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Bernhard Meyer
Charité heute mit drei Standorten

Mit der Wiedervereinigung Berlins 1990 ergab sich die einmalige Situation, gleichzeitig über zwei grundverschiedene Gesundheitssysteme zu verfügen: Das marktwirtschaftlichen Bedingungen angenäherte System des Westteils und das nach zentralen staatlichen Regelungen funktionierende des Ostens. Es bot sich trotz der Konsequenzen aus dem Beitritt die Chance, Anregungen aus der Struktur und Organisation des östlichen Gesundheitswesen aufzugreifen. Statt dessen sah die zuständige Berliner Senatsverwaltung ihre Aufgabe allein in der Ausweitung der geltenden Regularien auf die Ostbezirke. Dies entsprach völlig den Intentionen der Bundesregierung: »Nach der Wiedervereinigung wurde deshalb der Entwicklung des Gesundheitswesens in den neuen Ländern besondere Bedeutung beigemessen. Zehn Jahre danach kann von einem weitgehend gleichen Versorgungsniveau ausgegangen werden. In einem rasanten Tempo wurde das ostdeutsche Gesundheitssystem an die Gegebenheiten in den alten Bundesländern angeglichen.«1)
     Für die Gesundheitspolitiker des Senats stellten sich aus der jahrzehntelangen »Berlin-Förderung« erhebliche Probleme hinsichtlich

der daraus resultierenden »Überversorgung« in bestimmten medizinischen Fachgebieten im gesamten Stadtgebiet ein. West-Berlin galt als »Mekka der Medizin«. Ost-Berlin profitierte vom Bauzwang der Bezirke für die Hauptstadt, um auf medizinischem Gebiet international beachtetes Hauptstadtniveau zu erreichen und dem Widerpart jenseits der Grenze nicht nachzustehen.
     In den neunziger Jahren stand Berlin so vor der unausweichlichen Aufgabe, überall im Gesundheitswesen in beträchtlichen Größenordnungen Kosten einzusparen. Das bedeutete vor allem, »vereinigungsbedingte Überkapazitäten« abzubauen, und so verschwanden bis 1998 immerhin über 16 000 Betten2), wobei cirka 30 Krankenhausstandorte geschlossen wurden.
     Die augenfälligsten Veränderungen betrafen allerdings die ambulant tätigen Ärzte und Zahnärzte Ost-Berlins3), die sich aus dem staatlich gesicherten Hort der Polikliniken nunmehr in die wettbewerbsdominierte private Niederlassung begaben. Die Ostberliner Krankenhäuser wurden in die für sie bisher unbekannte strikte Kostenrechnung einbezogen, woraus sich eine reduzierte Mitarbeiterzahl ergab.
     Eines der ehrgeizigen gesundheitspolitischen Ziele bestand darin, die Qualität der medizinischen Betreuung und das breitgefächerte Leistungsangebot im Westteil auf hohem Niveau zu erhalten und auf die Ostbezirke auszudehnen.
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Dazu war für den Ostteil besonders die medizintechnische Aufrüstung der Krankenhäuser und der privaten Praxen sowie die bautechnische Sanierung der meisten Krankenhäuser erforderlich. Obwohl sich dieses Konzept auf die unterschiedlichsten Eigentumsverhältnisse ausrichtete, gelang die durchgängige Finanzierung, so dass die gerätemäßigen und baulichen Defizite im Vergleich zum Westteil weitgehend ausgeglichen werden konnten.
     Mit der Wiedervereinigung verfügte die deutsche Hauptstadt plötzlich über drei medizinische Hochschuleinrichtungen, deren Finanzierung über den Landeshaushalt zunehmend schwieriger wurde. Bald schon herrschte Einmütigkeit darüber, dass eine medizinische Fakultät geschlossen werden müsste. Zur Disposition standen die Charité und das Rudolf-Virchow-Krankenhaus (RVKH)/Westend Krankenhaus, während die Benjamin-Franklin-Klinik der Freien Universität außerhalb der Erwägungen blieb. Herabsetzung der Forschungsleistungen und Gerüchte über medizinisch-fachliche Fehlleistungen sowie die Verquickung mit der Staatssicherheit brachten die Charité an den Rand ihrer Existenz. Nur der traditionelle Ruf mit internationaler Geltung und ein von neutralen Experten erstelltes Gutachten, das die Haltlosigkeit der fachlichen Anschuldigungen feststellte, retteten die Charité vor einer Umwandlung in ein beliebiges Krankenhaus.
Auf Drängen des Senats einigten sich die beteiligten Kontrahenten nach hartem Ringen auf die Zusammenlegung von Charité und RVKH zur Medizinischen Fakultät (Charité) der Humboldt-Universität zu Berlin zum 1. Januar 1998. Seither befindet sich die Charité an drei Standorten - traditionell in der Schumannstraße (Campus Charité-Mitte), am Augustenburger Platz (Campus Virchow-Klinikum) und in Buch (Campus Berlin-Buch). Durch diesen verwaltungsmäßigen Akt gelangte Berlin plötzlich zum größten Universitätskrankenhaus Europas mit 2 400 Betten und 9 000 Mitarbeitern (1998).
     Zum Phänomen des gegenwärtigen Berliner Gesundheitswesens gehört trotz gleicher gesetzlicher, materieller und versicherungsrechtlicher Voraussetzungen ein statistisch sichtbarer Unterschied im Gesundheitszustand der Bevölkerung zwischen beiden Stadthälften und zwischen den damaligen Bezirken mit z. T. beachtlicher Spannbreite. So wies die Lebenserwartung bei Männern zwischen Kreuzberg mit 70,9 Jahren und Zehlendorf mit 76,0 Jahren einen Unterschied von 5,1 Jahren aus. Auch die Kreuzberger Frauen nahmen mit 77,6 Jahren durchschnittlicher Lebenserwartung in der Bezirkstabelle den letzten Platz ein (zum Vergleich: Berlin insgesamt bei Frauen 79,8 und bei Männern 73,6 Jahre).
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Die Ursachen hierfür dürften vor allem im unterschiedlichen Sozialindex begründet sein, der u. a. für Kreuzberg eine dreifach höhere Arbeitslosenzahl und eine sechsfach höhere Zahl von Sozialhilfeempfängern auswies. An dieser Tatsache wird die am 1. Januar 2001 in Kraft getretene Bezirksreform nichts ändern, denn der neue Bezirk Friedrichshain/Kreuzberg wird nach dem 23 Indikatoren umfassenden Sozialindex weiterhin das Schlusslicht gegenüber dem führenden neuen Bezirk Zehlendorf/ Steglitz bilden.
     Die Ost-West-Unterschiede kommen besonders bei der Tuberkulose, den Geburtenzahlen und bei AIDS-Erkrankungen zum Ausdruck. Wenngleich die Tuberkulose-Neuerkrankungen nur noch einen randständigen Platz einnehmen, schwanken sie zwischen 28,2 je 100 000 Einwohner in Kreuzberg und 9,0 in Hellersdorf. Anzumerken ist, dass jede dritte Neuerkrankung einen ausländischen Bürger betrifft.
     Aufschlussreicher hingegen sind die Zahlen für die Neugeborenen in Ost und West. In den damaligen Westberliner Bezirken blieb die Lebendgeborenenquote pro 1 000 Einwohner mit 10,2 (1989) und 9,8 (1999) annähernd gleich. Der Geburtenknick (auch »Wendeknick«) ist hingegen im Ostteil mit 13,2 (1989) und 7,5 (1999) ganz augenscheinlich. Noch deutlicher sind die Zahlen für Hohenschönhausen: 16,2 zu 6,4. In den westlichen Stadtbezirken bekommen die Frauen gegenwärtig annähernd 30 Prozent

Die altehrwürdige Charité - hier der ehemalige Haupteingang in der Schumannstraße - ist heute Universitätsklinik mit drei Standorten

 
mehr Kinder, während dies vor der Wende umgekehrt war. Mit 17,5 Schwangerschaftsabbrüchen je 1 000 Frauen liegt Berlin weit an der Spitze aller Bundesländer, gefolgt von Bremen und Hamburg sowie allen neuen Bundesländern (zum Vergleich Saarland: 5,5).

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Merkwürdig hingegen der Unterschied in der Säuglingssterblichkeit, die 1998 für Berlin 4,4 je 1 000 Lebendgeborene, in den westlichen Stadtbezirken jedoch 4,9 und in den östlichen 3,2 betrug. Eine Erklärung könnte der höhere Ausländeranteil im Westteil sein, denn jeder fünfte gestorbene Säugling ist ausländischer Herkunft. Der Ostberliner Wert stellt im Vergleich zu anderen deutschen Großstädten einen Spitzenwert dar.
     AIDS-Fälle konzentrieren sich vor allem auf die Innenstadtbezirke des Westteils, wobei jeder fünfte Patient in Deutschland hier lebt (159,2 AIDS-Fälle auf 100 000 Einwohner). Andererseits stammen 61,5 Prozent aller in den neuen Bundesländern an AIDS erkrankten Personen ausdem Ostteil der Stadt, wobei jedoch die Erkrankungshäufigkeit noch weit unter der der alten Bundesländer liegt.
     Die Dichte der niedergelassenen Ärzte zwischen Ost und West mit einer Gesamtzahl von 6 786 in Jahre 1998 (1990: 5174) zeigt bei einem Verhältnis von einem Arzt für 529 Einwohner/Ost und 522/West keinen nennenswerten Unterschied, dafür jedoch die Verteilung auf die damaligen Bezirke. Neukölln verfügt nur über die Hälfte der niedergelassenen Ärzte gegenüber Mitte und Wilmersdorf. In Zahlen ausgedrückte bedeutet dies: In Neukölln behandelt ein Arzt
652 Einwohner, in Mitte nur 345 Einwohner. Vergleicht man alle Bezirke miteinander, so ergibt sich die eindeutige Tendenz der vermehrten Niederlassung in Bezirken mit einer wohlhabenderen Einwohnerschaft. Von der absoluten Zunahme der Arztzahl profitieren alle Bürger, denn sie stieg von 158 je 100 000 Einwohner 1992 auf 200 im Jahre 1998.
     Zehn Jahre nach der Wiedervereinigung Berlins gehört die in Ost und West äußerst unterschiedliche Einstellung zum Impfwesen zu den Erscheinungen, in denen die früheren gegensätzlichen gesundheitspolitischen Auffassungen besonders deutlich werden.
     Nunmehr besteht auch für die Ostberliner keine Impfpflicht mehr, sondern nur noch eine sogenannte »öffentliche Empfehlung«. Gab es im Ost-Berlin vor der Wende 1989 einen Durchimpfungsgrad von weit über 90 Prozent, bestehen jetzt zunehmend mehr Impflücken. Im Jahresgesundheitsbericht 1998/99 heißt es unumwunden: »Der Impfstatus der Berliner Kinder und Jugendlichen ist nach wie vor defizitär ... Bei keiner impfpräventablen Krankheit wurde jedoch insgesamt ein Durchimpfungsgrad von über 90 Prozent erreicht.«4) Bei schulentlassenen Jugendlichen betrug die Impfrate 1998 bei Diphtherie 69,2 Prozent, bei Tetanus 69,9, bei Poliomyelitis 72, bei Röteln und Mumps knapp über 40 Prozent.
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Akzeptable Ergebnisse liegen für Hohenschönhausen, Treptow und Spandau vor, während die niedrigsten Zahlen aus Kreuzberg, Tiergarten und Charlottenburg gemeldet werden. Die Masernschutzimpfung erhielten 1998 nur knapp 50 Prozent der Kreuzberger Erstklässler (Durchschnitt Berlin: 78,6 Prozent), wobei jedoch zur wirksamen Abwehr dieser Infektionskrankheit ein Grad von über 90 Prozent erreicht werden muss. Dabei gehören Impfungen zu den wirksamsten präventiven Maßnahmen, die überdies noch kostengünstig sind: Die Impfkosten entsprachen 1996 weniger als drei Prozent der Arzneimittelausgaben und beanspruchten lediglich 0,3 Prozent der Gesamtausgaben der gesetzlichen Krankenkassen.
     Im Rampenlicht des öffentlichen Interesses am Gesundheitswesens stand in den neunziger Jahren mit Abstand die Krankenhauspolitik des Senats. Als Spätfolge der »Berlin-Förderung« steht die Stadt mit ihrem traditionell günstigen und durch die Spaltung noch vertieften Überangebot an Krankenhäusern und ihren Betten bei den kostenbewussten Krankenkassen am Pranger. 1990 ergab sich für die nun wiedervereinigte Stadt ein Bettenbestand von 43 018 in knapp über 100 Krankenhäusern. Zum Jahresende 1998 verfügte die Stadt noch über 75 Krankenhäuser mit 26 854 Betten, was einem Schlüssel von 7,35 Betten pro 1 000 Einwohner entsprach, wobei der Bundesdurchschnitt 6,97 betrug. Die Überkapazitäten sollten aus finanziellen
Gründen baldmöglichst abgebaut werden. Bevölkerung und Krankenhausmitarbeiter wurden wiederholt durch diverse Pläne aufgeschreckt. Unterschiedliche Listen mit zu schließenden Krankenhäusern und abzubauenden Betten wurden in kurzen Zeitabständen publiziert und wieder verändert. Diese den betroffenen Ärzten und Schwestern unmotiviert erscheinenden Absichten führten zu Protestkundgebungen. Als das katholische St. Hedwigs-Krankenhaus in der Großen Hamburger Straße 1999 als »Schließ-Kandidat« genannt wurde, führte der Berliner Erzbischof Georg Kardinal Sterzinsky einen Demonstrationszug durch die Berliner Innenstadt an - ein Novum in der mehr als 150-jährigen Geschichte dieses konfessionellen Hauses, das immerhin mehrere höchst unterschiedliche Staatsordnungen und ihre jeweiligen Sparprogramme erfolgreich überstanden hatte.
     Als ein Zwischenerfolg für die kostensenkenden Bemühungen wird seitens des Senats bereits 1998 darauf verwiesen, dass bei Zunahme der Patientenzahlen gleichzeitig ein Rückgang der Pflegetage (Verweildauer) erreicht werden konnte. In Zahlen ausgedrückt heißt das: Während 1992 die Verweildauer je Behandlungsfall noch 18,8 Tage betrug, sank sie innerhalb von sechs Jahren um ein Drittel auf zwölf Tage (1998). Es bleibt die Frage, wie viel davon medizinischem Fortschritt und wie viel dem Kostendruck zu verdanken ist.
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Andererseits hatten die Krankenhäuser 1998 über 15 Prozent weniger Personal als noch 1992 und dennoch stieg die Zahl der Arbeitskräfte pro Bett von 1,53 auf 1,96, was wiederum dem Patienten zugute kommt. Die Kostenfrage wird noch kompliziert durch die Inanspruchnahme hauptstädtischer Kapazitäten durch Brandenburger Bürger. Interessant ist allerdings, dass ihr Anteil in den Ostkliniken 13,4 Prozent gegenüber nur 4,1 Prozent in Westkliniken beträgt.
     Kurz vor der Jahrhundertwende wurde der »Krankenhausplan 1999« vom Senat vorgelegt. Er folgt den Intensionen der vorangegangenen Planungen einer »wirtschaftlichen, leistungsfähigen und qualitätsgerechten Versorgung« der Bevölkerung. Demnach soll die Bettenzahl auf 22 012 im Jahre 2005 verringert werden, wodurch 6,28 Betten je 1 000 Einwohner erreicht würden. Bemerkenswert ist die Prämisse, dass im Ostteil keine weiteren Krankenhäuser geschlossen werden sollen. In den Plan wurde u. a. das Krankenhaus Moabit, das 1872 entstand und später als 2. Städtische Krankenhaus Berlins bezeichnet wurde, nicht mehr aufgenommen. Inzwischen sind ab 1. Januar 2001 alle noch verbliebenen städtischen Krankenhäuser in den Berliner Krankenhausverbund »Vivantes« überführt worden, der bisher rote Zahlen schreibt.
     Das Berliner Gesundheitswesen muss zudem mit einer Reihe von Problemen fertig werden, die typisch für Großstädte sind.
So mit Tendenzen eines häufigeren Gebrauchs von Medikamenten mit psychoaktiver Wirkung. Das Einstiegsalter für Tabakkonsum hat sich auf 13 Jahre gesenkt. Über 25 Prozent aller Jugendlichen verfügen über Erfahrungen mit dem Gebrauch illegaler Drogen, wobei Cannabis obenan steht. Obdachlose entziehen sich trotz enormer Tuberkulosegefährdung der medizinischen Betreuung - sie leben zu mehr als 50 Prozent ohne ärztlichen Beistand. Die Praxis für Obdachlose am Ostbahnhof - mit dem Bundesverdienstkreuz geehrt - hilft manchem, kann aber nicht das Problem dieser spezifischen Personengruppe lösen.
     Auch andauernde Arbeitslosigkeit, mit der vor allem Ostberliner konfrontiert sind, führt zu »einem deutlich schlechteren Gesundheitszustand« gegenüber Erwerbstätigen.5) Es sind die sich psychosozial auswirkenden Konflikte, die die Betroffenen nachhaltig belasten: »Besonders hart traf die Frauen im mittleren Alter die nach dem politischen Umbruch einsetzende Verdrängung aus dem Arbeitsprozess. Sie wurden aus einer unbefristeten Berufstätigkeit heraus mit einer angestrebten Perspektive, bis zum Rentenalter berufstätig zu sein, plötzlich arbeitslos oder in den Vorruhestand geschickt.«6)
     Auf Berlin wirken als »Stadtland« direkt und unmittelbar alle Folgen der sogenannten »Kostenexplosion« und die Kassandrarufe von einem unbezahlbaren Gesundheitswesen.
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Seit 1991 stiegen die Berliner Krankenhauskosten um 27 Prozent. Die Kosten pro Behandlungsfall lagen 1998 bei 8 813 DM (zum Vergleich Mecklenburg-Vorpommern: 5 106 DM). Das Fazit für Berlin lautet lapidar: 33 Prozent bei den Kosten je Bett über dem Bundesdurchschnitt; 29 Prozent ist der Pflegetag teurer und 45 Prozent kostet ein Behandlungsfall mehr.
     Unbestreitbar wird das Gesundheitswesen in aller Welt immer teurer, aber es gibt auch Sparpotenziale. Vorrangig gehört dazu eine Präventionsstrategie. Gerade die Berliner Ärztekammer war in den neunziger Jahren bundesweit Vorreiter, die »Positivliste« für kostengünstige Medikamente zur Kostensenkung verbindlich für die Ärzteschaft und die Patienten festzulegen.
     Zehn Jahre nach der Wiedervereinigung Berlins besteht in der Stadt ein einheitliches Gesundheitswesen, das jedem Bürger im Bedarfsfall medizinischen Beistand auf hohem Niveau gewährt. Die fachliche Angleichung erfolgte reibungsloser als in anderen Bereichen, da die Medizin als Wissenschaft politisch nicht gespalten war. Die Ärzte empfinden es als wohltuend, ihre medizinisch-fachlichen Ambitionen wieder in den traditionellen Berliner Gesellschaften und Vereinen pflegen zu können, wobei ihre wirtschaftlichen Interessen wirksam von ärztlichen Standesorganisationen und ihren selbstgewählten Gremien vertreten werden.
Quellen und Anmerkungen:
1 Jahresbericht der Bundesregierung zum Stand der Deutschen Einheit 2000, Hrg. Presse- und Informationsdienst der Bundesregierung, Berlin 2000, S. 69
2 Die im folgenden immer wieder anzutreffende Unterscheidung in Ost und West sowie die meisten diesbezüglichen Termini wie Ost/West, Ostteil/ Westteil usw. entstammen dem Jahresgesundheitsbericht 1998/99 der für das Gesundheitswesen zuständigen Senatsverwaltung für Arbeit, Soziales und Frauen
3 Alle sich auf 1998 beziehenden Zahlenangaben wurden dem letzten zugänglichen Jahresgesundheitsbericht 1998/99 der Senatsverwaltung für Arbeit, Soziales und Frauen, Berlin 2000, entnommen. Der neue Jahresbericht für 2000 erscheint erst im Oktober 2001
4 Jahresgesundheitsbericht 1998/99 der Senatsverwaltung für Arbeit, Soziales und Frauen, Berlin 2000, S. 190
5 Bericht zur gesundheitlichen Situation von Frauen in Deutschland. Eine Bestandsaufnahme unter Berücksichtigung der unterschiedlichen Entwicklung in West- und Ostdeutschland, Schriftenreihe des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, Band 209, Stuttgart 2001, S. 429
6 Ebenda, S. 480

Bildquelle: LBV/Rheden

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© Edition Luisenstadt, Berlinische Monatsschrift Heft 7/2001
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