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Fit für die nächsten hundert Jahre

Bernd Kluge, Direktor des Berliner Münzkabinetts, zur Sanierung des Bodemuseums

Es ist geplant, die Sanierungsarbeiten im Bodemuseum zur Hundertjahrfeier der Eröffnung als Kaiser-Friedrich-Museum am 18. Oktober 2004 zu beenden. Doch wird es wohl noch eine Weile dauern, bis der volle Ausstellungsbetrieb angelaufen ist. Wann kann man das Bodemuseum, in dem auch das Münzkabinett untergebracht ist, wieder besuchen?
     Bernd Kluge: Vom Ende der Sanierung bis zur Einrichtung der durch Gemälde ergänzten Ausstellung der Skulpturensammlung sowie des Münzkabinetts wird sicher noch ein Jahr vergehen. Die lange Umbauzeit erklärt sich durch eine komplizierte Grundinstandsetzung vom Dach bis zum Keller. Das Haus wird vollständig erneuert, um danach im Originalzustand der Kaiserzeit plus High-Tech-Standard des 21. Jahrhunderts zu glänzen. Dazu gehören die behindertengerechte Erschließung ebenso wie die moderne Klimatisierung der Ausstellungen und Depots,

beides Erfordernisse, die in einen Bau, der vor hundert Jahren noch ohne elektrische Beleuchtung errichtet worden war, nur schwer zu integrieren sind. In einzelnen Räumen muss der Putz abgeschlagen werden, Fußböden werden erneuert, Wände geschlossen und neue geöffnet. Hinzu kommt, dass die Sammlungen in den letzten hundert Jahren beträchtlich gewachsen sind, trotz der Kriegsverluste. Vollständig haben sich die Konzepte für Ausstellungen, Restaurierungen und Magazinierung verändert, alles Dinge, die beim Umbau zu berücksichtigen sind und auch in Einklang mit den strengen Auflagen des Denkmalschutzes gebracht werden müssen.

 

Bernd Kluge öffnet die gepanzerten Fensterläden auf der Baustelle im Bodemuseum

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Was ergibt sich daraus für das Münzkabinett?
     Bernd Kluge: Für das Münzkabinett, das sich bis hin zum Mobiliar noch viel von seiner Originaleinrichtung bewahrt hat, besteht die einmalige Chance, sich räumlich, technisch und in der Ausstattung fit zu machen für die nächsten hundert Jahre. Außerdem gewinnen wir einigen Platz hinzu, sodass wir beispielsweise auch unsere Bibliothek besser aufstellen können. All das muss gründlich geplant und in der Ausführung ständig überwacht werden, damit am Ende das heraus kommt, was wir uns vorstellen, ein Museumszweckbau für ein Münzkabinett, wie es ihn in Europa nicht noch einmal gibt. Es soll das numismatische Erbe eines Wilhelm von Bode und Julius Menadier ebenso bewahren wie den wissenschaftlichen und musealen Erfordernissen des 21. Jahrhunderts gerecht werden.

Wie muss man sich die Erneuerung vorstellen?
     Bernd Kluge: Dazu ein Beispiel: Das Münzkabinett ist berühmt für sein fast 60 Meter langes und sieben Meter breites Sammlungsdepot, das wie ein Banktresor gebaut und gesichert ist. Hier wird die von der Panzer AG Berlin zwischen 1900 und 1904 hergestellte Einrichtung, die von den Tresortüren und den Stahlverkleidungen der Fenster bis zu den Sammlungsschränken von beispielhafter Präzision und Zweckmäßigkeit ist, restauriert und für den inzwischen gewachsenen Bestand durch drei im gleichen Stil nachgebaute Stahlschränke ergänzt.

Umbau und Restaurierung des Münzkabinetts besorgen wir gemeinschaftlich mit dem Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung, das auch alle anderen Bauten auf der Museumsinsel betreut, und dem Berliner Architektenatelier Christoph Fischer. Die Gesamtkosten für die Sanierung des Münzkabinetts belaufen sich auf etwa zehn Millionen Mark, die des Bodemuseums auf über 200 Millionen Mark.

Ist die Generalsanierung des Bodemuseums überhaupt möglich, wenn große Teile der Bestände im Haus bleiben, besteht da nicht Gefahr für die Kunstwerke?
     Bernd Kluge: Damit sprechen Sie das eigentliche, wirklich schwierige Problem der Museumssanierung an. Es dürfte ziemlich einmalig sein, dass ein Museum grundsaniert wird, von dem nur die Ausstellungsflächen geräumt, dessen Depots aber weiter voll mit Kunst sind. Das ist vergleichbar etwa mit der Instandsetzung eines Wohnhauses, dessen Wohnungen weiter belegt sind.

Gab es keine Möglichkeit, die Bestände auszulagern?
     Bernd Kluge: Leider nein, man hätte ein neues Museum bauen müssen. Einiges wurde zwar in Außendepots geschafft, das meiste blieb aber im Haus. Das betrifft nicht nur die Sammlung des Münzkabinetts, sondern auch die Skulpturensammlung und das Museum für byzantische Kunst.

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Während der Bauarbeiten hat die Sicherheit und Unversehrtheit des Kunstgutes oberste Priorität. Das erfordert eine subtile Technologie und Logistik mit der permanenten Verzahnung von Notwendigkeiten des Museumsbetriebs mit den baulichen Erfordernissen.

Welche Arbeitsmöglichkeiten haben Sie während der Schließung des Münzkabinetts und der eingeschränkten Benutzbarkeit der Bestände?
     Bernd Kluge: Einen großen Teil unserer Zeit verwenden wir darauf, unsere Bestände vor den Bauarbeiten in Sicherheit zu bringen und zu halten. Die Sammlung beherbergt unter Einschluss der Abgüsse gut 700 000 Objekte. Sie müssen sämtlich während der Bauzeit zweimal, manche noch öfter umgelagert und über mehr oder weniger lange Strecken bewegt werden. Natürlich ist dabei peinlichste Sorgfalt zu beachten, damit die Ordnung der Sammlung nicht durcheinander kommt. Allein im vergangenen Jahr waren es über 5 000 (von insgesamt 10 000) Münzladen, die ausgeräumt und neu untergebracht wurden. Unfallfrei!

Das Bodemuseum, 1904 als Kaiser-Friedrich-Museum eröffnet, wird von Dach bis Keller saniert

Das Berliner Münzkabinett ist eine der größten Münzsammlungen der Welt. Wie wirkt sich die Schließung auf die wissenschaftliche, insbesondere die internationale Benutzung des Kabinetts aus?
     Bernd Kluge: Für die Wissenschaftler bietet die Zeit des Umbaues die Möglichkeit, sich stärker langfristigen Projekten zu widmen. Dazu gehören Bestandskataloge, an denen wir gegenwärtig verstärkt arbeiten, aber auch Ausstellungen und Veranstaltungen außerhalb Berlins.

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So hatten wir maßgeblichen Anteil an dem im vergangenen Jahr in Weimar veranstalteten FIDEM-Kongress und haben in Gotha die Ausstellung »Die Medaille und Gedenkmünze des 20. Jahrhunderts in Deutschland« gezeigt, zu der auch ein umfangreicher Text-Bild-Band erschien. Außerdem haben wir im vergangenen Jahr in zwei dicken Bänden die erweiterten Vorträge des XII. Internationalen Numismatischen Kongresses von 1997 in Berlin herausgebracht, eine Arbeit, die über zwei Jahre in Anspruch nahm. Unsere beiden Schriftenreihen »Berliner Numismatische Forschungen (Neue Folge)« und »Das Kabinett« stehen mittlerweile bei sieben beziehungsweise sechs Bänden, was bei einer Laufzeit seit 1993/94 keine schlechte Bilanz ist. Außerdem sind wir aktiv in der Berliner Numismatischen Gesellschaft, der Deutschen Gesellschaft für Medaillenkunst, im Freundeskreis Antike Münzen und im Arbeitskreis brandenburgpreußische Numismatik tätig. Zu erwähnen wären auch numismatische Lehrveranstaltungen über die Antike und das Mittelalter an der Humboldt-Universität.

Was tun Sie, um auch die internationale Präsenz des Münzkabinetts während der schwierigen Sanierungsphase zu sichern?

     Bernd Kluge: Die Zugänglichkeit der Bestände ist für die internationale Präsenz des Kabinetts eine Existenzfrage. Kompromisse sind allerdings unumgänglich, nicht jeder Besichtigungswunsch kann erfüllt werden.

Welche Sammlungsteile sind zurzeit nicht greifbar?
     Bernd Kluge: Das Notgeld, die Marken und Jetons, die Stempel, Fälschungen und die Abgusssammlung, leider aber auch die islamischen und asiatischen Münzen. Alles andere ist, wenn auch unter Schwierigkeiten, benutzbar. Beispielsweise haben wir 2000 und 2001 über längere Zeit die Bearbeiter des neuen Antiken-Unternehmens Roman Provincial Coinage (RPC) zu Gast. Ohne die Berliner Bestände bliebe ein solcher umfassender Katalog ein Torso. Gemeinsam mit den Kabinetten in Paris und Wien planen wir die Veröffentlichung unserer sassanidischen Münzen in einer Sylloge Nummorum Sasanidorum, von der die beiden ersten Bände im Manuskript fast abgeschlossen sind. Federführend ist hier das Wiener Kabinett.

Kann man dennoch Stücke aus dem Münzkabinett sehen?
     Bernd Kluge: Wir zeigen in der »Schatzkammer« im Pergamonmuseum rund 2 000 Spitzenstücke antiker Münzprägung.

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Wie werden Benutzer betreut, die bis zur Wiedereröffnung des Kabinetts nicht warten können?
     Bernd Kluge: Wir haben jetzt im Pergamonmuseum einen Studiensaal eingerichtet, in dem unsere Bibliothek von jedermann benutzt werden kann. Die Vorlage von Münzen ist dort auch möglich, allerdings muss man sich vorher anmelden (Tel. 030/ 20 90 57 01, Fax 030/20 90 57 02), da die Stücke erst von der Baustelle Bodemuseum geholt werden müssen. Wir bitten um Verständnis, dass wir dies von einem wissenschaftlichen Anliegen abhängig machen müssen und auch nicht alle Wünsche erfüllen können. Da der Studiensaal im Pergamonmuseum nur über einen museumsinternen Zugang zu erreichen ist, müssen wir alle Besucher einzeln abholen und wieder zurück begleiten.

Wie sieht der Beitrag des Münzkabinetts zum Preußenjahr 2001 aus?
     Bernd Kluge: In der großen Preußen-Ausstellung, die vom 6. Mai bis zum 5. August im Schloss Charlottenburg zu sehen ist, sind wir vertreten. Als eigenständigen Beitrag zum Preußenjahr möchten wir mit einem Bestandskatalog der brandenburgpreußischen Münzen starten, sofern dieser Plan nicht durch die Ebbe in den Kassen der Stiftung Preußischer Kulturbesitz hinfällig wird.


Münzen der Preußenkönige Friedrich I. und Friedrich Wilhelm I. werden neu katalogisiert und publiziert

Was planen Sie für die Zeit, wenn das Bodemuseum zur Hundertjahrfeier der Weihe als Kaiser-Friedrich-Museum wieder seine Pforten öffnet?
     Bernd Kluge: Einen neu gestalteten Studiensaal an der alten Stelle und eine neue Ausstellung an einer anderen Stelle. Mehr möchte ich noch nicht verraten.

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Herr Kluge, Sie arbeiten an einem kommentierten Typenkatalog der deutschen Münzen des Mittelalters. Wann kommt der erste Band dieses Conspectus Nummorum Germaniae Medii Aevi (CNG) heraus, wie soll die ganze Reihe aussehen?
     Bernd Kluge: Der Conspectus erscheint zurzeit als Aufsatzfolge in den Geldgeschichtlichen Nachrichten. Er ist der Probelauf zu einer Neubearbeitung der deutschen Münzen des Zeitraums von etwa 880 bis 1140. Die Endfassung soll neben dem Typenkatalog auch den Gesamtkatalog des Berliner Bestandes enthalten und wird am Ende fünf Bände umfassen. Der erste ist fast fertig, wird aber erst erscheinen, wenn wir zwei andere Publikationsvorhaben abgeschlossen beziehungsweise angeschoben haben - den Münzcorpus von Pergamon in der römischen Kaiserzeit und den Bestandskatalog der Münzen Brandenburg-Preußens.

Das Münzkabinett bereitet eine Neubearbeitung der Werke von Emil Bahrfeldt und Friedrich Freiherr von Schrötter über die Münzen Brandenburgs und Preußens von den Anfängen bis zur Reichsgründung 1871 vor. Wie sehen diese Kompendien aus, und welche Forschungsergebnisse fließen in sie ein?
     Bernd Kluge: Angedacht ist eine komplette Neubearbeitung der Katalogwerke von Emil Bahrfeldt über die kurbrandenburgischen Münzen bis 1640 und von Friedrich von Schrötter über die brandenburgpreußischen Münzen von 1640 bis 1871.

Wir möchten damit einerseits unsere auf diesem Gebiet konkurrenzlose Sammlung präsentieren und andererseits neue Zitierwerke schaffen, die den in den vergangenen hundert Jahren gewonnenen Erkenntniszuwachs einbringen und zugleich leichter handhabbar sein sollen als die genannten Werke. Wir werden dabei auch ein an angelsächsische Vorbilder angelehntes, in Deutschland neues Modell der Katalogisierung einführen, die Beschreibungen und Bilder gegenüber stellt. Beginnen wollen wir mit dem Band über die Münzen Friedrichs III./I. und Friedrich Wilhelms I., also den Zeitraum 1688 bis 1740. Geplant ist, unseren Bestand so weit wie möglich auch abzubilden.

Ist denn auch an eine Neubearbeitung des genau 100 Jahre alten Prachtwerks von Julius Menadier über die »Schaumünzen der Hohenzollern« gedacht?
     Bernd Kluge: Auch das ist ein Projekt für die nächsten Jahre, dem sich der Hauptkustos des Münzkabinetts, Wolfgang Steguweit, widmen will. Mit seinem Namen verbindet sich in erster Linie ein enormer Aufschwung bei der Erforschung und Publizierung der Kunstmedaille in Deutschland im letzten Jahrzehnt. Das Berliner Münzkabinett ist an der Herausgabe der inzwischen auf 14 Bände angewachsenen Reihe »Die Kunstmedaille in Deutschland« von Anfang an beteiligt, und Wolfgang Steguweit möchte jetzt seine Aktivitäten wieder stärker auf das Feld der historischen Medaille und Münze verlagern.

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Haben Sie Hoffnung, die als »Beutekunst« 1945 nach Russland verbrachte Bibliothek des Münzkabinetts irgendwann zurück zu bekommen?
     Bernd Kluge: Das ist leider nicht in Aussicht. Wir haben bei der Regierungsstelle, die mit der Rückgabe der Beutekunst befasst ist, schon vor Jahren einen sechsbändigen Verlustkatalog eingereicht. Passiert ist nichts. Wir kennen auch nicht den Zustand unserer Bücher, die in Sankt Petersburg und Moskau liegen. Die meisten Lücken sind inzwischen geschlossen, sodass wir nur noch im Zeitschriftenbestand, in der Literatur vor 1800 sowie bei den Auktionskatalogen vor 1945 unsere Stammbibliothek vermissen.

Die finanzielle Lage der Stiftung Preußischer Kulturbesitz zwingt zu Sparmaßnahmen auch beim Ankauf von Museumsgut. Welche Folgen hat das für das Kabinett?
     Bernd Kluge: Die Staatlichen Museen kaufen immer noch gut auf dem Kunstmarkt, das Geld fließt aber seit Jahren fast nur noch in Kunst des 20. Jahrhunderts. Seit drei Jahren zahlen wir eine solche spektakuläre Erwerbung wie das Gemälde »Potsdamer Platz« von Ernst Ludwig Kirchner ab. Mit dem Effekt, dass andere Abteilungen wie das Münzkabinett ganz auf Erwerbungen verzichten müssen. Ich wünsche mir, dass den kleinen Schiffen des Flottenverbandes Stiftung Preußischer Kulturbesitz wieder ein eigener Aktionsradius, das heißt feste Etats, eingeräumt werden.

Das aber ist weder für dieses noch für das nächste Jahr zu hoffen. Allerdings sollten wir nicht zu sehr klagen, denn aufs Ganze gesehen ist die Erwerbungsbilanz der zehn Jahre gar nicht so schlecht. Ich nenne als wichtige Zugänge nur eine Sammlung völkerwanderungszeitlicher Münzen, einige brandenburgische Seltenheiten des 16. Jahrhunderts sowie eine größere Anzahl von Kunstmedaillen des 20. Jahrhunderts.

Das Gespräch führte Helmut Caspar

Bildquelle: Fotos Caspar

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© Edition Luisenstadt, Berlinische Monatsschrift Heft 5/2001
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