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Hans-Peter Doege
Zwischen Historismus und Moderne

Der Architekt Franz Heinrich Schwechten (1841-1924)

Wer durch die Stadt geht, kann noch Bauwerke oder Überreste von Schwechten-Bauten entdecken, die entweder in moderne Architektur integriert sind oder für sich allein stehen. Das sind u. a. das Portal des Anhalter Bahnhofes in Kreuzberg, der Giebel des Kraftwerkes Moabit oder der Eingang für Beamte der AEG in der Brunnenstraße.
     Im Zentrum der Stadt steht der »hohle Zahn«, die Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche, und wenn man auf der Havel entlangschippert, grüßt einen aus der Ferne der Grunewaldturm, der bei seiner Einweihung 1899 natürlich Kaiser-Wilhelm-Turm hieß. Alles Bauten eines Architekten, der in Berlin Spuren hinterlassen hat, der zu Lebzeiten gerühmt, aber auch kritisiert wurde.

Mit 28 Jahren Schinkelpreisträger

Franz Heinrich Schwechten wurde am 12. August 1841 in Köln geboren.


Franz Heinrich Schwechten

Er besuchte dort das Friedrich-Wilhelm-Gymnasium und wurde dort auch Schüler des Erbauers des Berliner Doms, Julius Raschdorff (1823-1914). Von 1861 bis 1863 studierte er an der Berliner Bauakademie. Nach dem Studium arbeitete er u. a. unter Friedrich August Stüler (1800-1865).

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Beamteneingang der AEG, 1896 bis 1897 erbaut

 
Kraftwerk Moabit

     Mit 28 Jahren gewann Franz Heinrich Schwechten in einem Wettbewerb des Berliner Architektenvereins den Schinkelpreis. Schwechten hatte einen Entwurf für ein »Parlamentshaus für Preußen« eingereicht. Der Schinkelpreis ermöglichte ihm von 1869 bis 1870 einen Aufenthalt in Italien.
     Als er nach Berlin zurückkehrte, machte er sich als Privatarchitekt selbstständig. 1871 wurde er Chef des Entwicklungsbüros der »Berlin-Anhalter Bahn«. Diese 1841 eröffnete und die Städte Berlin, Cöthen und Wittenberg verbindende Bahn sollte ein repräsentatives Empfangsgebäude erhalten.

Berühmt und geehrt

Der Anhalter Bahnhof war Schwechtens erste große Schöpfung. Er entstand zwischen 1875 und 1880. Durch diesen Bau wurde noch ein Mann berühmt: der Ingenieur Heinrich Seidel (1842-1906, BM 8/92), Verfasser des Romans »Leberecht Hühnchen«. Nach Fertigstellung dieser ersten großen Arbeit erhielt Schwechten in kurzer Zeit viele Aufträge.

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Er wurde Mitglied der Akademie der Künste (1885), der Bauakademie (1889), Königlicher Baurat (1888). In dieser Zeit erhielt er viele Ehrungen: den Roten Adlerorden IV. Klasse, den Kronenorden III. Klasse, den Orden vom Zähringer Löwen und das Ritterkreuz I. Klasse mit Eichenlaub.

Schwechtens Gedächtniskirche

Auch als Kirchenbauer machte sich Franz Heinrich Schwechten einen Namen. Von ihm stammen die Apostel-Paulus-Kirche in der Grunewaldstraße (1892/94), die St.-Simeonskirche in der Wassertorstraße (1893/94) und die Nazarethkirche auf dem Herrfurthplatz in Neukölln (1905).
     Und er schuf die Kirche, die heute neben dem Anhalter Bahnhof zu seinem Hauptwerk gerechnet wird: die Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche. Der 32-jährige Kaiser Wilhelm II. hatte einen Wettbewerb für eine Kirche ausgeschrieben, die dem Gedächtnis an seinen Großvater, Kaiser Wilhelm I., gewidmet sein sollte. Er bestimmte auch sofort den Ort; 1890 wurde der vorgesehene Platz nach seiner Gemahlin Auguste Viktoria benannt (heute Breitscheidplatz).


Ruine der Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche mit dem neuen Eiermann-Bau
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Der Grunewaldturm, ein immer gern besuchtes Ausflugsziel
Sieger des Wettbewerbes wurde Schwechten, von Zeitgenossen für seine Umsetzung des architektonischen »Geschmacks« Wilhelms II. heftig kritisiert. Schwechten hatte den Bau als spätromanische Zentralanlage in Form eines lateinischen Kreuzes konzipiert. Gigantomanie, sagten die Kritiker, der Hauptturm z. B. wies eine Höhe von 113 m auf.
     Nach Fertigstellung dieses Bauwerkes erhielt er zu seinem Königlichen auch den Geheimen Baurat hinzu und wurde Professor an der Bauakademie. Von 1914 bis 1918 war er auch Präsident der Akademie der Künste.
     Schwechten, zwischen Historismus und Moderne stehend, gab vor allem bei den Industriebauten viele Beispiele seines Könnens. Wo er aufhörte, setzte später Peter Behrens (1868-1940) an.
     Im Alter kam er zur Ruhe. Er wohnte in der Lützowstraße 65/66, sein Atelier in der Nr. 68 verließ er kaum und leitete nur noch eine Meisterklasse an der Technischen Hochschule Charlottenburg. Franz Heinrich Schwechten starb am 11. August 1924 in Berlin. Sein Ehrengrab befindet sich auf dem Alt-Schöneberger Friedhof an der Hauptstraße.

Bildquellen: Sammlung Doege,
Fotos LBV/ Rheden, Uhlenhut

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© Edition Luisenstadt, Berlinische Monatsschrift Heft 7-2/2001
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