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Horst Wagner
Nach dem Duell das Kriegsgericht

Der Streit zwischen Oswald von Richthofen und Wilhelm von Gaffron

»Das Duell Richthofen-Gaffron vor dem Kriegsgericht« titelte der »Berliner Lokal-Anzeiger« in seiner Abendausgabe vom Mittwoch, dem 19. Juli 1911, in besonders großen Lettern. Auch in der seriösen »Vossischen Zeitung« war der Bericht aus dem Verhandlungssaal der Landwehr-Inspektion in der Papestraße auffälliger aufgemacht als Gerichts-Informationen sonst.
     Das außergewöhnliche Medieninteresse verwundert nicht. Handelte es sich doch bei dem nach § 206 des Reichsstrafgesetzbuches (»Wer seinen Gegner im Zweikampf tötet, wird mit Festungshaft nicht unter zwei Jahren bestraft«) Verurteilten um keinen Geringeren als den Freiherrn Oswald von Richthofen (1878-1953), einen Sohn des Staatssekretärs im Auswärtigen Amt. Und die »Ehrensache«, um die es beim Duell ging, war ein Streit um ein Darlehen, für das der Todesschütze die Erbschaft seines höchstbeamteten Vaters verpfändet hatte. Das Duell hatte reichlich zwei Monaten zuvor, am 10. Mai, in der Jungfernheide stattgefunden. Der eigentliche Anlass lag allerdings schon drei Jahre zurück.

     Es war im Jahre 1908, als Freiherr von Richthofen junior, zu dieser Zeit 23 Jahre alt und Leutnant im 2. Ulanen-Garderegiment, den ihm aus Sportwettkämpfen bekannten Wilhelm von Gaffron, ebenfalls im Offiziersrang und gelegentlicher Kunstmaler (er hatte auch schon mal Wilhelm II. porträtiert), um ein Darlehen von 25 000 Reichsmark bat, »um seine drückenden Schulden tilgen zu können. Er deutete an, daß er mit ziemlicher Sicherheit darauf rechne, eine reiche Amerikanerin zu heiraten, wodurch er in die Lage käme, das Darlehen zurückzuzahlen«, wie es im Lokal-Anzeiger hieß. Herrn von Gaffron schien das keine ausreichende Bürgschaft. Darauf bot Richthofen, wie der »Lokal-Anzeiger« weiter berichtete, »zur Sicherheit eine ihm zustehende, von seinem Vater, dem verstorbenen Staatssekretär des Auswärtigen Amtes, herrührende Erbschaft im Werte von mehr als 40 000 Mark an, die nach fünf Jahren auszuzahlen sei«. Damit erklärte sich Gaffron einverstanden. Es wurden fünf Prozent Jahreszinsen für das Darlehen vereinbart, und ein Notar besiegelte unter dem Datum des 22. Juni 1908 den Handel. Allerdings brachte dieser das Ganze, da die Verpfändung einer Erbschaft juristisch nicht möglich sei, in die Form eines Kaufvertrages. Genauer gesagt, es wurden zwei Verträge geschlossen, der eine, um den rechtlichen Schein zu wahren, über die ganzen 40 000 Mark; der andere, unter der Hand, über 25 000 Mark, die Richthofen tatsächlich bekam.
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     Im November 1908 reiste Richthofen nicht zwecks Heirat nach Amerika, sondern zwecks Jagd- und anderer Vergnügungen nach Afrika. Inzwischen hatte es um das zweifelhafte Darlehensgeschäft allerhand Tuscheleien im gesellschaftlichen Umfeld des Herrn Gaffron gegeben, und Oswald von Richthofen hatte seinen Brüdern offenbaren müssen, dass er für die Erbschaft nicht 40 000 sondern nur 25 000 Mark erhalten habe, was nun wieder Gaffron nicht wahrhaben wollte. Er schrieb Richthofen mehrere Briefe, in denen er ihn beschuldigte, seinen, Gaffrons, guten Ruf zu schädigen, und drohte wohl auch mit einem Duell. Richthofen war darob sehr ungehalten und forderte nun seinerseits Genugtuung. Nachdem Richthofen im Oktober 1909 nach Berlin zurückgekehrt war, besuchte er am 8. November mit einem Regimentskameraden das Weinrestaurant »Traube«. »Da sah ich Herrn Gaffron eintreten«, so Richthofen bei seiner Vernehmung. »Ich sah absichtlich weg und las die Speisekarte, bemerkte dabei nicht, dass Herr von Gaffron in einem Bogen zu mir herantrat. Hastig sagte er zu mir: Sie haben mir einen Brief geschrieben. Hier haben Sie die Antwort - und schlug mir ins Auge.« Bevor noch Richthofen oder sein Regimentskamerad reagieren konnten, war der Angreifer aus dem Lokal heraus und in seinem Auto weggefahren. Schon am nächsten Morgen schickte Richthofen Gaffron eine Duellforderung. Dieser nahm nicht an, weil Richthofen nicht »satisfaktionsfähig« sei, und wurde erst einmal in einem von Richthofen angestrengten Beleidigungsprozeß zu 500 Mark Geldstrafe verurteilt, forderte aber wieder seinerseits Richthofen zum Duell. Dieses fand am 10. Mai 1911, morgens 4 Uhr, in der Jungfernheide statt. Die Bedingungen lauteten: 15 Schritt Distanz und Kugelwechsel bis zur Kampfunfähigkeit. Sie galten als außergewöhnlich schwer und waren auf Forderung von Gaffron gewählt worden, der als guter Schütze bekannt war. Der erste Kugelwechsel blieb folgenlos. Beim zweiten wurde Gaffron tödlich getroffen.
     Am 19. Juli dann also der Prozess vor dem Kriegsgericht. »Der Angeklagte erscheint wenige Minuten vor 10 Uhr«, kann man darüber im »Lokal-Anzeiger« lesen. »Er hat den Dienstanzug angelegt mit Feldbinde und Orden. Die Brust ziert das goldene Bandolier. Er ist ein großer schlanker Mann in der Mitte der zwanziger Jahre. Das Monokel sitzt fest im Auge.« Nach kurzer Vernehmung des Angeklagten und den Aussagen der Zeugen erging nach einigen Stunden schon das Urteil. Das unterste Strafmaß - zwei Jahre Festungshaft - sei gewählt worden, so hieß es in der Begründung, weil Richthofens Duellgegner Gaffron »nicht als Kavalier« gehandelt habe, als er Richthofen 25 000 Mark lieh, aber 40 000 zurückverlangte.
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© Edition Luisenstadt, Berlinische Monatsschrift Heft 7-2/2001
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