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Frank Eberhardt
Aufstieg und Fall des Grünen Grabens

Zur Geschichte des Festungsgrabens um Cölln

Am 2. Juni 1878 veröffentlichte die Zeitschrift »Kladderadatsch« folgende Zeilen:

»An den Verein für die Geschichte Berlins.
Thut's nicht! Thut's nicht! Ihr Herrn, bewahrt
Eu'r Leben vor der wüsten Fahrt!
Seid folgsam meinem Winke!
Wer steht euch für die Wiederkehr?
Ihr wißt, ihr Herrn, noch nicht, wie sehr
Ich - dufte, dufte, dufte!
Wollt schätzbar Material ihr ziehn
Für die Geschichte von Berlin
Aus meinen trüben Wogen?
Werft nicht zu tief die Netze! Wißt:
Was nur bei mir zu finden, ist
Erstunken und erlogen.
Seid Gatten ihr und Väter gar,
Umspielt euch eine muntre Schaar
von Mädchen oder Knaben:
O macht vorher eu'r Testament,
Eh' ihr euch meinem Element
Vertraut
Der Grüne Graben«

»Grüner Graben« nannten die Berliner das fast stehende Gewässer des ehemaligen Festungsgrabens um Cölln. Sogar der Kronprinz und spätere König Friedrich Wilhelm IV. (1795-1861, König 1840-1858) adressierte einen Brief an seine Schwester mit der Bemerkung: »An die Prinzessin Luise, wohnhaft am stinkerigen Graben«.

Wall und Wassergraben

Zwischen 1658 und 1683 war die Doppelstadt Berlin/Cölln mit einer Festungsanlage nach holländischem Muster umgeben worden. Dazu gehörte ein Wall, der in regelmäßigen Abständen durch Bastionen verstärkt war. Vor dem Wall zog sich ein stellenweise bis zu 55 Meter breiter und drei bis vier Meter tiefer Wassergraben hin, der Feinden einen Angriff erschweren sollte.
     Der Wall war schon in den Jahren 1734 bis 1736 abgetragen worden, aber der Festungsgraben blieb vorerst erhalten. Er wurde zwar auf königliche Order von den Anliegern beidseitig eingeengt, es unterblieb jedoch, ihn endgültig zuzuschütten. Der preußische Staat, dem die Wasserfläche des Festungsgrabens gehörte, war an seiner Beseitigung nicht interessiert, denn sie wäre mit erheblichen Kosten verbunden gewesen. Aber auch der Stadt war nicht an der Zuschüttung gelegen, da die Abwässer der anliegenden Straßen in den Graben flossen.

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Der ehemalige Festungsgraben auf der Cöllner Seite

So blieb der Festungsgraben trotz seiner Einengung bis in die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts erhalten. Auf der Berliner Seite ist sein Verlauf noch heute durch den Viadukt der Stadtbahn zwischen Jannowitzbrücke und Museumsinsel recht gut nachvollziehbar. Auf Cöllner Seite ist der Graben infolge Überbauung nicht mehr zu erkennen. Deshalb soll hier versucht werden, dem ehemaligen Festungsgraben im heutigen Stadtbild nachzugehen.

     Ausgangspunkt des Grabens war die Spree, da von dort das Wasser hergeleitet wurde. Sie wurde zur Zeit des Festungsbaus durch einen Oberbaum an der Stelle der späteren Waisenbrücke gesperrt. Diese heute nicht mehr existierende Brücke überspannte den Fluss etwa in Höhe des Märkischen Museums. Kurz oberhalb des Oberbaums begann der Festungsgraben. Seinem Verlauf folgt man heute von der Spree aus die Straße am Köllnischen Park entlang. Der Graben schwenkte dann in einem rechten Winkel in die Rungestraße ab und schützte die dort gelegene Bastion. Hier steht noch heute der Wusterhausische Bär, das einzige Bauwerk aus damaliger Zeit. Dieser kleine Turm stand früher auf einem Wehr im Festungsgraben und wurde erst 1893 nach Zuschütten des Festungsgrabens hierher versetzt. Sein ehemaliger Standort lag auf dem Hof der heutigen Oberschule am Köllnischen Park in der Neuen Roßstraße, ist aber leider nicht markiert. Ebenfalls beim Wehr stand die in obiger Karte eingezeichnete Berliner Walkmühle. Heute deutet der Knick in der Neuen Jakobstraße auf die Spitze der hier gelegenen Bastion und des Grabens, der um die Bastion herumgeführt worden war.
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Die Spittelkolonnaden

Bis zur Leipziger Straße ist der ehemalige Graben nicht mehr zu erkennen. Nur auf Karten, die die Grundstücksgrenzen zwischen der Wallstraße und der Alten Jakobstraße enthalten, kann der Verlauf noch nachvollzogen werden, da er die Grenze zwischen den Grundstücken bildete. Doch sowohl in der Neuen Grün- als auch in der Beuthstraße ist ein Knick in der Straßenführung durch den Festungsgraben bedingt. An der Leipziger Straße findet man seine Spur wieder. Die auf der Südseite der Straße stehende Kolonnade ist ein Rest der einst hier befindlichen Spittelkolonnaden, die den Blick auf den Festungsgraben verdeckten. Solche Kolonnaden gab es früher an einigen Stellen der Stadt, vor allem bei Brücken über den Festungsgraben. Sie sollten nicht nur die Ansicht des unansehnlichen Grabens verhindern, wichtiger war sicher die Nutzung solcher stark begangenen Übergänge für den Handel.
     Nach dem Schleifen des Festungswalls wurde 1738 die Spittelbrücke - genannt nach dem in der Nähe gelegenen St.-Gertrauden-Hospital - errichtet. Sie erhielt beidseitig hölzerne Säulenlauben, unter denen Kram- und Trödelbuden standen. 1776 wurde die Brücke massiv neu erbaut. Auf ihr standen in zwei Halbbögen Kramläden und vor diesen je eine im ionischen Stil reichgeschmückte Kolonnade. Die südliche wurde bereits 1929 bei der Verbreiterung der Leipziger Straße abgebrochen

und eingelagert, die nördliche im Zweiten Weltkrieg schwer beschädigt und ihre Ruine abgetragen. 1980 wurde auf der Südseite der Leipziger Straße - auf etwas verändertem Standort - eine Kopie der südlichen Kolonnade errichtet. Der vor der Kolonnade stehende Obelisk ist die Nachbildung einer Meilensäule, die seit etwa 1730 an gleicher Stelle auf dem früheren Dönhoffplatz stand. Zum Festungsgraben hat er keinen direkten Bezug.
     Verfolgt man die Spuren des Festungsgrabens weiter, wird sich der aufmerksame Betrachter sicher über die unregelmäßige Form des Hausvogteiplatzes wundern. Auch er ist durch eine ehemalige Festung und Bastion geprägt. Diese Bastion war ein fünfeckiger Festungsvorbau mit stumpfwinkeliger Spitze, deren Schenkel (Facen) von den Flanken der Nebenbastion aus beschossen werden konnten.


Schematische Darstellung einer Bastion

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Die Festungsfront zwischen zwei Bastionen (Kurtine) ließ sich somit gut bestreichen und das Festungsvorfeld dadurch gut verteidigen.
     Am Hausvogteiplatz befand sich etwa in Höhe der Nr. 5 kurz vor der Mohrenstraße die nach Westen gerichtete Spitze der Bastion. Die bis zur Nachkriegsbebauung auf der Westseite des Platzes vorhandene Schräge (Face) zur Taubenstraße hin ist nicht mehr zu erkennen. Die Face zur Jerusalemer Straße ist ebenfalls schon zeitig überbaut worden. Lediglich die schräge Begrenzung auf der Südseite des Platzes lässt die ehemalige Bastion mehr erahnen als erkennen.
     Die Lage des vor der Bastion gelegenen Wassergrabens ist heute noch an einer Stelle durch die Kolonnaden in der Mohrenstraße gekennzeichnet. Nach dem Schleifen des Festungswalles wurde 1742 eine schmale Brücke in der Mohrenstraße für Fußgänger errichtet. Im Jahre 1787 ist sie nach Entwurf von Karl Gotthard Langhans (1732-1808) als Steinbrücke in voller Straßenbreite neu erbaut worden und erhielt beidseitig Kolonnaden.
     Die Laubengänge überragen die Bauflucht über den Bürgersteig. Sie bestehen aus je fünf Bögen auf gekuppelten toskanischen Säulen. Mit ihren strengen Architekturformen weisen sie schon auf den Beginn des Klassizismus hin. Es sind die einzigen in situ vorhandenen und erhaltenen Kolonnaden Berlins. In den Rückwänden der Bogenhallen waren die Zugänge zu den einst hier vorhandenen Läden.
Heute sind es die Zugänge zu den dahinter liegenden Bürohäusern.
     In der parallel zur Mohrenstraße verlaufenden Taubenstraße weist ebenfalls eine Biegung auf den einst hier verlaufenden Festungsgraben hin. Diese Richtungsänderungen, auf die schon hingewiesen wurde, sind dadurch bedingt, dass die Brücken möglichst rechtwinklig zum Wassergraben errichtet werden mussten. Der Graben selbst musste dagegen, die spitzwinkelig gebauten Bastionen umfließend, ständig seine Richtung ändern.
     In der Jägerstraße fällt auf, dass der nördliche Straßenrand geradlinig verläuft, während es an der Südseite eine erhebliche Ausbiegung gibt. An dieser Stelle befand sich eine Brücke über den Grünen Graben. Mit ihrem Nordrand knüpfte sie an die in West-Ost-Richtung verlaufende Jägerstraße in der Friedrichstadt an, während das Südende der Brücke an den winklig dazu verlaufenden Teil der Jägerstraße auf dem Friedrichswerder angebunden war. Diese Brücke beschrieb der exzellente Kenner der königlichen Residenzstadt Berlin, Friedrich Nicolai (1733-1811), wie folgt: »Die Jägerbrücke. Sie führt über den Festungsgraben nach der Jägerstraße auf der Friedrichstadt. König Friedrich Wilhelm ließ sie 1736, nachdem der Wall hier durchbrochen war, bauen, 1739 breiter machen und auf beiden Seiten mit hölzernen Säulenlauben zieren, worunter Kram- und Trödelbuden waren.
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Kolonnaden der Mohrenbrücke (Stahlstich um 1830)
Sie kostete mit der Erweiterung im Jahre 1739, ohne die Materialien, 4 400 Taler. König Friedrich II. ließ sie auf seine Kosten 1782 durch Unger nach dessen Zeichnung bauen. Der Bogen, wodurch das Wasser fließt, ist von Rothenburger Sandsteine. Auf beiden Seiten sind steinerne Arkaden nach bäurischer Art, hinter denselben Kaufmannsläden und darüber ein Geschoß zu Wohnungen.«1)
     Friedrich Wilhelm I. (1688-1740, König ab 1713) hatte 24 hölzerne »Boutiquen« auf der Brücke hinter den Arkaden unterbringen lassen.
Die Ladenmiete von je 12 Talern sollte der Magistrat erhalten. Die Miete wurde aber so schlecht bezahlt, dass der Magistrat schon 1742 den König bat, die Buden zwangsweise mit Kaufleuten zu besetzen. Ein Teil der Buden wurde jedoch schon bald nicht mehr als Verkaufsstand, sondern als Holzstall oder Wagenschuppen benutzt. Allmählich bauten von beiden Ufern her die Budenbesitzer feste Häuser in den Graben hinein. Den Rest des Wasserlaufs ließ Friedrich II. (1712-1786, König ab 1740) massiv überwölben und Arkaden anlegen.
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Durch den Vorbau der Kaufläden bis an die Pfeiler wurden diese Kolonnaden später fast unkennbar. Die Jägerbrücke mit ihren Kolonnaden wurde mit der Zuschüttung des Grünen Grabens abgebrochen.

Ein neuer Graben

Der nun folgende Teil des Festungsgrabens widerspiegelt nicht mehr seinen einstigen Verlauf. Friedrich Wilhelm I. hatte mit dem Abriss des Walles etwa in Höhe der Jägerstraße Schluss gemacht. Als Friedrich II. 1740 König wurde, nutzte er die Chance, die Flächen des restlichen Walls und des breiten Grabens für seine städteplanerischen Interessen zu nutzen. Noch im gleichen Jahr ließ er einen neuen Graben von der Jägerbrücke bis unterhalb

der Bastion im Kastanienwäldchen gerade durchziehen und den Wall planieren. So wurde Platz geschaffen, um auf der bisherigen Wall- und Grabenfläche ein Opernhaus zu errichten. Schon im Dezember 1742 wurde in dem äußerlich noch unvollendeten Haus die erste Oper aufgeführt. Im übrigen blieb aber der weite, zur Verfügung stehende Platz wüst. Schon damals aber gab es »Beschwerden wegen des faulen und stinkenden Wassers in dem Fortifikations-Graben gegen der französischen und Behrenstraße und zur Abhelfung gemachtes Project.«2)
     Nach der unter Friedrich II. vorgenommenen Begradigung des Festungsgrabens verliert sich die Spur des eigentlichen Grünen Grabens. Lediglich vor dem Maxim-Gorki-Theater erinnert der Name einer Straße an ihn.


Köpenicker Tor und Brücke über den Festungsgraben sowie das Wusterhausener Wehr
(Ausschnitt aus dem Schultzschen Plan von 1688)
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Sie heißt »Am Festungsgraben« und reichte von der Dorotheenstraße aus ursprünglich bis südlich der Straße Unter den Linden. Entlang der Dorotheenstraße führte der Grüne Graben zum Kupfergraben und mündete dort in den Spreekanal.

Verschwundene Brücken

Um die mit dem Festungsgürtel umrandete Stadt mit dem Umland zu verbinden, mussten seinerzeit über den Wassergraben neue Brücken gebaut werden, auf der Cöllner Seite zuerst nur drei, wie der Kupferstich von Johann Bernhard Schultz (? 1695) aus dem Jahre 1688 zeigt: Die Köpenicker und die Leipziger Brücke an den gleichnamigen Toren sowie die Brücke am Neuen (oder Neustädter) Tor. Interessant ist, dass die ähnliche Perspektive in dem Plan von Jean-Baptist Broebes (um 1660-nach 1720) aus den Jahren um 1708,3) also nur 20 Jahre nach dem Schultzeschen Plan entstanden, die Köpenicker Brücke mit zwei statt einem Klappenpaar zeigt. Ob das nur künstlerische Großzügigkeit ist oder ob es tatsächlich eine Veränderung der Brücke gab, ist unklar.
     Nach der Abtragung des Walls war der Graben das einzige Hindernis für den zunehmenden Verkehr. So entstanden bald weitere Brücken. Nicolai führt in seiner »Beschreibung der Königlichen Residenzstädte Berlin und Potsdam« neun Brücken über den Grünen Graben auf. Sie alle wurden bei der Verfüllung des Grünen Grabens abgebrochen.

Deshalb seien sie hier nochmals kurz aufgeführt.

Die Köpenicker Brücke

Das Köpenicker Tor der mittelalterlichen Stadt stand an der Roßstraßenbrücke. Ein neues Tor in der Festungsanlage konnte nicht in seiner Verlängerung errichtet werden, da sich dort eine Bastion befand. So wurde das Tor nach Südwesten verschoben. Nach Abbruch des Walls wurde die alte Straßenführung wieder aufgenommen und eine Brücke etwa in der Mitte der Neuen Roßstraße gebaut.

Die Neue Grünstraßenbrücke

führte in der Neuen Grünstraße über den Festungsgraben. Ihre Lage zeigt der Plan von Schleuen von 1773.4) Sie wurde an der rechten Face der Bastion über den Graben gelegt und befand sich etwa an der Stelle, wo die Neue Grünstraße eine Biegung macht. Diese Brücke wurde zuerst 1740 als privat finanzierte Laufbrücke errichtet, musste aber schon in den nächsten Jahren für den Fahrzeugverkehr verbreitert werden.

Die Spittelbrücke

Beim Festungsbau wurde auch das Leipziger Tor versetzt und eine neue Brücke dafür gebaut.

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Nach Abbruch des Walls wurde die alte Straßenverbindung zwischen Spittelmarkt und Leipziger Straße wieder hergestellt und die Brücke 1738 in der Leipziger Straße errichtet. Sie befand sich etwa an der Stelle, wo sich heute das Hochhaus neben der Spittelkolonnade befindet. Ihre Länge betrug 15 m bei einer Breite von 14 m.

Die Jerusalems- oder Schinkenbrücke

führte vom Hausvogteiplatz über den Festungsgraben nach der Jerusalemer Straße. Sie befand sich direkt in der Jerusalemer Straße zwischen Mohren- und Kronenstraße und wurde 1739 gebaut. Im Gegensatz zu den benachbarten Brücken, die in die Friedrichstadt führten, erhielt die Schinkenbrücke keine Verschönerung durch Kolonnaden, vermutlich weil sie beiderseits schon mit Häusern besetzt war. 1780 erfolgte ein massiver Neubau.

Die Mohrenbrücke

wurde 1742 zuerst nur als schmale Laufbrücke für Fußgänger errichtet. Sie verband den Hausvogteiplatz mit der Mohrenstraße. 1787 wurde an ihrer Stelle eine Steinbrücke in voller Straßenbreite nach Entwurf von Karl Gotthard Langhans (1732-1808) erbaut und mit Bogenlauben verziert.

Die Jägerbrücke

Um 1709 entstand mit der Anlage der Friedrichstadt die Jägerstraße. Ursprünglich verlief sie von der Kurstraße bis zur Mauerstraße. Ihren Namen hat sie von einem Jägerhaus, das den Jägern als Unterkunft diente. 1736 wurde nach Durchbruch des Walles die Brücke erstmals errichtet und bereits drei Jahre später verbreitert. Dabei wurden auf beiden Seiten hölzerne Säulenlauben errichtet. 1782 erfolgte ein massiver Neubau nach Plänen von Georg Christian Unger (1743-1799). Ihre Länge betrug 30 m, die Breite 28 m.

Die Neustädter Brücke

Zur Zeit der Festung stand hier stadtseitig des Festungsgrabens das Neue oder Neustädter Tor. Den ursprünglichen Verlauf des Grabens muss man sich etwa auf dem Bebelplatz denken. In der Vedute von Schultz von 1688 sind das Neue Tor und der Festungsgraben eingezeichnet. Die darüber führende Brücke ist mit zwei Klappenpaaren dargestellt. Sie verband den Stadtteil Friedrichswerder mit der Dorotheenstadt und der Straße Unter den Linden. 1735 wurde das Neustädter Tor abgerissen und die Brücke verbreitert.
     1774 wurde die Brücke nach Plänen von Johann Boumann d. Ä. (1706-1776) neu erbaut.

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Der Bogen sowie der untere Teil der Brücke waren aus rotem Sandstein. Auf beiden Seiten zog sich ein Fußweg und ein Geländer aus weißem Sandstein entlang. Auf dessen Postamenten standen acht überlebensgroße Gruppen, die große Laternen trugen.
     Als 1816 der sogenannte Operngraben bedeutend verengt und auf der Strecke zum Kupfergraben zum größten Teil überwölbt wurde, wurde auch die Neustädter Brücke abgerissen und 1876 der Graben im Bereich der Oper völlig zugeschüttet.

Die Brücke neben dem Kupfergraben

führte über den Festungsgraben kurz vor seiner Einmündung in den Kupfergraben. Sie hieß auch Kleine Weidendammsbrücke. Diese Brücke wurde 1752 nach Einebnung des Walles und Einschränkung des Festungsgrabens massiv gebaut und verband die heutige Straße Am Zeughaus mit der Straße Am Kupfergraben etwa in Höhe des Grundstücks Am Kupfergraben Nr. 7. Auf der Karte von Schleuen von 1773 ist sie ohne Namen eingetragen.

Unrühmliches Ende des Grünen Grabens

In dem Buch »Berlin und seine Bauten«5) wird der Grüne Graben kurz vor seiner endgültigen Zuschüttung besprochen. Seine Länge wird mit 2 460 m angegeben, die mittlere Breite betrug nur noch 8 m.

Ein großer Teil der Ufer war mit festen Mauern eingefasst, ansehnliche Strecken des unteren Laufes waren sogar massiv überwölbt. Als maßgebendes Profil des Grabens wurde die massive Überbrückung bei seiner Einmündung in den Kupfergraben aufgeführt: Über einer 6,76 m weiten Öffnung war ein Kreisbogensegment von 2,75 m Stichhöhe gespannt. Doch die häufig notwendig werdenden Beräumungen und wiederkehrenden Aufforderungen an die Anlieger zur Befestigung der Ufer zeigten, dass die Erhaltung des Grabens immer schwieriger wurde. Seine einzige Aufgabe bestand schließlich nur noch in der Abführung der Abwässer. Mit dem Ausbau der Kanalisation wurde auch diese Aufgabe überflüssig. Es deutete sich an, dass der Graben zugeschüttet werden würde.
     Da ergriff der Verein für die Geschichte Berlins die Initiative und bot seinen Mitgliedern die Möglichkeit, auf dem Grünen Graben nochmals eine Bootsfahrt zu erleben. Das »Illustrierte Wochenblatt für Humor Ulk« ließ seine Leser am 6. Juni 1878 wissen:

»An den Verein für die Geschichte Berlins.
Schwelgt ganz Berlin
Im frischen Grün,
Warum soll ich's nicht haben?
So sprachst Du froh,
Und wähltest, oh!
Als Ziel - den grünen Graben!«

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Die Fahrt sollte bei der Singakademie beginnen und in etwa 75 Minuten bis zum Wusterhausischen Bär gehen. Über die Befahrung selbst berichtete die Berliner Illustrierte Wochenschrift »Der Bär«.6) Wie groß das Interesse der Berliner für das Vorhaben war, zeigt sich darin, dass selbst die Staatsbürgerzeitung vom 28. Juni 1878 darüber berichtete: »Die Fahrt auf dem Grünen Graben ist nunmehr zur Wirklichkeit geworden.


Bootsfahrt auf dem Grünen Graben

Man hat es kaum für möglich gehalten, man hat für Thoren gescholten, die es unternehmen würden, dennoch ist es ins Werk gesetzt worden. 36 Personen haben auf 12 Kähnen unter Führung des Baggermeisters Häring den ganzen Graben stromaufwärts von der Singakademie bis zur Walkmühle in der Neuen Jakobstraße 14, bis zum alten Wusterhausener Bär befahren. Wer nicht dabeigewesen ist, der kennt Berlin nicht von der Kehrseite, nicht im Negligé! Wenn aber Maler und Liebhaber von alten romantischen Plätzchen ein Verlangen spüren sollten, ihren Anschauungskreis zu erweitern, so mögen sie die Fahrt unternehmen: besondere, unüberwindliche Gefahren sind nicht dabei.
     Die Kanalisation hat das Wasser zwar noch nicht in Eau de Cologne verwandelt, Gasbeleuchtung ist auch noch nicht unten, ebenso wenig Rohrpost und Telegraphie; aber die Röhren von allen diesen Instituten durchschneiden die recht massiven Überwölbungen des Grabens. Man kommt zeitweise auch ans Tageslicht, man findet sogar Bäume und Sträucher am Ufer, ja selbst auf Leben trifft man, denn zwei Männer im Kahn kamen bei der Expedition entgegen; wo aber ein Kopf am Ufer darauf hinabblickte, schien er in schüttelnder Bewegung zu sein. Nur an der Spittelbrücke hatte sich eine Anzahl von Damen und Herren versammelt, denen ein Verständnis von der Sache inne zu wohnen schien, Fahnen und Standarten, Blumen und Eichenlaub, Verse und Taschentücher lieferten den Beweis davon.
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Endlich nach einer Fahrt von 50 Minuten glückliche Ankunft am Ziele, wo von freundlicher Hand für eine nicht ganz überflüssige Herzstärkung gesorgt war. Die Namen aber der muthigen Befahrer des Styx von Berlin werden in die Archive des Vereins verzeichnet und der Nachwelt überliefert werden.«
     Es waren allerdings auch einige Vorkehrungen getroffen worden, um die Fahrt gelingen zu lassen. Der Baggermeister ließ den Graben an allen untiefen Stellen reinigen und durch Öffnen aller Wehre, die sonst den Eintritt des Wassers aus der Spree verhinderten, den sonst etwas stagnierenden Graben in ein stark fließendes Gewässer verwandeln. Außerdem waren die dunklen (überwölbten) Stellen, besonders der Teil von der Singakademie bis zur Taubenstraße, vollständig mit Lampen erleuchtet worden. Regenschirme und Regenmäntel, die die Bootsfahrer mitgebracht hatten, um übelriechende Flüssigkeiten vom Körper abzuwehren, wurden nicht benötigt. Das einzige, was die aus den Fenstern Schauenden den unten Fahrenden hinunterwarfen, waren Blumen und Blätter.
     Trotz der sorgfältigen Vorbereitung hatten sich keine Damen, obwohl eingeladen, bereit gefunden, daran teilzunehmen. Beim Aussteigen erhielten alle Teilnehmer ein Erinnerungsblatt an die überstandenen Gefahren und stärkten sich dann in der Schultheissischen Brauerei,
die sich damals noch in der Neuen Jakobstraße 26 befand.
     Damit waren aber auch die Tage des Grünen Grabens gezählt. In einem Schreiben von 1875 wird darauf hingewiesen: »Nachdem bereits die Wasserkraft, welche dieser Graben lieferte, durch Eingang der sogenannten Lohmühle als werthlos anerkannt worden ist, dient derselbe für jetzt nur noch theils zur Entwässerung der unmittelbar adjacierenden (angrenzenden, F. E.) Grundstücke, theils zur Entwässerung weiter abliegender Straßen und Grundstücke, welche durch Rinnsteine oder alte unterirdische Leitungen ihre Abwässer dorthin führen. Diese jetzt stattfindende Benutzung hört mit der Bauausführung der Kanalisation auf, insofern bei dem obligatorischen Anschluß der adjacierenden Grundstücke an die Kanalisation, sowie bei der Beseitigung der vorhandenen Rinnsteine und alten unterirdischen Leitungen für anderweitige und bessere Fortführung der Abwässer gesorgt wird.«
     Ein Ärgernis bildete der Grüne Graben schon geraume Zeit. 1880 las man in der »Vossischen Zeitung«: »Der Zustand dieses Grabens ist ... ein geradezu widerlicher; die Miasmen, die ihm entsteigen, verpesten weit und breit die Luft und dringen in den Sitzungssaal der Landesvertretung, wenn in denselben frische Luft eingepumpt werden soll. (Damals befand sich der Preußische Landtag in der Leipziger Straße, seine Hinterfront stieß an den Grünen Graben, F. E.)
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Es kommt dies hauptsächlich daher, daß am oberen Lauf des Grabens noch unzählige Fabriken und Gerbereien sowie Färbereien liegen und erscheint das schmutzige Wasser des Grabens demzufolge auch abwechselnd bald grün, bald blau, bald in einem Farbengemisch, das nicht zu bezeichnen ist.«

Die Zuschüttung

Ein Kabinettsbeschluss vom 6. Juni 1883 genehmigte die Zuschüttung des Grünen Grabens und ordnete die Inangriffnahme der Arbeiten an.
     Der Teil von der Spree bis zur Leipziger Straße wurde zuerst in Angriff genommen, nachdem einige Schwierigkeiten mit Anliegern, die immer noch in den Graben entwässert und dadurch die Arbeiten verzögert hatten, überwunden waren. Im Spätsommer 1883, als ein niedriger Wasserstand die Arbeiten erleichterte, wurde mit der Zuschüttung begonnen. Die so gewonnenen Flächen wurden den Anliegern verkauft, die Stadt selbst kaufte die bei dem Cöllnischen Gymnasium befindlichen Flächen des Grabens zur Vergrößerung des Cöllnischen Parks.
     Die Verfüllung dürfte 1885 abgeschlossen worden sein, genaue Zeitangaben konnten bisher nicht gefunden werden.
     Nur die unter den Brücken befindlichen Teile wurden erst 1886 mit deren Abriss verfüllt. 1889 übernahm die Stadt das auf dem Terrain des zugeschütteten Grünen Grabens stehende historische Bauwerk des Wusterhausischen Bären, inzwischen im Hof des Grundstücks Neue Jakobstraße 10 gelegen.

     Vier Jahre später wurde der kleine Turm in den Cöllnischen Park versetzt, wo er heute noch als letzter Rest der Berliner Festungsanlage zu bewundern ist.

Quellen:
1 Friedrich Nicolai, Beschreibung der königlichen Residenzstadt Berlin. Eine Auswahl, Leipzig 1987, S. 160
2 Friedrich Holtze, Geschichte der Befestigung von Berlin, Heft 10 des Vereins für die Geschichte Berlins, Berlin 1874, S. 103
3 J. B. Broebes, Die Churfürstl. Brandenburg Residentz Stätt Berlin, Cöln, und Friedrichswerder, o. J. (um 1708), Kupferstich. In: Hecker, Manfred: Die Bauwerke und Kunstdenkmäler von Berlin. Kreuzberg. Berlin 1980
4 J. D. Schleuen, Die Königl. Residenz Berlin, so wie selbige seit Ao. 1734 mit vielen prächtigen Gebäuden vermehret worden, 1773. In: Heinz Spitzer und Alfred Zimm, Berlin von 1650 bis 1900, Berlin/ Leipzig 1987
5 Berlin und seine Bauten, hrsg. vom Architekten-Verein zu Berlin, Berlin 1877, 2. Teil, S. 46
6 Der Bär, Illustr. Wochenschrift, IV. Jg., Nr. 13 vom 1. Juli 1878, S. 131

Bildquellen:
Landesarchiv Berlin, A Rep. 010-01-02,
Nr. 27754, Abb. 81
Repros: Archiv Autor

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© Edition Luisenstadt, Berlinische Monatsschrift Heft 7-2/2001
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