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Gunnar Udke †
Arthur Werner und seine Schinkel-Akademie

In unmittelbaren Nähe der Jannowitzbrücke befand sich in der ehemaligen Luisenstadt die Technische Privatschule von Dr.Ing. Arthur Werner - gegründet im Jahre 1906. Das Berliner Adreßbuch von 1912 weist diese Bildungseinrichtung unter dem anspruchsvollen Namen »Schinkel-Akademie« - polytechnisches Institut in Berlin SO 16, Neanderstraße 3 (Vorderhaus) aus. Den historischen Ort dürfen wir uns in der heutigen Heinrich-Heine-Straße vorstellen. Etwa dort, wo sich die Heinrich-Heine-Bibliothek befindet, damals befand sich hier in der Nähe die Gemeindeschule Neanderstraße. Vom Gebäude der Schule ist uns nur ein Foto geblieben. Das Haus Neanderstraße 3 wurde - wie viele Gebäude in der näheren Umgebung - im Zweiten Weltkrieg zerstört. Die Technische Privatschule von Dr.-Ing. Arthur Werner hatte an diesem Ort von 1906 bis zur Schließung der Privatschule am 31. März 1942 durch die faschistischen Behörden ihren Sitz.
     Arthur Werner wurde am 15. April 1877 in Berlin geboren. Hier besuchte er die Friedrich-Werdersche Oberrealschule und das Andreas-Realgymnasium.

Er studierte zunächst an der Berliner Universität Jura und später an der damaligen Königlichen Technischen Hochschule in Charlottenburg Architektur und Bauwesen. Nach zwischenzeitlicher Arbeit in einem Architekturbüro erwarb er 1907 den Titel eines Dipl.-Ing. Die technische Lehranstalt »Schinkel-Akademie« hatte er bereits 1906 in der Wohnung seiner Eltern - wahrscheinlich Charlottenburg, Rosenstraße 5/6 - gegründet. Wenig später zog die Technische Privatschule in die Neanderstraße 3 um.

Sein Dissertationsthema:
Protestantischer Kirchenbau

Eine werbende Anzeige von 1912 empfiehlt die Ausbildung in folgenden Fachrichtungen an diesem Institut:
1. Hochbau
2. Tiefbau
3. Maschinenbau
4. Elektrotechnik und
5. in Sonderabteilungen
     a) Gas, Wasser- und Heizungstechnik,
     b) Steinmetzschule,
     c) Kunstschlosserschule,
     d) Tischlerausbildung u. a.
Ein Jahr nach dieser Anzeige, in der der Direktor als königlicher Regierungsbaumeister Werner vorgestellt worden war, promovierte Arthur Werner an der Technischen Hochschule Danzig zum Dr.-Ing.

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Das Thema seiner Dissertation lautete: »Der protestantische Kirchenbau des friderizianischen Berlin«. Hervorzuheben ist die für die damalige Zeit hohe Zahl der Studierenden und die gute Ausstattung der Schule. 1913 wurde der Unterricht nicht nur in der Luisenstadt, sondern auch in Moabit, in der Rathenower Straße 3, durchgeführt.
     1916/17 dann veranlaßte eine gesetzliche Vorschrift über das Privatschulwesen Arthur Werner zu einer Umbenennung der Schule. Aus der bauhistorisch verpflichtenden »Schinkel-Akademie« wurde nun die »Technische Privatschule von Dr.-Ing. Arthur Werner«. Sie behielt diesen Namen bis zur vorläufigen Schließung 1942.
     In der Weimarer Zeit baute Werner seine Lehranstalt zur wohl bekanntesten technischen Privatschule Berlins aus. Eine Stichprobe im Adreßbuch von 1936 bestätigt den seit 1912 bekannten Standort in der Luisenstadt, Neanderstraße 3, und auch die Wohnanschrift von Dr. Werner in einem Villenviertel in Berlin-Lichterfelde West, Köhlerstraße 22, seit 1923. Um 1938 waren an der Schule fünf hauptamtliche und 12 nebenamtliche Lehrkräfte tätig. Es gab neben der Tagesausbildung auch eine Abendschule, die bis Anfang der 40er Jahre Studenten in den genannten Hauptrichtungen ausbildete. Zu einigen seiner Schüler pflegte Arthur Werner, wie übermittelt ist, engere Beziehungen.
Es wurde auch bekannt, daß er während des Faschismus von der Technischen Hochschule Berlin verwiesene jüdische Studenten in die Abendkurse seiner Privatschule aufnahm. Seine christlich-humanistische Grundeinstellung und großes persönliches Leid durch den Verlust zweier Söhne im Krieg bestärkten ihn in seiner antifaschistischen Haltung.
     So war es durchaus kein Zufall, daß nach Kriegsende Karl Maron als Beauftragter der »Gruppe Ulbricht« in der Köhlerstraße 22 in Lichterfelde erschien, um den nunmehr 68jährigen parteilosen Arthur Werner zu bitten, die Führung im neu zu bildenden antifaschistischen Magistrat zu übernehmen. Nach einem kurzen Gespräch erklärte Arthur Werner seine Bereitschaft.
     Im Verordnungsblatt der Stadt Berlin, Jahrgang 1, Nr. 1, 1945, S. 4 (vom 10. Juli 1945), heißt es: »Mit Anerkennung des Militärkommandos der Roten Armee wurde der Magistrat der Stadt Berlin neu gebildet ... Die Obliegenheiten des Oberbürgermeisters habe ich selbst übernommen ... Ich rufe die Bevölkerung Berlins auf, dem neugebildeten Magistrat aktiv Hilfe zu leisten zur Wiederherstellung des normalen Lebens der Stadt und bei der Erfüllung der Verpflichtungen gegenüber der Roten Armee. Der Oberbürgermeister der Stadt Berlin Dr. A. Werner, Berlin, den 17. 5. 45.«
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     Angesichts der gewaltigen Zerstörungen Berlins, seiner Infrastruktur, des gesamten öffentlichen Lebens, der hohen Zahl der Opfer und der katastrophalen Versorgungssituation kann die Verantwortung des neuen Magistrats und seines Oberbürgermeisters nicht hoch genug geschätzt werden.
     Am 17. Mai 1945 bestätigte der sowjetische Militärkommandant den ersten Nachkriegsmagistrat. Am 19. Mai 1945 fand die Gründungsversammlung mit Bersarin im Saal der Feuersozietät Neues Stadthaus statt.
     Dem parteilosen Werner standen Kommunisten wie Karl Maron (1. Stellvertreter), Arthur Pieck, Hans Jendretzky und Ottomar Geschke, Sozialdemokraten wie Josef Orlopp, bürgerliche Politiker wie der frühere Zentrumspolitiker und Reichsminister a. D. Andreas Hermes und Dr. Hermann Landwehr oder auch der Chirurg Prof. Ferdinand Sauerbruch, der Architekt Hans Scharoun und Pfarrer Heinrich Gruber zur Seite.
     In den Jahren 1945/46 leisteten Dr. Arthur Werner und der erste Magistrat einen großen Beitrag, um das Leben im zerstörten Berlin wieder in Gang zu setzen.

Lehrauftrag an der Technischen Hochschule

Die Wahlen vom 20. Oktober 1946 brachten dann der SPD mit 48,7 Prozent einen deutlichen Wahlsieg. Der Nachfolger im Amt des Oberbürgermeisters wurde Dr. Otto Ostrowski (SPD).

     1950 beschloß Dr. Werner die Wiedereröffnung seiner Privaten Technischen Lehranstalt unter der bekannten Adresse Köhlerstraße 22 in Lichterfelde. Durchgeführt wurden Abendlehrgänge in folgenden Fachrichtungen:
- Technisches Zeichnen
- Polier- und Schachtmeisterkurse (1/2 Jahr)
- Technikerkurse (2 Jahre)
- Ingenieur- und Architektenkurse (4 Jahre)
Als Oberbürgermeister hatte Dr. Werner neben der Humboldt-Universität auch die Technische Hochschule/Technische Universität Charlottenburg wieder eröffnet. An der Technischen Universität erhielt er noch im hohen Alter einen Lehrauftrag für antike Baukunst und den Professorentitel.
     Dr. Arthur Werner starb in Berlin am 27. Juli 1967 im Alter von 90 Jahren. Nach seinem Tode wurde die Schule - zuletzt unter dem Namen »Staatlich anerkannte Private Technische Fachschule von Prof. Dr.-Ing. A. Werner« - von seinem Sohn Dr. Wolf Werner weitergeführt.
     1977 wurde sie geschlossen.
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© Edition Luisenstadt, Berlinische Monatsschrift Heft 3/1996
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