58   Berlin im Detail Bärenzwinger  Nächstes Blatt
Frank Eberhardt
Der Bärenzwinger am Köllnischen Park

Im Jahre 1994 erregten sie die ganze Stadt: die Wappentiere Berlins, die Bären am Köllnischen Park. Ungeplanter Nachwuchs hatte sich in den Wirren der Nachwendezeit eingestellt. Wohin mit den fünf kleinen Bären? Nach vielen Anfragen in aller Welt kam positive Antwort aus Buenos Aires und Santander (Spanien).
     Ein kleines Haus, umgeben von zwei halbkreisförmigen Plateaus mit Steinen und Baumstamm zum Klettern - das ist der Bärenzwinger am Köllnischen Park, neben dem Märkischen Museum in einer schönen Grünanlage gelegen.
     Doch wie kam Berlin zu seinen Wappentieren?
     Ursprünglich hatte Berlin nur den brandenburgischen Adler vor einer von Türmen flankierten Burg im Siegel. Doch bereits das zweite Stadtsiegel aus dem Jahre 1280 enthielt Bären: An beiden Seiten des Adlerschildes unter einem Ritterhelm stand jeweils ein Bär. Sie wandten dem Adler zwar den Rücken zu, doch die Köpfe waren zu ihm gewandt. So beobachteten sie ihn genau und hatten die Tatzen abwehrend erhoben.

Einhundert Jahre später mußte der Bär auf allen vier Pfoten laufen und bekam ein Halsband angelegt, das er über 500 Jahre tragen mußte, er war gezähmt worden. Erst am 1. Oktober 1875 streifte der Berliner Bär dieses Zeichen der Unterwerfung ab und verwandelte sich wieder in einen wilden Bären, der die Vordertatzen mit ausgespreizten Krallen erhoben hat, das Maul mit kräftigen Zähnen weit aufsperrt und die Zunge lang herausstreckt, »zum Grimme geschickt«, wie die Heraldiker sagen.
     Im Gegensatz zu Bern, das immer »reichsunmittelbar« und keinem Landesfürsten untertan war, hatten die Berliner keinen Bärengraben, in dem einige lebendige Exemplare ihres Wappentieres auf Kosten der Stadt gehalten wurden. Die Berliner hatten ihr Wappentier unter vielen anderen im Zoo versteckt. Das blieb auch nach dem Wegfall des Halsbandes vorläufig so. Doch einen Tag nach dem festlichen Abschluß der 700-Jahr-Feier Berlins im Jahre 1937 druckte die »BZ am Mittag« einen offenen Brief an den Oberbürgermeister ab. Er enthielt den Vorschlag eines Lesers, einen Bärenzwinger für das Berliner Wappentier einzurichten. Dieser Vorschlag fand bei der Bevölkerung sofort ein großes Echo. Auch der damalige Oberbürgermeister setzte sich dafür ein. Die Bären sollten aus der Stadt Bern kommen. Lange dauerte die Suche nach einem passenden Platz für den Zwinger.
BlattanfangNächstes Blatt

   59   Berlin im Detail Bärenzwinger  Voriges BlattNächstes Blatt
Als er dann im Köllnischen Park gefunden worden war, begann die Planung für den Bau des Zwingers. Oberbaurat Mittmann vom Hochbauamt der Stadt Berlin entwarf eine ovale Anlage, um die sich ein etwa vier Meter breiter und über drei Meter tiefer Graben zieht, der im Sommer mit Wasser gefüllt ist. In der Mitte befindet sich ein massiver Backsteinbau, der schon 1926 als Stützpunkt für die Stadtgärtner errichtet worden war und sich gut der Umgebung anpaßt. Über seiner Tür leuchtet das Stadtwappen Berlins, eben der Bär. Es wurde von dem Bildhauer Isenbeck geschaffen und sticht in seinem hellen Weiß wirkungsvoll von den roten Steinen ab (im Augenblick wegen der Überwucherung mit Efeu kaum zu erkennen). Im Inneren, vom Publikum nicht zu sehen, umgeben drei Käfige einen Oberlichthof. Zu beiden Seiten des Zwingergebäudes ermöglichen tiefe Spitzbogen-Nischen einen Rückzug der Bären, wenn die Sonne zu heiß brennt. Vor den Nischen befinden sich die beiden halbkreisförmigen Ausläufe. Die Bauarbeiten an der Anlage wurden im August 1939 abgeschlossen.
     Zuerst verhinderte eine Maul- und Klauenseuche die Übergabe der Bären. Nach deren Abklingen waren die ursprünglich für Berlin bestimmten Bären für eine Umsiedlung zu groß geworden.
Doch die Bären in Bern sorgten für Nachwuchs, und so konnten endlich ein männlicher Bär namens Urs und eine Bärin namens Vreni Berlin übergeben werden.


Bärenzwinger am Köllnischen Park

BlattanfangNächstes Blatt

   60   Berlin im Detail Bärenzwinger  Voriges BlattNächstes Blatt
Zuvor jedoch mußte der Gemeinderat der Stadt Bern ganz formell den Beschluß fassen, die beiden »Mutze« aus dem historischen Berner Bärengraben auszubürgern. Die eigens dafür ausgefertigte Urkunde der Stadt Bern für die Übergabe stammt vom 14. August 1939.
     Am Montag, dem 14. August 1939, meldete die »BZ am Mittag«: „Im Einvernehmen mit Stadtpräsident Dr. Lippert (der damalige Oberbürgermeister, d. V.): Nun Preisausschreiben der B.Z. für die Bären-Namen.
     Im Laufe des heutigen Tages findet in der schönen schweizerischen Bundeshauptstadt die feierliche Übergabe der beiden anläßlich der 700-Jahr-Feier der Reichshauptstadt gestifteten Bären aus dem weltberühmten Berner Bären-Graben an Stadtrat Engel und Obermagistratsrat Dr. Papproth statt, die seit gestern als die offiziellen Vertreter der Berliner Stadtverwaltung in Bern weilen. Die Berner selbst haben inzwischen, wie aus einem Bericht unseres Sonderberichterstatters C. M. Schmidt hervorgeht, von den beiden kleinen Mutzen Abschied genommen, die am Donnerstag in Berlin eintreffen, um hier ihren Einzug in den für sie bestimmten Bären-Zwinger zu halten.
     Die >BZ am Mittag< ... freut sich, daß zu ihrem, der Stadt Berlin zuerst geschenkten Bären, dem >BZ-Bären<, drei weitere lebende Wappentiere gekommen sind: die beiden Mutze aus Bern und der kleine Meister Petz aus unserem Berliner Zoo, der ja eine Schwester des >BZ-Bären< ist.
Alle vier werden nun die erste Bären-Familie der Stadt Berlin bilden.«
     Am 17. August 1939 erfolgte die Einweihung des Berliner Bären-Zwingers. Die vorgesehene Namensgebung dagegen konnte nicht stattfinden, da am 1. September 1939 Deutschland den Zweiten Weltkrieg begonnen hatte.
     Während des Krieges war die Haltung der Bären problematisch. Zuerst kam ein fünfter Bär hinzu. Er war 1940 von der Stadt Berlin einer Fliegerstaffel geschenkt worden, die den Bären im Schilde führte. Doch der Bär wuchs und wurde zu groß, und so mußte die Stadt Berlin ihn wieder übernehmen.
     Kriegskost für die Tiere waren selbstangebaute Kartoffeln und Runkelrüben vom Alexanderplatz und aus Rudow. Auch Pferdefleisch »ohne Knochen« wurde bei der Kartenstelle beantragt. Wegen der zunehmenden Luftangriffe waren beide Wärter mit Gewehren und Spezialmunition ausgerüstet, falls trotz aller Vorkehrungen ein Tier ausbrechen sollte. Allerdings, so wird berichtet, waren die Bären bei Flakfeuer eher unruhig und unsicher, kletterten auf den Baum, um nach ihrem Wärter Ausschau zu halten, und drängten, kaum daß sie ihn sahen, durch die Tür ins Innere ihres Hauses. 1943 sollten die Bären wegen Gefahren für das Publikum bei Bombenangriffen abgeschafft werden. Der Zoo wollte jedoch nur ein Exemplar übernehmen, und irgendwie verlief die Angelegenheit im Sande.
BlattanfangNächstes Blatt

   61   Berlin im Detail Bärenzwinger  Voriges BlattArtikelanfang
Seit 1943 gehörte der Bärenzwinger zum Gartenamt Mitte. Dessen Leiter Martin taufte damals die Bären auf Altberliner Namen. Diese Tradition hat sich bis heute erhalten.
     Bis heute nicht eindeutig geklärt ist das Schicksal dieser ersten Berliner Wappentiere. Die Bombenangriffe im Februar 1945 soll ein Bär überlebt haben. Sein Verbleib ist unklar. Sollte jemand näheres über diese Zeit wissen, wäre der Verfasser über eine Information dankbar.
     Einige Jahre stand der Zwinger leer. Die Menschen hatten andere Sorgen. Am 10. November 1949 schrieb der Lokalreporter »Bärchen« in der »Berliner Zeitung«: »Vor vielen Jahren war das Bärenhäuschen am Köllnischen Park von einigen hübschen Braunbären bewohnt, den leibhaftigen Symbolen des Berliner Stadtwappens. Bärchen weiß noch genau, daß die Bären unter den Kindern viele Freunde hatten und daß auch große Berliner so manche Stunde vor dem hübsch angelegten Zwinger zubrachten und dem munteren Spiel der Tiere zusahen ... Das Jahr 1945 machte dann dem Idyll ein Ende. Die Tiere sollen bei einem Luftangriff umgekommen und das letzte erschossen worden sein.« Weiter heißt es: » ... es sei doch eigentlich schade, daß der Käfig leersteht ... Gewiß würden sich alle freuen, wenn im Bärenzwinger am Köllnischen Park wieder ein munteres Bärenpärchen seine Possen trieb. Was meinen die Berliner dazu?«
     Wie zu erwarten, war die Reaktion der Berliner sehr groß. Am 30. November 1949 meldete die »Berliner Zeitung«: »Jubel am Bärenzwinger im Köllnischen Park.« Der Verlag der »Berliner Zeitung« hatte dem Magistrat ein Bärenpärchen zum Geschenk gemacht. Auch diese Bären stammten aus dem Zwinger der Stadt Bern und kamen über Ulm und einen kurzen Zwischenaufenthalt im Leipziger Zoo nach Berlin. Und wieder mußten die Bären einen Namen bekommen. Auch diesmal gab es ein Preisausschreiben aber nur Kinder durften daran teilnehmen. Die Entscheidung fiel für »Nante« und »Jette«. Und damit hatte man dieselben Name ausgewählt, mit denen die Berliner fast 40 Jahre früher schon die von Kurfürst Joachim II. in einem Bärengraben vor der Westseite des Schlosses für die Hatz gehaltenen Bären bezeichneten.
     Die Bären erfreuen sich einer ungebrochenen Anhänglichkeit der Berliner Nur zu einer richtigen Familie wird es nicht wieder kommen. Bärenvater Tilo wurde seiner Männlichkeit beraubt.
     Übrigens - den drei kleinen Bären im Zoo von Buenos Aires und den beiden anderen im Naturpark von Santander geht es gut, wie die Pflegerinnen Brigitte Kutzner und Marlies Gnad berichten. Es gibt heute noch Kontakt zu beiden Einrichtungen.

Bildquelle: LBV, Foto: A.Simon

BlattanfangArtikelanfang

© Edition Luisenstadt, Berlinische Monatsschrift Heft 1/1996
www.berlinische-monatsschrift.de