53   Novitäten Berlin wird Festung  
Günter Möschner
20. März 1658:
Berlin wird Festung

Am 20. März 1658 ordnete der Große Kurfürst Friedrich Wilhelm an, »daß zur Versicherung dero hohen Personen und zum Bestehen des Landes und der Stadt die Residentz-Städte zu fortifizieren« sind. Was nichts weiter hieß als: Berlin und Cölln sind mit einer Festungsanlage zu umgeben. Immerhin hatte die Wehrlosigkeit der Residenz-Doppelstadt zu großen Verwüstungen im Dreißigjährigen Krieg (1618-1648) geführt. Und jetzt beschworen die politischen Spannungen in Europa schon wieder neue Kriegsgefahr herauf. Außerdem schien die Zeit für ein solches Projekt recht günstig: Handel und Wirtschaft befanden sich im Aufschwung, der Adel stellte beachtliche Mittel für die Armee bereit.
     Nach den Vorgaben Friedrich Wilhelms projektierte und leitete Johann Gregor Memhardt den Bau nach holländischem Vorbild als Wasserfestung. Alle Einwohner der Doppelstadt - es waren 1658 knapp 7 000 - wurden zum Schanzen verpflichtet und mußten den vielen zur Arbeit herangeholten Soldaten Quartier geben. Die Festung bestand aus 13 Bastionen, die durch einen acht Meter hohen und oben sechs Meter breiten Wall verbunden waren.

Davor verlief ein tiefer, bis zu 55 Meter breiter Wassergraben. Nur sechs Tore gewährten Durchlaß: das Stralauer Tor (nahe der heutigen Jannowitzbrücke), das Georgentor, anläßlich der Krönung des Kurfürsten zum König Friedrich I. 1701 in Königstor umbenannt (Nähe Alexanderplatz), das Spandauer Tor (heute Bahnhof Hackescher Markt), das Neustädtische Tor (die Bezeichnung »Am Festungsgraben« ist übriggeblieben), das Köpenicker Tor (Oberwallstraße) und das Leipziger Tor (zwischen Hausvogteipatz und Spittelmarkt). Nach 25 Jahren waren die Anlagen fertig. Auch danach wurde daran gebaut, da die hauptsächlich aus Sand aufgeschütteten Wälle immer wieder Schäden aufwiesen. Schon bald stellte sich die Frage nach dem Sinn der Befestigung, da sich die Einwohnerzahl Berlin-Cöllns 1683 verdreifacht hatte und immer mehr Menschen vor der Stadtmauer wohnten, namentlich in den neu entstehenden Vorstädten Dorotheenstadt und Friedrichstadt. 1734 begann man, die gesamte Befestigungsanlage abzutragen, da sie die Entwicklung der Stadt zunehmend behinderte. Heute erinnert nur noch der kurvenreiche Verlauf der S-Bahn zwischen den Bahnhöfen Jannowitzbrücke und Hackescher Markt daran. Die Bahn wurde 1881/82 auf dem der Stadt gehörenden Gelände des zugeschütteten dritten Spreearms, der als Festungsgraben genutzt wurde, erbaut.
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© Edition Luisenstadt, Berlinische Monatsschrift Heft 3/1996
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