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Joachim Methlow
Die Schloßfreiheit

Schloßfreiheit hieß der Straßenzug zwischen Schloßbrücke und Schleusenbrücke. Heute trägt er den Namen Schloßplatz. Das Berliner Schloß mit seinem Umland war ein Krongut, das bis 1918 Eigentum des Herrscherhauses war. Zum Krongut gehörten einige Häuser in der Breiten Straße, die Uferstreifen am Kupfergraben zwischen Schleusenbrücke und Hundebrücke, jetzt Schloßbrücke, und entlang des Lustgartens. Auf diesen Grundstücken durften sich höhere Bedienstete wie Kammerherren, Küchen- und Kellermeister Häuser bauen. Dieser Personenkreis war frei von Abgaben und Einquartierungen, und somit hießen diese Häuser Freihäuser. Es gab zwei solcher Freiheiten: die um das Ballhaus, das war der Uferstreifen um den jetzigen Lustgarten, und die Schloßfreiheit. Sie wurde im Jahre 1672 angelegt und an neun Personen vergeben, die mit dem Erwerb der Grundstücke auch die Pflicht übernahmen, das Ufer zu befestigen. Damals hieß der neue Straßenzug Gang am Wasser oder auch Hinter der Wasserkunst.
     Friedrich Nicolai (1733-1811) erwähnt in seinen Beschreibungen der Residenzstadt, daß die Häuser auf der Schloßfreiheit fast alle neu wären und schön gebaut.

Besonders hebt er das ehemalige Devrientsche Palais hervor, es hätte vier Stockwerke. Dieser Gebäudekomplex von neun Grundstücken bestand bis 1892, dann mußte er dem Nationaldenkmal für Kaiser Wilhelm I. weichen. Um 1900 beherrschten zwei Baukörper den Straßenzug. Zum einen das Hauptportal des Stadtschlosses, auch Eosander-Portal nach seinem Baumeister benannt. Es war wie auch das Brandenburger Tor einem antiken Bauwerk nachempfunden, und zwar dem Triumphbogen des Septimius Severus in Rom. Die andere Straßenseite wurde von der in Stein gehauenen und in Bronze gegossenen Wilhelminischen Gigantomanie, dem Nationaldenkmal, beherrscht. (Ich habe diese Anlage als Kind noch unzerstört gesehen. Sie machte auf mich einen erdrückenden Eindruck.)
     1905 zeichnet Hermann Müller-Bohn in einem Kunstführer ein Bild von diesem Monument. Das Reiterdenkmal Kaiser Wilhelms I. wird von einer monumentalen, aus gelblichem Sandstein bestehenden, zum Schloß hin geöffneten Säulenhalle forumartig umgeben, schreibt er. Zwischen dem Denkmal und der Säulenhalle, die sich bis zu 12 Meter über dem Straßenniveau erhebt, dehnt sich ein Festplatz für patriotische Feiern. Die Säulenhalle wurde von zwei Kuppelbauten flankiert, die je eine Quadriga tragen.
     Das Denkmal selbst hatte gigantische Formen. Die Gesamthöhe von Roß und Reiter betrug neun Meter, der Kopf mit Helm einen Meter.
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Die Gesamthöhe des Denkmals betrug 20 Meter. In dem Denkmal waren 1 770 Zentner Bronze verarbeitet. Diese Beschreibung ist ganz im Sinne des Zeitgeschmacks in sehr überschwenglichen Tönen gehalten. Viel distanzierter äußert sich der Kunsthistoriker Max Osborn 1926: »Bei dem Nationaldenkmal für Kaiser Wilhelm I., das auf dem Gelände der von den alten Häusern gesäuberten Schloßfreiheit 1897 enthüllte wurde, imponieren noch immer einige dekorative Nebenelemente wie die prächtigen Löwen an den Ecken des Postaments.« Diese Löwen sind auch die einzigen Teile der Denkmalanlage, die noch erhalten sind. Die Löwengruppen von Gaul und Kraus haben ihren Platz heute im Tierpark Friedrichsfelde am Alfred-Brehm-Haus.
     Ein weiteres Relikt gibt uns Auskunft über die Größe des Denkmals. Es ist der noch erhaltene, in den Kupfergraben hineinragende Sockel. Am 6. Dezember 1949 begann man mit dem Abtragen der Anlage, was über ein Jahr dauerte.

Bildquelle: Postkarte, Archiv BM

Berliner Schloß
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© Edition Luisenstadt, Berlinische Monatsschrift Heft 2/1996
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