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Luise Thuß
»Wer schweigt, stimmt zu ...«

Ehrenbürgerin Marie-Elisabeth Lüders
(1878-1966)

Marie-Elisabeth Lüders, geboren am 25. Juni 1878 in Berlin, war die Tochter eines Wirklichen Geheimen Oberregierungsrats. Sie besuchte in Berlin die Höhere Töchter- und Wirtschaftliche Frauenschule. Noch während ihrer Ausbildung in Hauswirtschaft knüpfte sie erste Kontakte zur deutschen Frauenbewegung. Von 1906 bis 1910 studierte sie Nationalökonomie und promovierte 1912 magna cum laude als erste deutsche Frau zum Dr. rer. pol. an der Universität ihrer Heimatstadt. Während des Ersten Weltkrieges sammelte sie in verschiedenen Funktionen bereits umfangreiche Erfahrungen in lebensnaher Sozialpolitik.
     Von 1918 bis 1921 war M.-E. Lüders Studiendirektorin der Niederrheinischen Frauenakademie in Düsseldorf und bearbeitete später im Reichsarbeitsministerium die sozialpolitischen Fragen für Arbeiterinnen, weibliche Angestellte und Heimarbeiter.
     Sie war eine der ersten Frauen, die in ein Ministerium berufen wurden.


Marie-Elisabeth Lüders

1927 wurde sie auf Vorschlag der bedeutendsten deutschen Frauenorganisationen zur Weltwirtschaftskonferenz in Genf delegiert.
     Ab 1918 Mitglied der Deutschen Demokratischen Partei, rückte M.-E. Lüders 1919 für den verstorbenen Friedrich Naumann in die Weimarer Nationalversammlung nach. Von 1921 bis 1930 war sie Mitglied des Reichstages und setzte sich dort für die Gleichberechtigung der Frauen ein.
     Nach ihrer Wahl 1930 als Vorsitzende des Deutschen Akademikerinnenbundes wurde sie am 6. Januar 1932 als deutsche Vertreterin verschiedener Frauenorganisationen in den Abrüstungsausschuß der Weltfrauenorganisation delegiert.

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1933 erhielt sie von den Nationalsozialisten Berufs- und Publikationsverbot und wurde 1937 für vier Monate inhaftiert.
     Ab Juli 1947 wieder in Berlin, wurde sie sofort in die Sozialverwaltung berufen. Von 1948 bis 1950 war sie Abgeordnete der FDP im Stadtparlament von Westberlin und von 1949 bis 1951 leitete sie als Stadträtin die Abteilung Sozialwesen im Berliner Magistrat bzw. Senat.
     Nachdem sie im September 1953 auf der Liste der FDP in den Zweiten Bundestag gewählt worden war, eröffnete sie die Legislaturperioden 1953 und 1957 als Alterspräsidentin. Im November 1957 wandte sie sich mit den Worten »Wer schweigt, stimmt zu« in einem Aufruf an die Frauen der Welt, angesichts der damaligen Rüstungspsychose alles zur Erhaltung des Friedens zu tun.
     M.-E. Lüders initiierte wiederholt Gesetzgebungen, wie z. B. die Neuordnung der Jugendgesetzgebung, das Gesetz gegen Geschlechtskrankheiten sowie die sogenannte »Lex Lüders«, die die rechtliche Stellung von mit Ausländern verheirateten Frauen regelt.
     M.-E. Lüders gehörte zu den bedeutendsten Sozialpolitikerinnen der deutschen Parlamentsgeschichte.
     1961 schied sie aus dem Bonner Parlament aus und lebte bis zu ihrem Tode am 23. März 1966 zurückgezogen in Berlin.
Sie war Ehrenpräsidentin der FDP (Bundespartei), Ehrenvorsitzende des FDP-Landesverbandes Berlin, des Deutschen Frauenrings, des Deutschen Paritätischen Wohlfahrtsverbandes und der Deutsch-Englischen Gesellschaft.
     In ihren Memoiren, die unter dem Titel »Fürchte Dich nicht, Persönliches und Politisches aus mehr als 80 Jahren. 1878-1962«, 1963 im Westdeutschen Verlag GmbH Köln und Opladen erschienen, widerspiegelt sich ihr stets kompromißloser Einsatz gegen Gewalt und Dogmatismus, ihr engagiertes Eintreten für Toleranz und Gerechtigkeit.
     M.-E. Lüders war unverheiratet und besaß einen Adoptiv- und Pflegesohn.
     Ihre vielfachen Verdienste wurden 1957 durch die Verleihung des Großen Verdienstkreuzes (1961 mit Stern und Schulterband) anerkannt. Die Freie Universität ernannte sie 1953 zum Dr. med. h. c., die Universität Bonn 1958 zum Dr. jur. h. c.
     Die Stadt Berlin würdigte sie für ihre Verdienste 1958 mit der Ernennung zur Ehrenbürgerin.
     Nach der Politikerin ist eine Straße in Berlin-Charlottenburg benannt.

Bildquelle:
Landesbildstelle Berlin

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© Edition Luisenstadt, Berlinische Monatsschrift Heft 3/1996
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