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Eberhard Fromm
Wilhelm Weitling - »ein Prophet seines Standes«

Voller Hochachtung und wohl auch mit Staunen schrieb der Philosoph Ludwig Feuerbach (1804-1872), nachdem er 1844 eine Schrift von Weitling gelesen hatte: »Wie war ich überrascht von der Gesinnung und dem Geiste dieses Schneidergesellen! Wahrlich, er ist ein Prophet seines Standes ... Was ist der Troß unsrer akademischen Burschen gegen so einen Burschen ... dieses Schneiderlein ist mehr wert als eine Krone ...«
     Und von Karl Marx (1818-1883) ist jenes Bild von den riesenhaften Kinderschuhen des Proletariats überliefert, das ihm einfiel, als er mit dem Werk Weitlings bekannt wurde: »Vergleicht man die nüchterne, kleinlaute Mittelmäßigkeit der deutschen politischen Literatur mit diesem maßlosen und brillanten literarischen Debut der deutschen Arbeiter; vergleicht man diese riesenhaften Kinderschuhe des Proletariats mit der Zwerghaftigkeit der ausgetretenen politischen Schuhe der deutschen Bourgeoisie, so muß man dem deutschen Aschenbrödel eine Athletengestalt prophezeien.«

     Das sind stolze Worte über einen Schneidergesellen, der nie das Geld besaß, um eine Universität zu besuchen und nie die Muße hatte, beschauliche Studien zu treiben. Sie machen neugierig auf diesen Mann, auch wenn die Zeiten heute nicht günstig sind für einen, der mit Feuereifer und Phantasie für den Kommunismus warb.

Das Leben eines »Propagandisten«

Die Armut war der lebenslange Begleiter von Wilhelm Christian Weitling, der am 6. Oktober 1808 in Magdeburg im damaligen Königreich Westfalen geboren wurde. Seine Mutter, eine Köchin, setzte alles daran, um ihm die Mittelschule zu ermöglichen; das fiel ihr sicher nicht leicht, war doch Wilhelms Vater, ein französischer Offizier, seit Napoleons Rußlandfeldzug verschollen. Nach der Schulzeit und der Lehre als Damenschneider ging der junge Geselle auf Wanderschaft, vor allem, um dem preußischen Militärdienst zu entgehen. Braunschweig und Frankfurt am Main, Hamburg, Leipzig und Dresden waren Stationen in Deutschland. 1834 arbeitete er für einige Zeit in Wien, bevor er für mehrere Jahre nach Paris kam. Hier nahm er Kontakt zu Geheimbünden auf, die in der Seinestadt von französischen und deutschen Handwerksgesellen und Arbeitern gegründet worden waren.

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Im »Bund der Geächteten« und ab 1836 im »Bund der Gerechten« wirkte er immer intensiver, machte sich mit den verschiedenen sozialistischen und kommunistischen Ideen bekannt und verfaßte 1838 für den Bund eine programmatische Schrift "Die Menschheit, wie sie ist und wie sie sein sollte".
     In diesem Erstlingswerk sind die Vorbilder Charles Fourier (1772-1837) und Pierre Joseph Proudhon (1809-1865), Louis Blaue (1811-1882) und Louis Blanqui (1805-1881) noch deutlich erkennbar. Auf der einen Seite stehen die scharfe Kritik der bestehenden Verhältnisse sowie der Aufruf zur radikalen Veränderung; auf der anderen Seite wird das Ziel eines großen "Familienbundes der Menschheit" verkündet. Weitling versteht sich von nun an bis zu seinem Ende als ein Propagandist, dessen Pflicht es sei, den Menschen den Weg zu zeigen, der zum Ziel führt. Er will als Aufklärer wirken, "damit nach Umsturz der alten Verfassungen das Volk sich geschwind in der neuen Ordnung der Gesellschaft zurechtfinden kann und nicht in Anarchie versinke oder einigen anderen Tyrannen in die Hände falle", schreibt er in "Die Menschheit, wie sie ist und wie sie sein sollte", womit er seinen ganzen weiteren Lebensweg markiert.
     In der Schweiz, wo Wilhelm Weitling im Auftrag des Bundes seit 1840 lebte und wirkte, entfaltete er nicht nur eine große Aktivität für den Bund, sondern profilierte sieh auch zum bedeutendsten Vordenker kommunistischer Ideen in dieser Zeit. So gelang es ihm, in den verschiedenen Schweizer Kantonen 13 Vereine mit etwa 750 Mitgliedern zu gründen.
Zugleich gab er eine eigene Zeitschrift - "Der Hülferuf der deutschen Jugend", später "Die junge Generation" - heraus und arbeitete an dem Buch "Garantien der Harmonie und Freiheit", das 1842 erschien und sein wohl bedeutendstes Werk darstellt. Dabei mußte er ständig mit wirtschaftlichen Schwierigkeiten kämpfen und war Verfolgungen durch die Schweizer Behörden ausgesetzt. Weder in Genf noch in Bern, weder in Vivis im Kanton Waadt noch in Lausanne konnte er für längere Zeit bleiben. Sein Lebensstil war ärmlich - aber er erlebte gerade in diesen Schweizer Jahren seine größten Erfolge. Seine Zeitschrift mit einer anfänglichen Auflage von 1000 Exemplaren mußte heimlich über die Grenzen gebracht werden und fand doch den Weg bis nach Berlin, wo man sie in der Konditorei von Stehely am Gendarmenmarkt lesen konnte. Das Buch "Garantien der Harmonie und Freiheit" erschien in 2 000 Exemplaren und ließ ihn zu einer der bekanntesten Persönlichkeiten in der kommunistischen Bewegung dieser Jahre werden.
     Wilhelm Weitling war weiterhin auf der Suche nach Wegen, auf denen die kommunistischen Ideen massenhaft wirksam werden konnten. Dabei entwickelte er den Plan, über eine kritische Sichtung des Glaubens an gläubige Menschen heranzukommen, und schrieb "Das Evangelium des armen Sünders", von dem er später - in seiner autobiographischen Schrift »Gerechtigkeit - ein Studium in 500 Tagen« - sagte:
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»Mein >Evangelium der armen Sünder< hielt ich für eines der geeignetsten Mittel, durch seine Verbreitung die Führer der heuchlerisch-pfäffischen Aristokratenpartei zu entlarven und dem Rest die Augen zu öffnen. Es hatte den Zweck, da überall am Glauben festhalten zu machen, wo er das geistige und materielle Interesse des Nächsten nicht gefährdet, und jede Ausbeutung desselben zum ausschließlichen Vorteil einiger zu vereiteln.«
     Noch bevor dieses Buch erschien, wurde Weitling in Zürich wegen Gotteslästerung angezeigt, am 8. Juni 1843 verhaftet und im Herbst 1843 zu zehn Monaten Haft sowie Ausweisung aus der Schweiz verurteilt. Über diese Zeit der Haft berichtete Weitling später in der autobiographischen Arbeit »Gerechtigkeit - ein Studium in 500 Tagen«; allerdings fand sie zu seinen Lebzeiten keinen Verleger und erschien erst 1929.
     Der Prozeß gegen Weitling wurde in ganz Europa verfolgt; der von dem Schweizer Staatsrat Bluntschli verfaßte Bericht »Die Kommunisten in der Schweiz nach den bei Weitling vorgefundenen Papieren« verfehlt nicht nur sein Ziel der Abwehr kommunistischer Ideen, sondern wirkt umgekehrt geradezu als eine legale Werbeschrift.
     Für Wilhelm Weitling bedeutete die Haft nicht nur eine Schwächung seiner Physis; er wird in Zukunft ein anderer sein als vorher: mißtrauisch, unkritisch, mit einem übersteigerten Sendungsbewußtsein.
1844 nach Preußen abgeschoben, waren die Behörden daran interessiert, ihn schnell wieder loszuwerden: Sie drängten ihn zur Übersiedlung nach Amerika. Doch Weitling konnte im August 1844 in London von Bord des Schiffes gehen und sich der dortigen Arbeiterbewegung anschließen. Hier mußte er erleben, daß er nur einer unter vielen »Propagandisten« war, daß man ihn zwar ehrte, aber nicht unbesehen akzeptierte. 1846 wechselte er nach Brüssel über, wo er mit Marx zusammentraf. Im März kam es zwischen beiden zu einer prinzipiellen Auseinandersetzung und schließlich zum Bruch. Weitling übersiedelte endgültig nach Amerika, wo er sich darum bemühte, einen festen Platz in der jungen Arbeiterbewegung einzunehmen. Nur einmal noch, anläßlich der revolutionären Auseinandersetzungen 1848, kam er nach Europa zurück, vertrat New York auf dem Berliner Demokratenkongreß und versuchte, mit dem »Urwähler« eine Zeitschrift in der preußischen Hauptstadt zu begründen, was ihm jedoch nicht gelang. Im November aus Berlin ausgewiesen, hielt er sich noch einige Zeit in Hamburg auf, bevor er 1849 für immer nach Amerika zurückkehrte. Mitte der 50er Jahre zog er sich aus der politischen Bewegung zurück und widmete sich Arbeiten zur Logik und zur Astronomie, die allerdings von keinerlei Bedeutung sind. Er heiratete und hatte bis zuletzt mit Armut zu kämpfen. Am 25. Januar 1871 starb er in New York.
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»Begründer des deutschen Kommunismus«

Daß Friedrich Engels (1820-1895) Wilhelm Weitling als den Begründer des deutschen Kommunismus ansah, zeugt von der Hochachtung vor den Leistungen des Magdeburger Schneidergesellen am Beginn einer Entwicklung, die sich dann in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts so rasant vollziehen sollte. Tatsächlich war Weitling sowohl ein wirkungsvoller und erfolgreicher Organisator von Arbeitervereinen als auch ein Propagandist von Ideen, die er selbst formuliert und in ein überzeugendes System gebracht hatte. Vor allem mit seinem wohl wichtigsten Werk »Garantien der Harmonie und Freiheit" gab er den unzufriedenen Handwerkergesellen und Arbeitern Antworten auf ihre Fragen nach den Verhältnissen, in denen sie lebten, nach den Ursachen ihres Elends und nach den Wegen ihrer Befreiung. Daß dabei gerade die Wege und Ziele utopischen Charakter besaßen, ändert nichts an der Bedeutsamkeit und Wirksamkeit dieser Ideen in ihrer Zeit. Weitling steht in der Tradition der Aufklärung: eine schonungslose Kritik der gesellschaftlichen Verhältnisse wird mit Vorstellungen verbunden, die Welt auf der Grundlage von Vernunft so zu verändern, daß sie harmonisch und frei existiert.
     In seiner kritischen Analyse geht er davon aus, daß alle Entwicklung abhängt von den Trieben und Begierden der Menschen:

»Die Begierden zu erwerben, zu genießen und zu wissen sind allen Menschen gemein und entspringen eine aus der andern; denn der Mensch kann nichts genießen, was er nicht schon hat, und nichts haben, ohne zu wissen, wo und wie er es bekommt; sonach ist die Begierde des Wissens die Haupttriebfeder des gesellschaftlichen Organismus, durch welche alle übrigen geleitet werden«, heißt es in seinem Hauptwerk. Die wichtigste Aufgabe der Gesellschaft sei es, die Begierden und die Fähigkeiten der Menschen in Einklang zu bringen. Diese Harmonie sei jedoch durch das System der Ausbeutung gestört. Von daher entwickelt Weitling seine Kritik am Eigentum als der Ursache allen Übels und an der Ausbeutung. Auch der Parlamentarismus und die Demokratie werden kritisch betrachtet, denn er erhofft sich »weder vom bloßen Namen Republik noch von der sogenannten Volksherrschaft und der Wahlfreiheit eine Änderung unserer Lage. Im Geldsystem, da liegt der Knoten, da steckt die Wurzel des Übels.« Nacheinander werden Staat und Recht, Moral und Religion einer kritischen Betrachtung unterzogen, um dann auf die Wege zur Veränderung zu kommen: den Klassenkampf, die Revolution: »Eine Revolution tut uns not. Ob diese nun durch die reine geistige Gewalt allein ausgekämpft werden wird oder ob sich die rohe physische dazugesellen wird, das müssen wir erwarten und jedenfalls auf beide Fälle uns vorbereiten.«
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Nach der Revolution und einer Übergangszeit wird dann die kommunistische Gesellschaft als Ziel beschrieben, wobei von einer Fortschrittsidee ausgegangen wird, die voller Optimismus als eine Art Grundgesetz aller Entwicklung angesehen wird. »Nie, solange die Welt steht, wird eine Organisation der Gesellschaft von allen Generationen und Individuen als unabänderlich gut und vollkommen angesehen werden, so wenig als jede der verschiedenen Erfindungen in Gewerbe, Künste und Wissenschaften. Das höchste Ideal der Vollkommenheit wird die Menschheit nie erreichen, sonst müßte man einen Stillstand des geistigen Fortschritts derselben annehmen ... Wer für den Fortschritt ist, darf keine Lehre für vollkommen halten; wenn er keine vollkommenere kennt, so ist das kein Grund, die Möglichkeit einer vollkommeneren zu bezweifeln.«
     Dieser Erkenntnisoptimismus wendet sich gegen jede Dogmatik, allerdings auch gegen jene messianischen Sendungsideen, die man beim späten Weitling immer wieder findet. Mit diesem Optimismus hat er an die Verwirklichung seiner Ziele geglaubt. Allerdings plagte ihn die trübe Ahnung, wie er in der Arbeit »Gerechtigkeit - ein Studium in 500 Tagen« andeutete, daß er »keinen anderen Betrug mehr möglich halte, als einen im Namen des Kommunismus verübten, und nichts mehr fürchte, als daß sich ein Eroberer, ein Louis Napoleon oder dergleichen, zum Diktator aufwirft, das Prinzip des Kommunismus benutzt, Erbschaft und Eigentum aufhebt, aber die Ungleichheit der Verhältnisse teilweise bestehen läßt«.
Der wegen seiner utopische Ziele oft gescholtene Denker hatte hier eine reale Entwicklung im Blick, die ein Jahrhundert später die kommunistischen Ideale in ihr Gegenteil verkehrte.

Denkanstöße:

Auch wir wollen eine Stimme haben in den öffentlichen Beratungen über das Wohl und Wehe der Menschheit; denn wir, das Volk in Blusen, Jacken, Kitteln und Kappen, wir sind die zahlreichsten, nützlichsten und kräftigsten Menschen auf Gottes weiter Erde. Auch wir wollen eine Stimme erheben für unser und der Menschheit Wohl: damit man sich überzeuge, daß wir recht gute Kenntnis von unseren Interessen haben und, ohne von lateinischen, griechischen und kunstgemäßen Ausdrücken aufgeschwollen zu sein, recht gut, und zwar auf gut deutsch zu sagen wissen, wo uns der Schuh drückt und wo Bartel Most holt.
     Seit Menschengedenken verfochten immer Andere unsere oder vielmehr ihre Interessen, darum ist es doch wahrlich bald Zeit, daß wir einmal mündig und dieser gehässigen langweiligen Vormundschaft los werden. Wie kann jemand, der unser Wohl und Wehe nicht teilt, sich einen Begriff davon machen; und ohne diesen Begriff, diese praktische Erfahrung, wie ist er imstande, Verbesserungen in unserem physischen und moralischen Zustande vorzuschlagen und einzuführen? Selbst wenn er es aufrichtig wollte, könnte er es nicht, denn nur Erfahrung macht klug und weise.

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Wer die Lage des Arbeiters richtig beurteilen will, muß selber Arbeiter sein, sonst kann er keinen Begriff haben von den Mühen, die damit verbunden sind.
     Aus: Der Hülferuf der deutschen Jugend, Nr. I, 1841, S. 3 f.

Was ist das Geld?

Man sagt, das Geld komme nicht recht unter die Leute. Das ist nicht wahr. Die rechten Leute kommen nicht unter's Geld.
     Wer hat das Geld? Die reichen Leute! Das ist das Unglück, wenn einmal die armen Leute das Geld hätten, dann würde man erst sehen, was so ein reicher Kauz für ein armer Teufel ist. Es ist keine Kunst reich zu sein, wenn man viel Geld hat, und es ist kein Verdienst arm zu sein, wenn man kein Geld hat.
     Was ist das Geld? Geld ist derjenige Klumpen, den unser Herrgott ganz unbedeutenden Menschen anhängt, damit sie in seiner Schöpfung nicht ganz verloren gehen, so wie ein guter Wirt an einen gewissen Schlüssel eine schwere Kugel hängt.
     Was ist das Geld? Geld ist ein metallner Stiefelabsatz für kleine Leute, damit man glaube, sie wären auch so groß wie Andere.
     Was ist das Geld? Geld ist eine Entschädigung, die Gott einer Anzahl Menschen unter der Bedingung gegeben hat, daß sie sich ja nicht unterstehen, von den Erdengütern Verstand und Geist etwas an sich zu bringen.

     Was ist Geld? Geld sind gold'ne Thränen, die das Schicksal an den Hals eines Kerls weint, der kein Herz im Busen trägt ...
     Was aber ist kein Geld? Kein Geld ist ein Ding, von dem alle leeren Taschen voll sind und welches jeder Mensch, der nichts in der Hand hat, mit den Fingern greifen kann ...
     Kein Geld ist eine mit sympathetischer Tinte geschriebene Anweisung auf das Himmelreich, die kein Mensch hier lesen kann, bis man den Sand vom Grab auf sie streut.
     Aus: Die junge Generation, Nr. 4, 1842, S. 61

Freiheit ist die Fähigkeit, alles tun zu können, was man will. Einen ausgedehnteren Begriff menschlicher Freiheiten gibt es nicht, und auch keinen bestimmteren, denn er bezeichnet schon die natürlichen Grenzen dieser Freiheiten, nämlich die Fähigkeiten. Das Wollen ist der Ausdruck der Begierden des Menschen, das Können der seiner Fähigkeiten, und das Tun ist der Akt der Handlung beider. Je größer also die Harmonie der Begierden und Fähigkeiten des einzelnen ist, um so größer ist auch seine persönliche Freiheit, und je größer die Harmonie der Begierden und Fähigkeiten aller ist, desto möglicher und größer ist auch die Harmonie der Begierden und Fähigkeiten und folglich auch die Freiheit eines jeden.
     Es gibt Betrüger, die euch vorschwatzen, ihr braucht vor allem der geistigen Freiheit, nach dieser der materiellen Verbesserung eurer Lage.

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Hört nicht auf solche elende, verächtliche Lügenapostel; ihr verlangt von ihnen Brot, sie geben euch einen Stein. Sucht eine Verbesserung eurer Lebenslage auf jede Weise, wo und wie euch das möglich ist, und handelt, sooft ihr zum Handeln die Gelegenheit habt. Freiheit in Wort und Schrift, Freiheit der Gewerbe, des Handels, der Meinungen ..., die gewährt uns das Geldsystem nach erlittener Schlappe mit Freuden, weil es hofft, uns durch diese Gaukelspiele über unser wahres Interesse zu täuschen. Die Freiheit aller müßt ihr verlangen, die Freiheit aller ohne Ausnahme! - Diese aber ist nur mittels der Aufhebung des Eigentums- und Erbrechts, mittels der Abschaffung des Geldes und der Wiedereinführung der Gemeinschaft aller Erdengüter möglich.
     Aus: Garantien der Harmonie und Freiheit. Berlin 1955, S. 166 und S. 233 f.

Manche, die sich auch Kommunisten nennen, beeifern sich den Leuten weiszumachen, die deutsche Philosophie habe den Kommunismus ausgebildet; dazu gehört ein wenig viel Unverschämtheit. Die deutsche Philosophie hat nichts ausgebildet als deutsche Begriffsverwirrung. Die deutsche Philosophie ist gerade die Quintessenz des deutschen Unsinns ...

     Ich habe drin nichts finden und lernen können; die Geduld habe ich aber manchmal bewundert, die dazu gehört, eine so große Menge Fremdwörter auswendig zu lernen, und die Geschicklichkeit, mit diesen Wörtern so vielen künstlichen Unsinn in metaphysischen Nebelbildern aufzustellen, so viele Taschenspielerfaxen mit Fremdwörtern und Abstraktionen zu machen. Dahinein haben sie allen gesunden Menschenverstand, der Effekt machte, zu umnebeln gesucht und wollen nun auch noch den Kommunismus hineinnebeln; darum ereifere ich mich so und bin überzeugt, wenn dem nicht kräftig entgegengewirkt wird, so machen diese gelehrten Füchse und Esel der deutschen Philosophie das Volk mit ihrem Nebelkommunismus noch so verwirrt, als sie es selbst schon sind, und verdrehen den Begriff Kommunismus am Ende noch ebenso, als man den des Christentums und der christlichen Liebe verdreht hat.
     Aus: Das Evangelium des armen Sünders. Leipzig 1967, S. 189 f.
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© Edition Luisenstadt, Berlinische Monatsschrift Heft 1/1996
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