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Horst Wagner
23. August 1997:
Wiedereröffnung Hotel Adlon

»Der Champagner floß in Strömen und war sogar in solchem Überfluß vorhanden, daß die Kellner im Gedränge immer wieder welchen über die Abendgarderobe von Gästen schütten konnten«, schrieb die »Berliner Zeitung« über den abendlichen Festempfang zur Wiedereröffnung des Adlon. Die »Berliner Morgenpost« schilderte detailreich das Gala-Büfett: »Hummer, Langusten, Sushi und Sachimi, Seezungen- und Lachsmosaik, Hirsch- und Rehrücken, Adlon-Ente im eigenen Saft, Lammkarree im Kräutermantel und ein süßes Dessert-Büfett.«
     Begonnen hatte die große »Adlon-Gala« mit rund 800 Geladenen um 19 Uhr. Acht Stunden zuvor, um 11 also an diesem Sonnabend, dem 23. August 1997, durchschnitt Bundespräsident Roman Herzog neben Hoteldirektor Jean K. von Daalen das rot-goldene Band zur Eröffnung des für 435 Millionen Mark in zweieinhalbjähriger Bauzeit errichteten Prachthauses am Pariser Platz. Der 18-jährige Page Patrizio Russetti, einer der rund 250 Angestellten, hatte die Ehre, dem Bundespräsidenten dazu die Schere zu reichen. Eberhard Diepgen als Regierender Bürgermeister nannte das neue Adlon ein »Symbol für den Wandel Berlins«.

Wo früher die Mauer die Menschen auf brutale Weise getrennt habe, logierten nun Gäste aus aller Welt.
     Unter den Ehrengästen zur Eröffnung war auch der Filmregisseur Percy Adlon aus Los Angeles. Sein Urgroßvater, Lorenz Adlon, hatte 90 Jahre zuvor, am 26. Oktober 1907, das alte, am Ende des Zweiten Weltkrieges zerstörte Adlon eröffnet. Der zur Eröffnung anwesende Kaiser Wilhelm II. trug damals ins Gästebuch ein: »Grundlage allen modernen Komforts und aller wohnlicher Behaglichkeit ist die moderne Technik und die völkerfreundliche Hygiene.« (Was er unter Letzterem wohl verstanden hat?) Die »Vossische Zeitung« jedenfalls lobte in ihrem Eröffnungsbericht von 1907 das Adlon als »einen Triumph des Baufaches« und hob hervor, dass es zu den 260 Zimmern mit 322 Betten auch schon 110 Bäder gab. 1921 von Lorenz' Sohn Louis übernommen, erlebte das Hotel unweit des Brandenburger Tores seine Blütezeit in der Weimarer Republik. Damals konnte man dort Josephine Baker und Edgar Wallace, Hans Albers und Thomas Mann begegnen. 1934 gehörte allerdings auch schon Hermann Göring zu den Ehrengästen. Am 3. Mai 1945 brannte das alte Adlon fast vollständig nieder. Es heißt (ist aber nicht erwiesen), dass der Brand von Sowjetsoldaten verursacht wurde, die im überaus reichen Weinkeller des Hotels ihren Sieg feierten und dabei durch eine weggeworfene Zigarette Holzwolle entzündeten. Ein übriggebliebener Seitenflügel wurde auch danach noch als Hotel genutzt.
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Im November 1945 trafen sich hier z. B. deutsche Filmkünstler und Schriftsteller mit sowjetischen Kulturoffizieren, um die Gründung der DEFA vorzubereiten. 1964 wurde dieser Seitenflügel renoviert und diente in den siebziger Jahren auch als Wohnheim für Kellnerlehrlinge.
     Angeregt nicht zuletzt durch die Mitte der fünfziger Jahre erschienenen Erinnerungen von Hedda Adlon, der Witwe des Hotelgründersohnes, und den danach von Artur Brauner gedrehten Spielfilm gab es schon frühzeitig Pläne für einen Neuaufbau. Noch in den fünfziger Jahren hatte die Kempinski AG von Hedda Adlon Ankaufrechte auf die Firma Adlon und auch auf das Grundstück am Pariser Platze erworben. Nach dem Mauerfall bemühte sich Kempinski um eine Rückübertragung des Grundstückes, was nach geltender Rechtslage allerdings nicht möglich war, weil dieses noch vor Gründung der DDR unter der sowjetischen Militärregierung enteignet worden war. Da nach dem Untergang der DDR der Berliner Senat Eigentümer geworden war, kaufte Kempinski diesem das Grundstück für 70 Millionen Mark ab. Für den Neuaufbau wurde die Fundus-Gruppe mit insgesamt 3 500 Kapitalanlegern als Investor gewonnen.
     Nicht zu sehr über diese Zahlen wurde freilich am Eröffnungstag gesprochen.
Beim vormittäglichen Empfang und der Gala am Abend wurden vor allem angeregt Erinnerungen ausgetauscht. Schauspielerin Margot Hielscher erzählte laut »Morgenpost«: »1929 war ich als achtjähriges Mädchen mit meinem Vater, der sich dort mit Gerhart Hauptmann traf, zum ersten Mal im alten Adlon. Zehn Jahre später lud mich Hans Albers zum Essen ins Adlon ein und wollte anschließend den Mokka mit mir auf seiner Suite trinken. Aber ich gab ihm einen Korb.« Percy Adlon plauderte aus dem Familienschatzkästlein über den Service im alten Adlon: »Für den Frischmilchfan Johannes Heesters orderte Louis Adlon selbst eine Holsteiner Kuh, und vor des Sängers Fenster wurde das Glas direkt eingemolken.« Auch Altbundespräsident Walter Scheel erinnerte sich, dass er noch das alte Adlon kennengelernt habe, war aber besonders stolz darauf, im neuen schon zwei Monate vor der Eröffnung zum »Trockenwohnen« logiert zu haben.
     Die abendliche Gala ging in ein Festfeuerwerk über. Für die Premierennacht waren übrigens alle 305 Zimmer und 32 Suiten des Adlon ausgebucht, obwohl dort (jedenfalls zu dieser Zeit) das billigste Zimmer 420 und die Präsidentensuite 4000 Mark pro Nacht kosteten.
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© Edition Luisenstadt, Berlinische Monatsschrift Heft 7/2001
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