31   Probleme/Projekte/Prozesse Damit wir es sehen  
Daniela Dahn
Damit wir es sehen

Der Meister hielt Vorlesungen und Seminare zum Fach: Feuilleton. Das ist über 20 Jahre her. Heinz Knobloch war der erste, der mir sagte: Schreib das auf, Dahn! Statt eine theoretische Prüfung abzulegen, sollten nämlich alle Studenten ein Feuilleton schreiben. Er drohte nicht mit schlechten Noten, sondern - als Feuilleton-Chef der Wochenpost konnte er das - mit Abdruck der besten Texte. So fand ich mich erstmalig Schwarz auf Weiß. Manchmal braucht man im richtigen Moment jemanden, der behauptet: Das kannst du. Ermutigung, das war es zunächst, was Heinz Knobloch selbstlos verteilte.
     Zögerlich schickte ich ihm weitere Textchen. Die prompt mit vielen roten Korrekturen zurückkamen. Damals lernte ich etwas über Kopf- und Handwerk: Wie ein Stoff seine Überraschungen erst nach genauester, ja penibler Recherche preisgibt, wie man zwischen den Zeilen schreibt, wie man in Deutschland mit Ironie umgeht, wie man zu Pointen, und nur zu ihnen, sagt: Sie werden plaziert, wie aus unbekannter Nähe Sensationen gewonnen werden.
     Schließlich lud Heinz Knobloch sechs junge Feuilletonisten zu einer »Individuellen Betreuung«. Der Schriftstellerverband ließ in seinem Heim in Petzow »längerdienende

Autoren auf kleine Gruppen des literarischen Nachwuchses einwirken«, spottete er im Vorwort der Anthologie, die das Ergebnis seiner Einwirkungen war. Der 1975 erschienene Band »Schattensprünge« half mir tatsächlich, über den Schatten der anhaltenden Schreibhemmungen zu springen.
     Heinz Knobloch ist sich treu geblieben. Auch im Taktischen. »Ich schreibe nur, was ich will, was mir Spaß macht. Auch für Spaß muß man bezahlen. Die Währung heißt manchmal Kompromiß, manchmal Gesundheit, manchmal Schweigen, manchmal Geld, manchmal Spaß«, schrieb er damals. Mit diesem Kapital an Wahrhaftigkeit mußte er sich in der Wende nicht wenden. Mir schien, er habe die begonnene Seite einfach weiterschreiben können. Wie nicht anders von ihm gewohnt, war er schnell mit wichtigen Büchern präsent. Als ich ihm zum Mendelssohn-Preis gratulieren konnte, war das eine ganz folgerichtige Freude.
     »Ich sehe was, was du nicht siehst, damit du es siehst« - Knoblochs über 20 Jahre altes Credo ist im wiederverfeindeten Deutschland gefragter denn je. Wie mir erst jetzt auffällt, gibt es in meinem zufällig zum Geburtstag erscheinenden Buch ein Kapitel mit dem Titel: der fremde Blick. Immer noch Knobloch-Schule?
Meine Gratulation umfaßt Dank und Erwartung auf neue Belege dessen, was dem Jubilar künftig Spaß bereitet, zu sehen, damit wir es sehen.
Blattanfang

© Edition Luisenstadt, Berlinische Monatsschrift Heft 3/1996
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