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Täglich zum Pariser Platz

Der Maler Harald Metzkes über sein Bild »Brandenburger Tor«

In der ständigen Ausstellung des Märkischen Museums wird das Ölbild »Brandenburger Tor« von Harald Metzkes, Jahrgang 1929, gezeigt. Es entstand 1978, zu einen Zeitpunkt also, da das Tor sowohl im Osten als auch im Westen der Stadt vor allem als Teil der Grenze wahrgenommen worden ist. In den fünfziger Jahren hatte sich kaum ein Maler für das Motiv interessiert. Oskar Nerlingers Grafikblatt von 1952 (Titelbild BM 3/2001) ist da die seltene Ausnahme. Erst recht mit und nach dem Bau der Mauer wurde das Tor vor allem Thema und Symbol in der politischen Auseinandersetzung. Insofern markiert die Entstehung des Bildes in den späten siebziger Jahren auch die damalige Phase der Ost-West-Entspannung. Als Bildmotiv blieb das Brandenburger Tor aber eine Randerscheinung. Längst hatten beide Stadthälften ihre eigenen Zentren gesucht und dem Tor den Rücken zugewandt. Harald Metzkes, der heute östlich von Berlin lebt, hatte zu jener Zeit sein Atelier am Kollwitzplatz in Prenzlauer Berg. Er erinnert sich gern an die eher unspektakulären Umstände der Entstehung des Tor-Bildes und seines späteren Eigenlebens.


Der Maler Harald Metzkes im Mai 2001

Bekamen Sie damals den Auftrag, ein politisches Bild zu liefern?
     Harald Metzkes: Es mag heute überraschend klingen, aber ich habe - mit einer Ausnahme in den späten fünfziger Jahren - im Wesentlichen im eigenen Auftrag gemalt. So war auch dieses Bild von niemandem bestellt, mich hat niemand geschickt, und es waren auch mehr persönliche als politische Gründe, warum das Bild entstand. Es hatte auch mit meiner damaligen Auffassung von Malerei zu tun. In den fünfziger und den sechziger Jahren habe ich mich mit Figur und Stillleben befasst, außerhalb des Ateliers hat mich damals höchstens das Meer als schwarze mystische Fläche interessiert.

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Erst in den siebziger Jahren arbeitete ich ausschließlich nach der Natur, erst dann wurde für mich der Außenraum mit Mensch und Bauwerk wesentlich. Es geht mir immer auch darum, optische Glaubhaftigkeit zu erreichen. Das gilt auch für dieses »Brandenburger Tor«, obwohl es natürlich symbolisch überhöht ist. Seit dem Franzosen Paul Cézanne (1839-1906) bemühen sich Maler wieder bewusst darum, die Realität nicht einfach nur abzubilden, sondern das Chaos zu ordnen. Und seit den Expressionisten sieht man, wie der innere psychische Druck sich seine Ausdruckswege sucht. Bewusst, aber auch unbewusst.
     Ich bin da sicherlich mit meiner Arbeitsweise keine Ausnahme. Bildtektonik, das bedeutet für mich die Natur in der Übersetzung. Man sieht hin und macht dann ja etwas anderes; selbstverständlich habe ich auch diese Komposition gründlich erarbeitet.

Der Maler Harald Metzkes hat in meiner deutlichen Erinnerung über viele Jahre fast immer stille Bilder gezeigt, die durch ihre große malerische und damit auch geistige Dichte auffielen und sich einprägten. Gab es für Sie nur einen inneren, keinen äußeren Druck?
     Harald Metzkes: 1959 entstand im Auftrag des Kulturfonds, nach Studien beim VEB Bergmann-Borsig, das Bild »Polytechnischer Unterricht«, das damals viel diskutiert und ziemlich bekannt wurde.

Danach habe ich nur noch ab und zu Tafelbilder im Auftrag gemalt. Ich hatte das ganz große Glück, dass ich mein Geld mit Buchillustrationen und vor allem mit vielen Buchumschlägen verdienen konnte. Da ich kein gelernter Gebrauchsgrafiker, sondern Maler bin und also keine Schrift kann, wurden es gemalte Buchtitel, manchmal mit freier Handschrift gestaltet. Das war damals in Mode. Die Aufträge kamen vor allem vom Verlag Volk und Welt, wo ich als Partner den Buchgestalter Lothar Reher hatte. Eine sehr fruchtbare Zusammenarbeit. Deutsche Erstausgaben von Bulgakow oder Leonow und viele Bücher von Nordländern fallen mir als Ergebnisse ein. Deshalb konnte ich für mich ohne jeden finanziellen Druck meine Bilder malen, und viele Leute haben sie in den Ausstellungen gesehen.

Dieser Tage kam mir Christa Wolfs »Unter den Linden« in die Hände, ein kleiner Band fantastischer Geschichten, der 1974 bei Aufbau erschien. Der Umschlag stammt von Ihnen: Ein Kater balanciert im Handstand auf dem Brandenburger Tor. Zu Mauerzeiten schon ein verblüffendes, wohl eher selten geübtes Kunststückchen. Deshalb noch einmal nachgefragt - gab es doch einen äußeren Anlass, die Pferde auf dem Tor gerade zu jenem Zeitpunkt zu malen?

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Das Bild »Frühstück der Wilddiebe«, aufgenommen im Keller der Akademie der Künste.
Mit der Abnahme von der Wand samt Putzunterlage wurde es von der Firma »Restaurierung am Oberbaum«, die uns auch freundlicherweise das Foto zum Abdruck überließ, restauratorisch betreut
     Harald Metzkes: Schön, dass Sie mich an das Büchlein erinnern. Ich hatte und habe noch immer eine enge Bindung zu diesem Ort, aber ich weiß wirklich nicht mehr, warum ich gerade Ende der Siebziger dort hingegangen bin. Es war von früher her in mir angestaut, aufgehoben, der kleinste Anstoß hat es dann in dieses Bild verwandelt. Es ging mir da nicht um irgendwelche Details, sondern um die Wirkung der Baumassen. Nach fast einem Vierteljahrhundert freue ich mich, dass so auch Zeitsituation festgehalten ist. Also reden wir über die Vorgeschichte, denn es ist wahrlich kein Zufall, dass ich das Bild im Kopf hatte. Eine dazu passende Entdeckung ging ja voriges Jahr durch die Berliner Zeitungen.
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Bekanntlich war am Pariser Platz beim Abriss der alten Keller der Akademie ein quasi vorgeschichtlicher Fund gemacht worden. Die Fundus-Gruppe, die einen Teil des bisherigen Grundstücks von der Akademie der Künste für ihren Erweiterungsbau am Hotel Adlon gekauft hatte, brauchte Baufreiheit für den Neubau. Und dabei fanden sich an den Kellermauern nahe der Heizung mehrere direkt auf die Wand gemalte Bilder von 1957 und 1958, darunter auch eines von mir: »Frühstück der Wilddiebe« ist ein Bild mit kräftigen Kontrasten. Entstanden ist es damals für unseren Akademie-Fasching. Eigentlich sind es zwei Bilder übereinander, denn das erste habe ich im darauf folgenden Jahr übermalt. Man könnte die Schichten, falls das geht, sogar wieder trennen. Es ist schon gut, dass das Bild samt Putzunterlage in die Fundus-Räume übertragen wird und also erhalten bleibt. In meiner Zeit der Wilddiebe, nämlich von 1955 bis 1958, hatte ich den täglichen Blick aufs Brandenburger Tor, ein damals alltägliches Gegenüber. Ich war Meisterschüler der Akademie, bin dort vor dem Tor aus der Tunnel-S-Bahn hochgekommen oder vom U-Bahnhof Thälmannplatz (heute Mohrenstraße) bis zum Pariser Platz gelaufen. Das Atelierhaus der Akademie war der letzte Rest des alten Gebäudes und diente jahrzehntelang als Atelier für die Akademiemitglieder und für die Meisterschüler. Ich hatte den Tor-Blick aus dem Treppenhausfenster. Der Bildhauer Fritz Cremer (1906-1993) war damals wichtig als Meister, zu meinen Kollegen gehörten die Maler Manfred Böttcher (1933-2001) und Ernst Schröder, auch Werner Stötzer, der Bildhauer.
     Ich fuhr täglich von Weißensee, wo ich als möblierter Herr wohnte, zur Akademie - und von der Akademie nach Weißenseee. Eine Fahrt durch das graue Berlin. 1961 bin ich dann in die Kollwitzstraße Nr. 59 gezogen.

Interessierte Sie das Tor in den fünfziger Jahren als bedeutendes nationales Architekturdenkmal?
     Harald Metzkes: Kaum. Das war damals so eine düster eingefärbte Architektur direkt an der Sektorengrenze, und ich sah vor allem die monumentale Schwere dieses Bauwerks. Dort standen zu jeder Tageszeit die Wachposten, die direkt am Tor die damals noch durchfahrenden Autos kontrollierten. Ich erlebte den Langhansbau als etwas Großes, sehr Unbelebtes, ringsherum war als Normalzustand die Leere. Zunächst war oben allein die rote Fahne, damit bekam die Grenze für mich etwas Bildliches. Komischerweise änderte sich an meinen damaligen Gefühlen auch nichts, als die Pferde wieder drauf waren.

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Auf Ihrem Bild stürzen die Pferde ja dann über den Portikus nach vorn hinaus; in der Kunstgeschichte werden die apokalyptischen Reiter von Dürer bis Böcklin als Sinnbild kommenden Schreckens gedeutet. Hatten Sie beim Malen an Derartiges gedacht?
     Harald Metzkes: Mir ging es eigentlich nur um die bewegten Pferde und um die Masse des Bauwerks. Dahinter steckt keine Theorie und auch keine geheime Botschaft. Pferde liebte ich schon, als ich noch klein war. Ich stamme aus Bautzen, habe als Kind manchmal meine Großeltern in Berlin besucht. Wenn wir in ihrem Auto damals durch das Tor gefahren sind, habe ich über die Pferde da oben gestaunt. Und dann habe ich sie eben irgendwann einmal gemalt ...

Das Bild hängt heute in der Ständigen Ausstellung des Märkischen Museums zur Berlin-Geschichte. Laut Ausstellungskatalog von 1992 kam es in den achtziger Jahren nach West-Berlin. Ihr »Brandenburger Tor« bekam also ein Eigenleben?
     Harald Metzkes: Ich hatte es 1986 an das Berlin-Museum verkauft. Daran erinnere ich mich gern, denn im September 1986 bekam ich in der Galerie Neiriz am Kurfürstendamm eine Personalausstellung, von der es auch einen schönen Katalog gibt. Andere Ausstellungen hatte ich vorher schon viele, darunter auch 1977 eine eigene Werkausstellung in der Nationalgalerie. Aber dies war meine erste eigene Ausstellung in West-Berlin.

Das ist damals auf die übliche Weise über den Staatlichen Kunsthandel der DDR abgewickelt worden, und auch der Verkauf ging über den Kunsthandel. 1992 war das Bild dann in der Ausstellung zur Geschichte des Brandenburger Tores zu sehen, und mit der Zusammenführung der Bestände des damaligen Berlin-Museums und des Märkischen Museums in der Stiftung Stadtmuseum kam es sozusagen in die Berliner Mitte zurück. Ich habe das mit Aufmerksamkeit verfolgt und freue mich, dass es nun im Märkischen Museum hängt und also gut aufgehoben ist.

Das Gespräch führte Bernd S. Meyer
Bildquelle:
Foto Bernd S. Meyer

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© Edition Luisenstadt, Berlinische Monatsschrift Heft 6/2001
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