92   Dokumentiert Januar 1996  Nächstes Blatt
Es geschah gestern in Berlin:
Januar 1996

Was gestern noch Schlagzeilen machte, ist heute fast schon wieder in Vergessenheit geraten. Wir dokumentieren Berliner Ereignisse aus der jüngsten Vergangenheit.

     1. 1.
René Kollo ist mit Beginn des neuen Jahres Intendant und Gesellschafter des Metropol-Theaters.
     Das erste Berliner Baby des Jahres 1996 heißt Lisa Juliane Apel.
     Das landeseigene Max-Bürger-Zentrum, eine gemeinnützige GmbH, die in zehn Einrichtungen etwa 400 Krankenhausbetten, 550 Pflegeplätze und 128 Wohnungen für Senioren betreiben wird, nimmt seinen Betrieb auf.
     2. 1.
Um die Schließung von Berliner Kultureinrichtungen zu verhindern, sollen die Eintrittspreise erhöht und neue Gebühren eingeführt werden. Darauf hat sich eine spezielle Arbeitsgruppe von CDU und SPD in Fortsetzung der Koalitionsverhandlungen geeinigt.
     Im Foyer des Berliner Ensembles beginnt die große achttägige Lesung, in der Schauspieler, Regisseure und Dramaturgen des BE und anderer Bühnen aus Werken Heiner Müllers vortragen, um damit des verstorbenen künstlerischen Leiters des Hauses zu gedenken.
     Das traditionsreiche Hotel Berolina hinter dem Kino International an der Karl-Marx-Allee (Mitte) verabschiedet seine letzten Gäste. Am 2. Januar beginnen die Abrißarbeiten, damit auf dem Areal das neue Rathaus für den Bezirk Mitte errichtet werden kann.

     3. 1.
Der Gemeindepfarrer Knut Soppa teilt mit, daß die Berliner Gedächtniskirche, die wegen hoher Heizungskosten geschlossen werden sollte, vorerst geöffnet bleiben kann, da das nötige Geld durch bislang eingegangene Spenden gesichert ist.
     Tragischer Unfall im Zoo: Eine vier Tonnen schwere Elefantendame stolpert und stürzt auf den Tierpfleger Clemens Reckmann. Mehrere Stunden kämpfen Operationsärzte erfolgreich um sein bei dem Unfall zertrümmertes Bein.
     4. 1.
Der Geschäftsführer des Luisenstädtischen Bildungsvereins e. V., Dr. Mende, stellt in einer Pressekonferenz ein vierbändiges Lexikon der aktuellen Namen von Berliner Straßen vor. Darin wurde erstmals die Bedeutung der 9 050 registrierten Straßen erklärt.
     Die bekannte Künstlerin Hildegard Knef bricht in ihrer Hotelsuite bewußtlos zusammen und muß im Martin-Luther-Krankenhaus in Grunewald auf die Intensivstation gebracht werden. Vor anderthalb Wochen feierte sie noch putzmunter ihren 70. Geburtstag.
     Die Schule beginnt planmäßig nach den Weihnachtsferien. Hartnäckig hielten sich Gerüchte, wonach wegen der Grippewelle die Schule ausfallen sollte. Lediglich zwei Weddinger Schulen bleiben wegen Heizungsschäden bis zum 8. Januar geschlossen.
     5. 1.
Im Ergebnis einer Umfrage zum Thema »Ausländerintegration« zieht die Ausländerbeauftragte des Senats, Barbara John, das Fazit, daß Berlin eine weltoffene, ausländerfreundliche Stadt ist, deren Bewohner sich mehrheitlich zu kultureller Vielfalt bekennen.
     Ein Berliner Tourist ist in der Nähe des türkischen Badeortes Marmaris tot aufgefunden worden. Der 52jährige war vor zwei Tagen als vermißt gemeldet worden.
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   93   Dokumentiert Januar 1996  Voriges BlattNächstes Blatt
     6. 1.
Die Wohnungsbaugesellschaft Mitte teilt mit, daß bis Ende 1995 insgesamt 1 215 Wohnungen an Zwischenerwerber verkauft wurden, die sich verpflichteten, die »mieternahe Privatisierung« fortzusetzen und ein Drittel der Wohnungen an die Mieter zu verkaufen.
     Im Ausstellungszentrum unter dem Fernsehturm am Alexanderplatz findet eine zweitägige Rassekatzenausstellung mit ca. 600 Rassekatzen statt. Star der Show war eine neue amerikanische Züchtung - die Snow-Leopardette.
     7. 1.
Ein Spaziergang mit Führung findet durch die Köpenicker Altstadt statt. Er beginnt auf der Schloßinsel, einem der ältesten Siedlungsgebiete des Berliner Raums.
     8. 1.
Berlin und Brandenburg haben fortan eine gemeinsame Verwaltung für die Landesplanung. In der Berliner Straße der Landeshauptstadt Potsdam hat die gemeinsame Behörde Quartier genommen.
     Bär Tilo im Bärenzwinger am Köllnischen Park wird sechs Jahre alt. Er wiegt rund 200 kg und ist 2,10 Meter groß - wenn er auf den Hinterbeinen steht. Um 14 Uhr stieg die Party, zu der alle Berliner herzlich eingeladen waren.
     Eine Spende von Höhe von 1 111 Mark überreicht die 21. Einsatzhundertschaft der Polizei der Berliner Kinder-Krebshilfe. Der Betrag war bei der Versteigerung eines Fußballs mit Autogrammen der deutschen National-Elf zusammengekommen.
     9. 1.
Die Wasserschutzpolizei warnt angesichts des Tauwetters vor dem Betreten der Eisflächen auf Berliner Seen und Flüssen. Das Eis verliere sehr schnell an Tragfähigkeit. Vorsicht ist auch in der Nähe von Kraftwerken angesagt, die warmes Wasser einleiten.
     Die erste Staatliche Europa-Schule Berlins mit der Sprache Türkisch hat an der 22. Grundschule am Fraenkelufer 18 erstmals ihre Pforten geöffnet. Der Vorklassenbetrieb wurde mit einer Gruppe von 16 Kindern aufgenommen.
     10. 1.
Der Bauausschuß des Berliner Abgeordnetenhauses billigt den Bebauungsplan für das 200 Meter südlich vom Schloß Bellevue gelegene Tiergarten-Gelände, wo der ovale Bau für die rund 150 Mitarbeiter der Bundespräsidialamtsverwaltung entstehen soll.
     Die ehemalige SPD-Spitzenkandidatin Ingrid Stahmer hat ihren Anspruch auf das Berliner Bürgermeisteramt angemeldet. »Wenn es erneut zur Großen Koalition kommt, will ich als Nummer eins auf der SPD-Seite in den neuen Senat«, forderte sie.
     11. 1.
Bei den Koalitionsverhandlungen zwischen CDU und SPD in Berlin haben sich beide Parteien darauf geeinigt, für 1999 als Jahr der Länderehe mit Brandenburg einzutreten. Außerdem wurde beschlossen, die Zahl der Stadtbezirke auf 18 zu verringern.
     12. 1.
Für ihr 50jähriges Engagement in der Denkmalpflege ist Charlotte von Mahlsdorf mit dem erstmals vergebenen »Preis des Hellersdorfer Kulturbeirates« geehrt worden. Die Auszeichnung ist mit 4 000 Mark dotiert.
     Die Zahl der Langzeitarbeitslosen ist 1995 in Berlin und Brandenburg um 14 000 auf 110 000 Menschen gesunken. 35 000 Stellen konnten die Arbeitsämter an Frauen und Männer vermitteln, die länger als ein Jahr arbeitslos waren.
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   94   Dokumentiert Januar 1996  Voriges BlattNächstes Blatt
     13. 1.
Tausende Freunde eines edlen Tropfens kommen am Wochenende zur Berliner Weinmesse ins Wilmersdorfer Logenhaus. Mehr als 1 000 verschiedene Weine, Sekte, Sherrys und Grappas aus der ganzen Welt konnten gegen 20 Mark Eintrittsgeld gratis gekostet werden.
     14. 1.
Über die Geschichte des heutigen Charité-Instituts für Gerichtliche Medizin, das vor 110 Jahren als Leichenschauhaus des Königlichen Polizeipräsidiums in Betrieb genommen wurde, spricht Institutsdirektor G. Geserick in der Sonntagsvorlesung.
     Auf dem Zentralfriedhof in Berlin erinnern Zehntausende an die vor 77 Jahren ermordeten Arbeiterführer Karl Liebknecht und Rosa Luxemburg. Bei Auseinandersetzungen zwischen Polizei und linksautonomen Störern wurden 21 Beamte verletzt.
     15. 1.
Die Berliner Polizei startet eine Großaktion gegen Autofahrer, die in der zweiten Reihe parken. 14 Tage lang werden die Ordnungshüter alles tun, um Parksündern ins Gewissen zu reden bzw. sie abzukassieren.
     Auf dem Flughafen Tegel gibt es jetzt etwas bundesweit Einmaliges - ein »Airport Service Center«. Dort werden mehrere Kundendienste gebündelt und den Flugpassagieren angeboten. Das bedeutet Rundumbetreuung bis zum Einsteigen in das Flugzeug.
     16. 1.
Auf dem Dorotheenstädtischen Friedhof (Mitte) wird der Dichter Heiner Müller beigesetzt. Zuvor wurde das Lebenswerk des am 30. Dezember 1995 im Alter von 66 Jahren Verstorbenen auf einer Trauerfeier im Berliner Ensemble gewürdigt.
     Rund 500 Studenten ziehen zum Roten Rathaus, um gegen Kürzungen in den Unis und die BaföG-Zinspläne der Bundesregierung zu protestieren.
     17. 1.
Der Regierende Bürgermeister Eberhard Diepgen überreicht dem Berlin-Repräsentanten des größten deutschen Industriekonzerns, der Daimler-Benz AG, Hans-Peter Keilbach, für sein »herausragendes Engagement« für die Stadt das Bundesverdienstkreuz Erster Klasse.
     Der Traditionskonzern AEG wird nach einem Beschluß des Aufsichtsrates 113 Jahre nach seiner Gründung in Berlin aufgelöst. In Berlin und Brandenburg sind Firmen mit zusammen knapp 2 000 Mitarbeitern betroffen.
     18. 1.
Die Berliner Pastorin Dr. Helga Frisch der Grunewald-Gemeinde ruft in der »Aktion billiges Telefon« zu Protestaktionen gegen die Verteuerungen bei den Ortsgesprächen durch die Telekom auf.
     Am Abend beginnt die Jahrestagung des Deutschen PEN-Zentrums (Ost) zum Thema »Einheit der Kultur - Kultur der Einheit«. Nach wie vor hat der internationale Schriftsteller-Club zwei deutsche Sektionen.
     19. 1.
Die Räume der Gewerkschaft der Polizei (GdP) werden durchsucht und Akten beschlagnahmt. Der Einsatz gilt einer Dienstaffäre der Wachpolizei. Burghard von Walsleben, Landeschef der GdP, erhob schwere Vorwürfe gegen die ermittelnde Staatsanwaltschaft.
     Die Internationale Grüne Woche wird um 13.00 Uhr eröffnet. Auf der 61. Ausstellung für Ernährungswirtschaft, Landwirtschaft und Gartenbau in den Messehallen unter dem Funkturm präsentierten sich 1 326 Aussteller aus 64 Ländern und fünf Kontinenten.
     Das »größte Erotik-Museum Europas« wird im ehemaligen Leineweber-Haus an der Kant-/Ecke Joachimstaler Straße, das für zehn Millionen Mark auf einer Fläche von 1 800 Quadratmetern in drei Etagen umgebaut wurde, eingeweiht.
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   95   Dokumentiert Januar 1996  Voriges BlattNächstes Blatt
     20. 1.
Vom Brandenburger Tor bis zur Siegessäule ziehen rund 2 500 Teilnehmer an einer Protestdemonstration gegen die Telekom-Telefongebührenerhöhung. Zu dieser Kundgebung hatte der Rundfunksender »Spreeradio 105,5« aufgerufen.
     Auf einem weiteren Demonstrationszug forderten vor allem Ältere und Behinderte, die Erhöhung bei Ortsgesprächen wieder rückgängig zu machen.
     21. 1.
Mit einem »Tag der offenen Tür« wird das Nachbarschaftshaus am Ochtumweg 26 (Prenzlauer Berg), eine Einrichtung des Diakonischen Werkes Berlin-Mitte, eröffnet.
     22. 1.
Die Online-Recherche im Datenbestand der Amerika-Gedenk-Bibliothek wird für die Zeit von 6.00 bis 24.00 Uhr den PC-Nutzern ermöglicht, die über Modem, MS DOS und ein Terminalemulationsprogramm verfügen.
     Eberhard Diepgen, CDU-Landesvorsitzender, präsentiert seine Senatoren. Es sind dies: Jörg Schönbohm, Peter Radunski, Beate Hübner, Jürgen Kleemann und Elmar Pieroth.
     Im Alter von 88 Jahren ist der Komponist Eberhard Schmidt, überzeugter Kommunist, in einem Berliner Krankenhaus gestorben. Von ihm stammen eine Operette und rund 260 Lieder.
     24. 1.
Die bekannte und beliebte Schauspielerin Nastassja Kinski feiert ihren 35. Geburtstag.
     Zwei BVG-Mitarbeiter sollen von Baufirmen Schmiergelder oder große Geschenke entgegengenommen haben. Gegen die beiden aus der BVG-Bauabteilung und gegen die Verantwortlichen von 19 Baufirmen ermittelt die Staatsanwaltschaft.
     25. 1.
Das Abgeordnetenhaus wählt mehrheitlich die von Eberhard Diepgen (CDU) vorgeschlagenen zehn Senatoren - je fünf von CDU und SPD.
     Die Schauspiel- und vor allem Opernregisseurin Ruth Berghaus stirbt im Alter von 68 Jahren.
     Das Abgeordnetenhaus wählt Eberhard Diepgen erneut zum Regierenden Bürgermeister. Er erhielt 123 von 203 abgegebenen Stimmen.
     26. 1.
Die erste Ausstellung »Karlshorst zwischen Erinnerung und Nachdenken«, die dem hundertjährigen Ortsteil Karlshorst gewidmet ist, wird im Heimatmuseum Lichtenberg in der Deutschmeisterstraße 4 eröffnet. Museumsleiterin ist Christine Steer.
     Der frühere Chef der DDR-Grenztruppen, Klaus-Dieter Baumgarten, erklärt vor dem Berliner Landgericht, daß die Minenfelder an der innerdeutschen Grenze aus der Sicht der DDR-Generalität das Eindringen von der Westseite verhindern sollten.
     Der Berliner Senator für Wissenschaft, Forschung und Kultur, Peter Radunski (CDU), hat die Wahl Martin Wuttkes zum neuen Intendanten am Berliner Ensemble als einen Generationswechsel in der Berliner Kulturlandschaft gewürdigt.
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   96   Dokumentiert Januar 1996  Voriges BlattArtikelanfang
     27. 1.
Eine Gedenktafel zu Ehren des von den Nationalsozialisten ermordeten jüdischen Arztes Victor Aronstein wird in Hohenschönhausen enthüllt. 1941 war der Arzt deportiert worden. 1945 kam er im Vernichtungslager Auschwitz um.
     Auf der Kunst- und Antiquitäten-Woche »Nostalga« läßt Wertvolles von gestern das Herz des Sammlers höher schlagen; Preise zwischen 100 und 100 000 Mark passen sich jedem Geldbeutel an.
     Bei den Berliner Kohlenhändlern werden die Briketts knapp und teuer. Grund: Die Kohlenmänner haben zu wenig gebunkert, weil sie nicht mit einer langen und strammen Kälte rechneten. Das rächt sich jetzt - für die Kunden.
     28. 1.
Berlin wird sich in absehbarer Zeit nicht wieder um die Austragung Olympischer Spiele bewerben. Das erklärte der Regierende Bürgermeister, Eberhard Diepgen, im »Sportgespräch« des Deutschlandfunks.
     Die 61. Internationale Grüne Woche schließt ihre Pforten. Etwa 475 000 Besucher strömten an zehn Tagen in die Messehallen am Funkturm.
     29. 1.
Der Schauspielerin Katja Riemann wird für ihre Darstellerleistung in der Komödie »Stadtgespräche« anläßlich des Geburtstages des aus Berlin stammenden Regisseurs Ernst Lubitsch der Ernst-Lubitsch-Preis überreicht.
     Tausende Berliner stürzen sich in den Winterschlußverkauf und suchen nach preiswerten Angeboten. Zwei Wochen haben sie dazu Gelegenheit. Die Preise für Bekleidung und andere Waren wurden teilweise bis zu 70 Prozent reduziert.
     Der letzte DDR-Staats- und Parteichef Egon Krenz hat vor dem Berliner Landgericht Angaben zu seiner Person verweigert.
     30. 1.
Vor dem Berliner Landgericht wird der Prozeß gegen den früheren Anstreicher Thomas Rung wegen sechsfachen Mordes eröffnet. Rung wurde ferner Raub mit Todesfolge in einem Fall sowie Vergewaltigung in sechs Fällen zur Last gelegt.
     In drei Jahren soll es nur noch 18 Berliner Bezirke geben. Das haben die beiden Regierungsparteien nach jahrelangem Streit endgültig in ihrem Koalitionspapier festgeschrieben.
     Professor Peter Neuhaus, Chef der Chirurgie im Virchow-Krankenhaus, gibt eine medizinische Sensation bekannt. Dem bekanntesten Leberverpflanzer Deutschlands ist es gelungen, eine funktionsfähige Leber herzustellen.
     31. 1.
Die Humboldt-Universität begeht das 50jährige Jubiläum der Wiedereröffnung der Alma mater nach dem Zweiten Weltkrieg. Die Festrede wurde von Professor Ernst Benda gehalten, der zu den Erstsemestern der Juristischen Fakultät gehörte.
     Der älteste Baum in Hellersdorf wird in den Morgenstunden überraschend gefällt. Die rund 200 Jahre alte Eiche in Kaulsdorf behinderte Bauarbeiten auf einem Privatgrundstück. Bis zuletzt hatten Politiker und Umweltschützer versucht, den Baum zu retten.
     Ein 27jähriger Polizeibeamter wird vor dem Berliner Amtsgericht Tiergarten vom Verdacht der Körperverletzung an vietnamesischen Zigarettenhändlern freigesprochen.
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© Edition Luisenstadt, Berlinische Monatsschrift Heft 3/1996
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