »Sense and Sensibility« des Regisseurs Ang Lee.

27. 2.
     Staatsanwaltschaft
und Nebenkläger fordern für den mutmaßlichen Serienmörder Thomas Rung vor dem Berliner Landgericht zweimal Lebenslänglich. Die Staatsanwaltschaft hält den geständigen 35jährigen des sechsfachen Mordes für schuldig.
     Die Jüdische Gemeinde zu Berlin und die Stiftung Centrum Judaicum erinnern am Vormittag in der Rosenstraße (Mitte) an die sogenannte »Fabrikaktion« vor 53 Jahren.

28. 2.
     Die Verlängerung
des Autobahn-Stadtrings von Tempelhof nach Neukölln (A 100) darf weitergebaut werden, entschied das Bundesverwaltungsgericht. Den Plänen der Senatsverwaltung zufolge sollte die Stadtautobahn 1999 bis zur Buschkrugallee reichen.
     Beschlagnahmt werden bei stadtweiten Einsätzen gegen den illegalen Zigarettenhandel insgesamt rund 53 000 unverzollte Glimmstengel. Dabei hat sich nach Polizeiangaben gezeigt, daß nicht nur Vietnamesen mit unversteuerten Zigaretten handeln.

29. 2.
     Galeries Lafayette
, das neue Modehaus Berlins, eröffnet seine erste Deutschland-Filiale in der Friedrichstraße (Mitte). Tausende Berliner stürmten das Haus, das von dem französischen Architekten Jean Nouvel entworfen wurde.
     Die letzte Filiale von Hertie im Ostteil der Stadt wird geschlossen. Der Markt an der Stendaler Straße mußte Bauarbeiten zum Hellersdorfer Stadtteilzentrum weichen. Die 140 Mitarbeiter sollen in anderen Hertie-Häusern unterkommen.
     Die Berliner Polizei rät zur Vorsicht beim Geldabheben an Bankautomaten. Zwei Unbekannte hatten am Mittwochabend einen 20jährigen nach dem Geldabheben in Kreuzberg in einen Hausflur gedrängt und ausgeraubt.

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© Edition Luisenstadt, Berlinische Monatsschrift Heft 4/1996
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