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Sylvia Lais
Repräsentant preußischen Beamtentums

Ehrenbürger Eduard Heinrich von Flottwell (1786-1865)

Im August 1844 beging der Deutsche Zollverein sein zehnjähriges Bestehen. Er nahm dies zum Anlaß, die erste große allgemeine deutsche Gewerbeausstellung in Berlin einzurichten. Unter dem Motto »Ausstellung vaterländischer Gewerbeerzeugnisse« fand sie im Zeughaus Unter den Linden statt. Am 15. August 1844 eröffnete der wenige Monate zuvor zum preußischen Staats- und Finanzminister berufene Eduard Heinrich von Flottwell die Ausstellung. Seine Eröffnungsrede schloß er mit den Worten »Vorwärts mit deutscher Kraft und deutschem Fleiß«, die fortan noch oft als Beschwörungsformel deutschen Gewerbefleißes dienten.
     Die auch von Flottwell beförderte Gewerbeausstellung machte den industriellen Fortschritt in Deutschland eindrucksvoll sichtbar. Über 3 000 Aussteller aus allen Staaten des Deutschen Zollvereins nahmen daran teil.

Allein die Berliner Industrie erbrachte mit fast 700 Ausstellern die Hälfte aller Exponate. Die Wirkung, die von dieser Ausstellung auf die industrielle Entwicklung ausging, war außerordentlich, insbesondere für Berlin. Dies galt, wenn auch nicht nur in positiver Hinsicht, ebenso von der durch Flottwell 1845 erlassenen neuen Allgemeinen Gewerbeordnung. Obgleich gegen die Schaffung neuer gewerblicher Kooperationen und auf die Erhaltung von Zucht und Ordnung der Lohnabhängigen gerichtet - der Aufstand der schlesischen Weber ein Jahr zuvor mag hier nicht ohne Einfluß gewesen sein -, diente sie nicht nur der Verbesserung der Qualität gewerblicher Tätigkeit, sondern erhöhte den Einfluß der Kommunen und damit das Interesse an einer gedeihlichen Entwicklung von Handel und Gewerbe. Dies war nicht ohne Folgen für den wirtschaftlichen Aufschwung und die Verbesserung der Finanzlage der Stadt Berlin. Auch als Oberpräsident der Provinz Brandenburg, deren Verwaltung er ab 1850 leitete, muß Flottwell die Interessen der Stadt Berlin befördert haben.
     Zu seinem 50jährigen Dienstjubiläum am 16. Februar 1856 verliehen ihm die Kommunalbehörden Berlins in Würdigung und dankbarer Anerkennung der besonderen Verdienste, die er für König und Vaterland in allen seinen Ämtern, insbesondere jedoch in der Provinz Brandenburg und um die Stadt Berlin, erworben hatte, das Ehrenbürgerrecht.
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     Flottwell galt seinen Zeitgenossen als einer der hervorragendsten Repräsentanten des preußischen Beamtentums. Er wurde am 23. Juli 1786 in Insterburg geboren und stammte aus einer alten ostpreußischen Familie; sein Vater Johann Friedrich war Justiz-Kommissarius und Kriminaldirektor in Insterburg. Flottwell besuchte das Gymnasium in Tilsit und studierte anschließend in Königsberg Rechtswissenschaft, wo er neben dem juristischen Fachstudium auch Vorlesungen von Kant hörte. Am 16. Februar 1805 begann er beim Oberlandesgericht seiner Heimatstadt als Jurist den Vorbereitungsdienst und wurde 1808 beim Oberlandesgericht in Königsberg Assessor. 1812 erhielt er gleichzeitig das Patent als Regierungsrat und als Oberlandesgerichtsrat. Er entschied sich für das Amt als Regierungsrat bei der Regierung in Gumbinnen, das er Anfang Dezember 1812 antrat.
     Flottwell wurde 1816 Oberpräsidialrat beim Oberpräsidenten von Schön und Geheimer Regierungsrat bei der Regierung in Danzig. 1825 veranlaßte von Schön seine Ernennung zum Regierungspräsidenten in Marienwerder, wo er sich durch seine organisatorische Begabung im Kampf gegen die Hungersnot von 1827 und den Wassernotstand in den Weichselniederungen von 1829 bewährte. In Westpreußen lernte er auch Friedrich Wilhelm III. sowie den Thronfolger kennen und gewann beider Vertrauen.
Nach dem Ausbruch des Novemberaufstandes 1830 in Warschau ernannte ihn der König zum Oberpräsidenten des Großherzogtums Posen, wo er, unterstützt durch Militär, ein Übergreifen des Aufstandes verhindern konnte. Anläßlich der Thronbesteigung König Friedrich Wilhelms IV. am 7. Juni 1840 wurde Flottwell für seine Bemühungen zum Wirklichen Geheimen Rat mit dem Prädikat Excellenz ernannt und mit dem Roten Adler-Orden I. Klasse mit Eichenlaub ausgezeichnet.
     Da Flottwell sich jedoch bei seinen Aktivitäten auf dem Gebiet des Schulwesens immer wieder mit der katholischen Geistlichkeit angelegt hatte, opferte ihn der König - sehr zum Bedauern der Deutschen in Posen -, als er nach seinem Regierungsantritt den Streit des preußischen Staates mit der katholischen Kirche beilegte. Auf seine Dienste als hoher Verwaltungsbeamter wollten der König und die preußische Staatsregierung allerdings nicht verzichten. Im Dezember 1840 wurde er Oberpräsident der Provinz Sachsen. Seine außerordentlichen organisatorischen und menschlichen Fähigkeiten konnte er erneut unter Beweis stellen, als im Mai 1842 Hamburg durch einen verheerenden Brand zu einem Viertel in Schutt und Asche fiel. Flottwell übernahm als Königlicher Kommissarius die Verteilung der aus ganz Deutschland eintreffenden Hilfs- und Versorgungsmittel. Hamburg dankte es ihm noch im gleichen Jahr mit der Verleihung der Ehrenbürgerschaft.
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     Am 3. Mai 1844 wurde er von Friedrich Wilhelm IV. zum Staats- und Finanzminister berufen. Zwei Jahre später trat Flottwell als Minister zurück und übernahm erneut die Verwaltung einer Provinz - am 15. Juli 1846 wurde er Oberpräsident von Westfalen. 1848 entsandte ihn Sachsen in die Deutsche Nationalversammlung nach Frankfurt am Main, wo er eine der staatsmännischen Stützen der äußersten Rechten wurde. Als er im Februar 1849 vom Wahlkreis der Provinz Posen in die Erste Kammer in Berlin gewählt wurde, gab er sein Frankfurter Mandat auf. Bereits ein Jahr darauf entsagte Flottwell jedoch jeglicher weiterer parlamentarischer Tätigkeit und wurde, nachdem er ein Jahr die provisorische Verwaltung des Oberpräsidiums der Provinz Preußen geleitet hatte, am 21. Juli 1850 Oberpräsident der Provinz Brandenburg. Für wenige Monate, vom 7. Oktober 1858 bis 2. Juli 1859, wurde Flottwell, bereits 74jährig, als Innenminister berufen, kehrte jedoch, als ein Nachfolger für ihn gefunden wurde, wieder in das Oberpräsidium der Provinz Brandenburg nach Potsdam zurück. Durch seine Arbeit in Brandenburg hatte sich Flottwell auch das Vertrauen und die Anerkennung der Berliner Bürgerschaft erworben. Im »Adreß-Kalender für die Königl. Haupt- und Residenzstädte Berlin und Potsdam für das Jahr 1851« ist vermerkt, wie man ihn in Berlin erreichen konnte: »Se. Exc. der Herr Ober-Präsident, Geh. Staats-Minister Flottwell, ist jeden Donnerstag in Berlin anwesend, und dann am sichersten um 11 Uhr Vormittags im Lokale des Provinzial-Schul-Kollegiums anzutreffen.« Bei seinem Rücktritt verlieh ihm der Prinzregent das Großkomturkreuz des Hohenzollernordens und bei der Krönung in Königsberg den Schwarzen Adler-Orden, mit dessen Besitz er zugleich den erblichen Adel erhielt. Am 1. Oktober 1862 zog er sich endgültig ins Privatleben zurück.
     Während seines ersten Berlin-Aufenthaltes 1844 bis 1846 wohnte Eduard Heinrich Flottwell Am Festungsgraben 1, während seiner Zeit als Innenminister 1858/59 Unter den Linden 73 und ab 1862 Schöneberger Ufer 14. Er starb am 28. Mai 1865 in Berlin und wurde auf dem Alten Friedhof in Potsdam, Saarmunder Straße, beigesetzt. Nach seinem Tode erhielt am 27. Juli 1865 eine Straße in Berlin-Kreuzberg den Namen Flottwellstraße, den sie auch heute noch trägt.
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© Edition Luisenstadt, Berlinische Monatsschrift Heft 2/1996
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