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Hans-Jürgen Mende
Die vorerst letzte Ausgabe

Mit dem vorliegenden Heft der »Berlinischen Monatsschrift« schließen wir unsere kleine Rückschau auf das 20. Jahrhundert ab. Es ist zugleich die vorerst letzte Printausgabe einer Zeitschrift, die ihre Existenz den Folgen der friedlichen Revolution in der DDR zu verdanken hat.
     Um es vorwegzunehmen: Dass unsere Zeitschrift sich bis zum Beginn des 3. Jahrtausends als ein kleiner Farbtupfer in der Berliner Medienlandschaft halten konnte, haben sich die Gründer, Herausgeber, Autoren und Redakteure höchstens im Traum vorgestellt. Dies war für alle Beteiligten ein Glücksfall. Das Bedauern der meisten unserer treuen Leser darüber, dass mit der »Berlinischen Monatsschrift« die einzige berlinhistorische Zeitschrift unserer Stadt vorerst nicht mehr erscheinen wird, tröstet uns ein wenig darüber hinweg, gibt uns Hoffnung auf ein Wunder.
     Die »Berlinische Monatsschrift« ist vom Luisenstädtischer Bildungsverein ins Leben gerufen worden. Sowohl der Name des Vereins als auch der der Zeitschrift war nicht zufällig gewählt, sondern Programm. Der Berliner Stadtteil Luisenstadt, der 1920 in Kreuzberg

und Mitte aufging, hatte sich über Jahrhunderte zu einem Quartier der Toleranz, des Liberalismus und der Integrationskraft, zu einer Stätte der praktizierten Aufklärung entwickelt. Als die Mauer durchlässig wurde und schließlich fiel, waren es Ost- und Westberliner Bürger der ehemaligen Luisenstadt, die die ersten Initiativen zum Zusammenwachsen der Stadt auslösten und so Beispiele für die Beförderung des Einigungsprozesses setzten.
     Diesen Werten und Tugenden fühlt sich der Verein verpflichtet. Gelegenheit, diese zu pflegen und zu verbreiten, ergaben sich, als der Verein 1991 zum Träger einer Reihe von Förderprojekten wurde, in denen vor allem abgewickelte Geisteswissenschaftler, Journalisten, Ingenieure und Naturwissenschaftler tätig waren.
     Ziel dieser Projekte war es, weiße Flecken in der Berliner Geschichte färben zu helfen. Davon gab und gibt es infolge der wechselvollen und widersprüchlichen Entwicklung der deutschen Hauptstadt genug. Für die Beteiligten war es zugleich eine Herausforderung, sich kritisch mit der eigenen Geschichte auseinander zusetzen und konstruktiv am Einigungsprozess mitzuwirken.
     Sollte die Arbeit nicht zu bloßer Beschäftigungstherapie herabsinken und die dabei gewonnenen Erkenntnisse, Einsichten und Analysen nicht im Papierkorb landen, mussten diese öffentlich werden, sich in der Öffentlichkeit reiben.
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Im April 1992 erschien das Heft 1 der vom Luisenstädtischen Bildungsverein begründeten »Berlinischen Monatsschrift«

Anfangs dienten hierzu vor allem Kolloquien und Veranstaltungen verschiedenster Art zu berlinspezifischen Themen der Geschichte der Stadt und zum deutsch-deutschen Einigungsprozess. Bald stellte sich jedoch heraus, dass eine Zeitschrift die geeignete Form sein könnte,

Zwischenergebnisse der Forschungsarbeit zur Diskussion zu stellen, aber auch auf unterhaltsame Art auf Berlin und seine Geschichte neugierig zu machen.
     Ein Blick auf die Berliner Medienlandschaft zu dieser Zeit ergab Überraschendes: Abgesehen von den verdienstvollen Jahrbüchern und Mitteilungsblättern berlingeschichtlicher Vereinigungen und Heimatvereine gab es kein berlinhistorisches Blatt. Die Idee zu einer Zeitschrift war geboren.
     Der Rückgriff auf den Titel der von Johann Erich Biester (1749-1816) und Friedrich Gedicke (1754-1803) im Jahre 1783 begründeten und bis 1796 erschienenen »Berlinischen Monatsschrift« - die als Organ der deutschen Aufklärung in die Geschichte eingegangen ist - entsprach unserem Programm. Dabei ließen wir uns von der Feststellung und nach wie vor aktuellen Mahnung Kants leiten:
     »Aufklärung ist der Ausgang des Menschen aus seiner selbst verschuldeten Unmüdigkeit. Unmüdigkeit ist das Unvermögen, sich seines Verstandes ohne Leitung eines anderen zu bedienen ... Habe Mut, dich deines eigenen Verstandes zu bedienen! ... Faulheit und Feigheit sind die Ursachen, warum ein so großer Teil der Menschen ... gerne zeitlebens unmündig bleiben; und warum es anderen so leicht wird, sich zu deren Vormündern aufzuwerfen. Es ist so bequem, unmündig zu sein.«
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Natürlich sollte und konnte unsere Monatsschrift nicht ein Organ deutscher Aufklärung werden. Ganz zu schweigen davon, dass es heute kaum - wie noch zu Zeiten der von Biester bis zu ihrem Verbot redigierten Zeitschrift - Beamte, Minister, Diplomaten, Staatswissenschaftler, Zeitschriftenherausgeber, Philosophen, Schriftsteller, Juristen, Theaterintendanten, Unternehmer, Erfinder und andere gibt, die sich um eine Zeitschrift, noch dazu um eine berlinische Zeitschrift, scharen.
     Unsere Intentionen waren bescheidener: Mit unterhaltenden, aber wissenschaftlich fundierten Artikeln, mit Porträts, Geschichten, Skizzen, Besprechungen usw. nahmen wir uns vor, Forschungserkenntnisse und Meinungen zur Geschichte und Gegenwart Berlins in populärer Form der allgemein interessierten Öffentlichkeit vorzustellen. Hier und da ließen wir uns von unserem großen Vorbild leiten und versuchten »aufklärerisch« zu wirken bzw. Diskussionen zu Werten wie der Toleranz, dem Liberalismus, der Integration, des Einigungsprozesses u. a. m. zu initiieren. Dass ein kleines Blatt wie die »Berlinische Monatsschrift« dabei ein großes Echo erreichen kann, bewiesen die »Briefe zur Toleranz«.

Ein neues Format und Layout gaben der »Berlinischen Monatsschrift« ab Januar 1995 ein unverwechselbares, nun farbiges Gesicht

     Die »Berlinische Monatsschrift«, deren erste Ausgabe im April 1992 erschien, erhielt von Anfang an einen aufmerksamen, mit den Jahren einen immer größeren Zuspruch.

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Hier half nicht zuletzt die kritische Begleitung vieler Westberliner Fachkollegen, die anfangs eher skeptisch, später meist zustimmend war. Die Leserschar wuchs, als wir die Zeitschrift in das Internetangebot des Luisenstädtischen Bildungsvereins aufnahmen. In den Bibliographien über Berlin-Literatur haben sich die Artikel der Zeitschrift einen festen Platz erobert. Mit welcher Resonanz, das spricht auch aus dem Brief von Hans W. L. Biester, einem Nachkommen von Erich Biester, der auf den folgenden Seiten zu lesen ist.
     Doch die große Leserschar, der wachsende Kreis der an der »Berlinischen Monatsschrift« Interessierten, reichten nicht aus, die Zeitschrift unter den Bedingungen der Marktwirtschaft am Leben zu erhalten. Unserer Zeitschrift geht es wie den meisten Berlin-Publikationen in der 3,4 Millionen-Stadt: Ohne Subventionen, ohne Förderung würden bzw. können sie nicht erscheinen. Ein Blick in die öffentlichen Kassen reicht aus, um zu ahnen, dass hier zukünftig wenig zu hoffen ist. Andere Quellen müssen erschlossen werden - was durchaus als Aufforderung zum Sponsoring zu verstehen ist.
     Unsere »Berlinische Monatsschrift« blieb nicht so lange wie ihr »Vorläufer« am Leben. Allerdings lange genug, um, wenn auch sehr bescheidene, Spuren in der Berliner Geschichtslandschaft zu hinterlassen.
Zwei Umstände stellten sich dabei als Glücksfall heraus: Wir verfügten über eine Redaktion, die, unabhängig von wechselnden Förderprojekten und Mitarbeitern, - und hier sei Selbstlob gestattet - nicht nur das Niveau hielt, sondern es beständig erhöhen konnte. Und nicht wenige Autoren hielten uns auch nach ihrer Tätigkeit im Luisenstädtischen Bildungsverein die Treue, viele kompetente neue Autoren konnten für die Mitarbeit gewonnen werden. Stellvertretend für alle soll an dieser Stelle Jutta Arnold genannt sein, die vom Probeheft bis zur vorliegenden Ausgabe die Zeitschrift mitprägte.
     Das Erscheinen der »Berlinische Monatsschrift« war nur möglich, weil sie ein Podium darstellte, die im Rahmen geförderter Projekte erzielten Arbeitsergebnisse der Öffentlichkeit vorzustellen. Die damit im Zusammenhang bereitgestellten Mittel sind versiegt. Gleichwohl haben wir allen Grund, uns bei unseren Förderern zu bedanken, die das erste Dezennium der Zeitschrift ermöglichten.
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© Edition Luisenstadt, Berlinische Monatsschrift Heft 7/2001
www.berlinische-monatsschrift.de