120   Novitäten Eröffnung Deutsche Oper  Nächstes Blatt
Peter Spahn
24. September 1961:
Eröffnung der Deutschen Oper

Sechs Wochen nach dem Mauerbau, der auch das Berliner Musikleben trennte, wurde am 24. September 1961 das neue Haus der Deutschen Oper Berlin in der Charlottenburger Bismarckstraße eröffnet. Der Architekt Fritz Bornemann schuf - unter Einbeziehung der alten Grundmauern - einen modernen Glas- und Betonbau. Der ansteigende arenaförmige Zuschauerraum, ohne Schmuckelemente, mit offenen Rängen und seitlichen Logen, bietet Platz für 1 885 Personen.
     Die Eröffnung war ein großes kulturelles Ereignis und eine wesentliche Grundlage für die Opernentwicklung in der Westhälfte der Stadt. Und: Man befand sich auf historischem Boden. Hier war bereits am 7. November 1912 das von Stadtbaurat Heinrich Seeling entworfene »Deutsche Opernhaus« mit 2 300 Plätzen eröffnet worden. Damals erklang Ludwig van Beethovens Oper »Fidelio«. Nach einer nicht immer erfolgreichen Geschichte musste Ende 1924 die Stadt Berlin das in Konkurs geratene Haus übernehmen. Als Städtische Oper wurde es dann am 18. September 1925 mit Richard Wagners »Die Meistersinger von Nürnberg« unter der Leitung von Bruno Walter wieder eröffnet.

Im Mai 1931 wurde der 44-jährige Schauspieler und Regisseur Carl Ebert Intendant. Nach dem Machtantritt der Nationalsozialisten emigrierte Ebert über die Schweiz und Südamerika nach England und in die USA.
     1954 wurde er erneut als Intendant der Städtischen Oper berufen. Zu dieser Zeit begannen die Planungen für ein neues Opernhaus. Das Gebäude in der Bismarckstraße war am 24. November 1943 durch Bomben zerstört worden. Bereits wenige Wochen nach Kriegsende begann der Spielbetrieb im nahezu unbeschädigt gebliebenen Theater des Westens in der Kantstraße.
     Jetzt also hatte Ebert die Vorbereitungen zum Umzug in das neue Haus abgeschlossen. Als letzte Vorstellung im Theater des Westens fand am 25. Juni 1961 Mozarts »Cosi fan tutte« in seiner Inszenierung statt. Ebert, inzwischen 74 Jahre alt, übernahm noch die Regie für die glanzvolle Eröffnung am 24. September mit Mozarts »Don Giovanni«. Unter der musikalischen Leitung von Ferenc Fricsag sangen Dietrich Fischer-Dieskau, Donald Grobe, Pilar Lorengar, Elisabeth Grümmer, Erika Köth und Ivan Sardi. Für die Intendanz stand Ebert nicht mehr zur Verfügung, er blieb dem Haus aber als Regisseur verbunden.
     In das neue Gebäude zieht das Ensemble der Städtischen Oper nun als das der Deutschen Oper Berlin. Die Leitung des Hauses wird Gustav Rudolf Sellner übertragen.
BlattanfangNächstes Blatt

   121   Novitäten Eröffnung Deutsche Oper  Voriges BlattNächstes Blatt
Sellner, geboren am 25. Mai 1905 in Traunstein (Oberbayern), gestorben am 8. Mai 1990 in Burgberg-Königsfeld (Schwarzwald), kam vom Landestheater Darmstadt, wo er 1951 bis 1961 Intendant war, nach Berlin. Der Städtischen Oper war er bereits durch seine Inszenierung von Arnold Schönbergs »Moses und Aron« verbunden, die seit 1959 erfolgreich auf dem Spielplan stand und einen entscheidenden Akzent für die Durchsetzung dieses Werkes auf den Opernbühnen gesetzt hatte. Ein neues Zeichen setzte er nun am Tag nach der Eröffnung mit seiner Inszenierung der auf Anregung Eberts entstandenen Uraufführung von »Alkmene« von Giselher Klebe nach Kleists »Amphitryon«. Noch in der Eröffnungswoche folgte am 29. September die Premiere von Verdis »Aida« in der Inszenierung von Wieland Wagner, der im gleichen Jahr auch noch »Lohengrin« von seinem Großvater Richard Wagner in der Bismarckstraße herausbringt. Und so ist diese Zeit von weiteren glanzvollen Premieren erfüllt. Karl Böhm, Bruno Maderna, Eugen Jochum, Bernhard Klee, auch Herbert von Karajan und schließlich Lorin Maazel stehen am Dirigentenpult, Dietrich Fischer-Dieskau, Anna Silja, Pilar Lorengar, Thomas Stewart, Donald Grobe gehören zum Solistenensemble. Sellner leitete dieses Haus bis 1972. In seiner Ära wird auf dem Gebiet der zeitgenössischen Oper Beachtliches geleistet. Auf dem Programm stehen, zum Teil als Uraufführungen: »Atlántida« von Manuel de Falla (1962), die Operntrilogie »Die Orestie des Aischylos« von Darius Milhaud (1963), die Hans-Werner-Henze-Opern »Der junge Lord« (1965) mit großem Erfolg und »Die Bassariden« (1966) sowie »Odysseus« von Luigi Dallapiccola (1968), »Lulu« von Alban Berg (1968), »200 000 Taler« von Boris Blacher (1969) und »Der Besuch der alten Dame« von Gottfried von Einem (1972).
     Nicht alle sind erfolgreich. Manche stoßen auf verständnislose Ablehnung und empörte Proteste. Es sind jene Jahre, in denen die Sänger von der Rampe zurücktreten und Regisseure die Szene beherrschen.
     Als Sellner nach über zehn Jahren sein Amt abgibt, übernimmt sein bisheriger Stellvertreter Egon Seefehlner die Intendanz der Deutschen Oper. Er setzte das hohe Niveau des Hauses fort, ohne allerdings selbst zu inszenieren, ebenso wie sein Nachfolger, der bekannte Cellist Siegfried Palm. Wieder stehen wichtige Uraufführungen auf dem Spielplan. 1980 kommt es zu dem ersten Aufsehen erregenden Dirigat von Giuseppe Sinopoli in Verdis »Macbeth« in der Regie von Luca Ranconi. Damit beginnt die Weltkarriere dieses Dirigenten, der am 20. April 2001 am Pult dieses Hauses während einer Vorstellung von Verdis »Aida« zusammenbricht und verstirbt.
BlattanfangNächstes Blatt

   122   Novitäten Eröffnung Deutsche Oper  Voriges BlattArtikelanfang
     In die zweite Hälfte der siebziger Jahre fallen auch die ersten Inszenierungen des künftigen Intendanten Götz Friedrich. Geboren am 4. August 1930 in Naumburg, hatte er in Weimar Theaterwissenschaft, studiert, bevor er 1953 Dramaturg und Regieassistent bei Walter Felsenstein an der Komischen Oper in Berlin und dort schließlich 1968 Oberspielleiter wurde. Nach Verlassen der DDR kam er 1973 als Chefregisseur an die Hamburgische Staatsoper und war seit 1976 außerdem als Leitender Regisseur an der Covent Garden Opera in London tätig.
     Friedrich wurde 1981 Generalintendant, Jesús Lopéz Cobos Generalmusikdirektor der Deutschen Oper. Friedrich brachte lebensvolle szenische Geschehnisse auf die Bühne, die die Musik zu höchster Ausdrucksfähigkeit und lebensbezogener Aussage steigerten. Verdi und Wagner blieben feste Säulen des Spielplans. »Die tote Stadt« (Korngold, 1983), »La Damnation de Faust« (Berlioz, 1983), »Pelléas und Mélissande« (Debussy, 1984), »Cosi fan tutte« (Mozart, 1985), »Orpheus in der Unterwelt« (Offenbach, 1983), »Turandot« (Puccini, 1986), »La Bohème« (Puccini), wurden ebenso in Szene gesetzt wie der »Ring der Nibelungen« (1985) von Richard Wagner, die weithin als eine der exemplarischen Deutungen anerkannt ist. Nicht nur die überzeugende Ensemble- und Solistenleistung, u. a. mit René Kollo, Matti Salminen, Simon Estes, Peter Hofmann und Julia Varady beeindruckten, sondern vor allem die atmosphärisch beklemmende Endzeitstimmung des in dem Zeittunnel von Peter Sykura visualisierten Bühnenbildes, die der detailreichen, durchdachten Bewegungsregie von Götz Friedrich den kongenialen Rahmen gab.
     Selbstverständlich blieb sich das Haus auch in der Verpflichtung zu Uraufführungen treu. Mauricio Kagels Oper »Aus Deutschland - Eine Liederoper« wurde am 9. Mai 1981 uraufgeführt. Der Dirigent war Michael Gielen, die Regie hatte der Komponist selbst übernommen. Am 1. November 1981 folgte »Die Nacht aus Blei« von Hans-Jürgen Bose. Die Oper »Die Gespenstersonate« des Berliner Komponisten Aribert Reimann kam am 25. September 1984 unter Friedemann Layer in der Regie von Heinz Lukas Kindermann zur Uraufführung. Am 4. Oktober 1987 führte der Intendant Götz Friedrich selbst Regie bei der Uraufführung von »Oedipus« von Wolfgang Rihm unter der musikalischen Leitung von Christof Prick.
     So prägte Götz Friedrich bis zu seinem Tod am 12. Dezember 2000 die Deutsche Oper zu einer international herausragenden Bühne.
BlattanfangArtikelanfang

© Edition Luisenstadt, Berlinische Monatsschrift Heft 6/2001
www.berlinische-monatsschrift.de