203   Geschichte und Geschichten Bankenkrach von 1931  Nächstes Blatt
Horst Wagner
Schaltersturm durch Bankenkrach

»Der 13. Juli ist zweifellos der schwerste Tag, den die deutsche Wirtschaftsgeschichte je zu verzeichnen gehabt hat.« So begann der »Berliner Lokal-Anzeiger« in der Abendausgabe vom Montag, dem 13. Juli 1931, seinen Kommentar auf Seite 1. Er beschäftigte sich mit dem Zusammenbruch des damals zweitgrößten deutschen Geldinstituts, der Darmstädter und Nationalbank, besser bekannt unter ihrer Abkürzung Danat-Bank. Maßgeblicher Grund für den Krach, so Vertreter der Bank, sei der allein seit Mai erfolgte Abfluss von 650 Millionen Reichsmark vor allem ins Ausland und der Bankrott eines Hauptkrediteurs gewesen. Insgesamt, so wusste das »Berliner Tageblatt« in diesem Zusammenhang zu berichten, habe Deutschland in den zurückliegenden Wochen und Monaten durch Kapitalflucht vier Milliarden Reichsmark verloren.
     Nach dem Bekanntwerden des Krachs der Danat-Bank setzte ein Sturm auf die anderen Banken und Sparkassen ein, um hier größere Summen abzuheben.

Das hatte zur Folge, dass bereits gegen Montagmittag einige Geldinstitute ihre Schalter wegen Zahlungsunfähigkeit schließen mussten. Um einem Zusammenbruch des ganzen deutschen Bankenwesens vorzubeugen, erließ Reichspräsident Hindenburg noch am Montag, kurz vor Mitternacht, eine Notverordnung. Mit ihr wurde »auf Grund der zum Teil erheblichen Abhebungen von Depositen« die Schließung aller Banken und Sparkassen für die folgenden zwei Tage angeordnet. Die Berliner Börse, wo es am Sonnabend zuvor außerordentlich hohe Devisenforderungen gegeben hatte, war bereits am Montag geschlossen worden und blieb das die ganze Woche.
     Auf Grund der außergewöhnlichen Situation begab sich Reichspräsident Hindenburg von seinem Landsitz Neudeck in die Reichshauptstadt, wo er sich am Mittwochvormittag von Reichskanzler Brüning Bericht erstatten ließ. Für die Berliner Polizei war schon am Montag verstärkter Streifendienst angeordnet worden, um, wie es hieß, »alle etwaigen Versuche, die augenblickliche Situation durch Aufhetzung der breiten Massen auszuschlachten, sofort im Keime zu ersticken«.
     Zu einem Aufruhr kam es nicht. Aber: »Berlin spart«. Unter dieser - sehr heutig anmutenden - Überschrift fasste das »Berliner Tageblatt« am Donnerstag, dem 16. Juli, die ersten Folgen des Bankenkraches zusammen.
BlattanfangNächstes Blatt

   204   Geschichte und Geschichten Bankenkrach von 1931  Voriges BlattArtikelanfang
Manche Einzelhandelsgeschäfte und Warenhäuser hätten zwar durch Preisherabsetzung auf die eingetretene Geldknappheit reagiert und deshalb keine allzu großen Umsatzeinbußen erlitten, aber in den Theatern sei der Besuch um über 50 Prozent zurückgegangen, ebenso in den Gaststätten, »selbst in den einfacheren Bierlokalen«.
     Wie der »Lokal-Anzeiger« in seiner Bilanz berichtete, sei »vorläufig darauf verzichtet worden, dänische Butter und holländisches Gemüse (Tomaten, Gurken) zu kaufen«, weil die Händler infolge der Unsicherheiten mit der Mark dafür Devisen forderten. Auch sei es zu einem starken Abflauen des Reiseverkehrs gekommen. »Da viele Beamte sich ihr Gehalt auf ein Bankkonto überweisen lassen, namentlich aber zahlreiche Privatleute ihre Gelder bei der Sparkasse oder einem Bankinstitut haben, sind sie plötzlich ohne größere Geldmittel.« Viele hätten deshalb geplante Ferienreisen nicht antreten können. Bestellte Fahrkarten seien wieder abbestellt worden. Auch habe es zusätzlich Zwangsvollstreckungen gegeben, weil etliche Schuldner, die an sich zahlungswillig waren, wegen fehlenden Bargeldes nicht zahlen konnten.
     Ob der 13. Juli 1931 tatsächlich »der schwerste Tag in der deutschen Wirtschaftsgeschichte« war, sei dahingestellt. Zweifellos kennzeichnete er einen neuen Höhepunkt der im Oktober 1929 begonnenen und bis 1932 andauernden Weltwirtschaftskrise.
Im Zusammenhang mit dem Bankenkrach vom Juli 1931 beschäftigte sich das »Berliner Tageblatt« auch mit der Frage, ob es nicht an der Zeit sei, Kapitalflucht und Devisenspekulationen durch entsprechende Gesetze, wenn schon nicht ganz zu verhindern, so doch wenigstens zu beschränken. Man kam freilich zu dem Schluss, dass das wohl kaum erfolgreich sein könne. Denn: »Die Methoden sind gar zu zahlreich, die es besonders Wirtschaftsunternehmen ermöglichen, Kapital nach dem Ausland zu schaffen«, hieß es dazu in der Morgenausgabe vom 15. Juli 1931. Was nun auch wieder ziemlich heutig klingt.
BlattanfangArtikelanfang

© Edition Luisenstadt, Berlinische Monatsschrift Heft 7-2/2001
www.berlinische-monatsschrift.de