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Günter Lechner
Eine ungewöhnliche Bilanz zum 8. März

Passend zur vergleichsweise geringen Einkommenshöhe von Frauen und Männern gab es zu DDR-Zeiten bei den Geldscheinen nur fünf Wertstufen. Auf ihnen wurden gewürdigt:
5 MarkThomas Müntzer ( Theologe, 1468 oder 1489/90-1525)
10 MarkClara Zetkin (Politikerin, 1857-1933)
20 MarkJohann Wolfgang v. Goethe (Dichter, 1749-1832)
50 MarkFriedrich Engels (Philosoph, 1820-1895)
100 MarkKarl Marx (Philosoph und Nationalökonom, 1818-1883)

Trotz ständig propagierter Gleichberechtigung also nur eine Frau und vier Männer = 1 : 4 bzw. 20 zu 80 Prozent.
     Nach dem Geld-»tausch« (Grundbetrag für Kinder 2 000,- M; Erwachsene 4 000,- M; Rentner 6 000,- M 1 : 1 - »Rest« 2 : 1) erhielten die ehemaligen DDR-Bürger nun statt bisher fünf sieben Banknoten, auf denen dargestellt waren:

 
5 DMjunge Venezianerin (nach einem Gemälde von Dürer)
10 DMjunger Mann (A. Dürer?)
20 DMElsbeth Tucher (Nürnberger Kaufmannsfrau, die für A. Dürer Modell stand)
50 DMAusschnitt aus dem Gemälde »Mann« eines schwäbischen Meisters um 1525
100 DMSebastian Münster (Gemälde von Christoph Amberger, das den Hebraisten und Kosmographen, der von 1489-1552 lebte, darstellt)

Bei diesen fünf vergleichbaren Wertstufen, nur die wurden bar ausgezahlt, sind zwei Frauen dargestellt. Der Anschein eines Frauenanteils von 40 Prozent (= 100 Prozent Steigerung) trifft allerdings nicht zu, da noch die, ebenfalls inzwischen ungültigen, höheren Wertstufen zu berücksichtigen sind:
500 DMbartloser Mann (Gemälde von Hans Maler von Schwaz)
1 000 DMJohannes Scheyring (nach einem Gemälde von Lucas Cranach d. Ä., das vermutlich den Magdeburger Theologen darstellt)

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Es stehen also nur zwei Frauen fünf Männern gegenüber, die vergleichbaren 40 Prozent sinken auf 28,57142 Prozent. Das sind immerhin rund 8,6 Prozent mehr, als bei der letzten Mark-Edition von 1971 bis 1975.
     Ab 1. Oktober 1990 wurden schrittweise neue, fälschungssichere Geldscheine eingesetzt. Aus bisher sieben Banknoten sind acht geworden, alle vom Grafiker Reinhold Gerstetter entworfen:
5 DMBettina von Arnim (Schriftstellerin, 1785-1859)
10 DMCarl Friedrich Gauß (Mathematiker, Physiker, 1777-1855)
20 DMAnnette v. Droste-Hülshoff (Dichterin, 1797-1848)
50 DMBalthasar Neumann (Baumeister und Artillerist, 1687-1753)
100 DMClara Schumann (Klaviervirtuosin, 1819-1896)
200 DMPaul Ehrlich (Mediziner und Chemiker, 1854-1915)
500 DMMaria Sybilla Merian (Forscherin und Künstlerin, 1647-1717)
1 000 DMWilhelm und Jacob Grimm (Begründer der germanistischen Sprachwissenschaft, 1786-1859, 1785-1863)
Auf diesen acht Scheinen sind schon vier Frauen zu besichtigen. Auf den restlichen vier Scheinen versammeln sich insgesamt fünf Männer. Die Frauenquote, nach Scheinen berechnet, beträgt 50 Prozent, auf die Anzahl der Personen nur noch 44,4 Prozent. Bei den gängigen Wertstufen (5 bis 100 DM) stehen jetzt also drei Frauen zwei Männern gegenüber. Die beiden höchsten Wertstufen können diese Entwicklung zu Gunsten der Frauen nicht mehr entscheidend beeinflussen.
     Was sich auf den Scheinen so scheinbar frauenfreundlich darstellt, ist allerdings auf keiner einzigen Münze zu entdecken. Die meisten kommen nur als sachlich schnöde Zahl einher. Lediglich die 2-Mark-Münzen zieren zur Zeit sechs Porträts. Hier sind nur Herren der Schöpfung (noch?) unter sich.
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© Edition Luisenstadt, Berlinische Monatsschrift Heft 3/1996
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