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Klaus Duntze
Die Gärten der Prinzen

Mit Friedrich Wilhelm, dem späteren Vierten seines Namens auf Preußens Thron (1795-1861; König von 1840-1858), hat es angefangen: Auch die Söhne sollen ihre Gärten haben. Der Kronprinz genoss Priorität. Im Schatten von Siam, Charlottenhof, dem Kunstwerk der Großen Drei - Friedrich Wilhelm, Karl Friedrich Schinkel (1781-1841), Peter Joseph Lenné (1789-1866) - entstanden die Schlösser und Gärten in Glienicke, Babelsberg und, eigentlich nur ein Gut und eine Generation später, Bornstedt. Wilhelm (1797-1888) und Carl (1801-1883), die Söhne Friedrich Wilhelms III. (1770-1840, König ab 1797) und der Luise (1776-1810) und Brüder des »Romantikers auf dem Thron«, dazu Friedrich (1831-1888), der Sohn Wilhelms, der spätere unglückliche »99-Tage-Herrscher« im Drei-Kaiser-Jahr 1888. Glienicke, Babelsberg, Bornstedt, die drei schließen gleichsam als Perlenkranz den Kreis um den Kern des Potsdamer Gartenreichs, um die Stadt und Sanssouci. Kunststück - der Spiritus Rector für alle drei Anlagen war Peter Joseph Lenné, der König der Gärten für die Gärten der Könige und Prinzen. Auch wenn er, der Bürgerliche (nur durch seine Arbeit Geadelte) in Babelsberg seiner Exzellenz dem Fürsten

Herrmann von Pückler-Muskau (1785-1871) weichen musste, den die Prinzessin Augusta (1811-1890) ob seines Standes und seiner höfisch-arroganten Manieren bevorzugte. Immerhin, Idee und Grundriss auch von Babelsberg stammen von Lenné, wie der Erstentwurf des Schlosses von Schinkel, und Lenné hatte das Gartenreich im Blick, das preußische Arkadien, dem er sich verschrieben hatte, Pückler aber den Park, der einzige Ort, da er mit seiner Gartenkunst im Gartenreich Fuß fassen konnte.

Glienicke

In Glienicke hatte Lenné, frisch von Bonn nach Potsdam gekommen, schon für den Fürsten Karl August, Freiherr v. Hardenberg (1750-1822), seit 1814 Eigentümer des Gutes, den bewundernswerten Pleasureground zwischen Schloss und Billardhaus angelegt, das Schinkel 1824 in das gleichermaßen wunderbare Casino über der Havel umbaute, nachdem im gleichen Jahr Prinz Carl das Gut mit väterlichen Finanzen erwerben konnte. Schinkel verwandelte das Gutshaus in ein Landschlösschen mit Löwenterrasse und Springbrunnen, einem Innenhof, zum Blumengarten bestimmt, und all den kleinen Gebäuden, die das Anmutige der Lennéschen Gartenlandschaft aufs Anmutigste ergänzten.

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Der nun königliche Bruder vergrößerte zum Regierungsantritt die Parkfläche noch einmal um das Waldgelände bis zur Pfaueninsel hin; die 100 ha reichten schließlich bis zum Forsthaus Moorlake, und der Prinz ließ es sich nicht nehmen, Lennés Gestaltungspläne selbst weiter zu entwickeln - nun lernt der Herr vom Knecht. Und nirgends wurde das Gartenreich so arkadisch wie in Glienicke; Arkadien als Programm, dem die Besucher nachzugehen aufgefordert wurden, als wären sie von Deutschlands rauhem Norden nach dem sinnlich-sonnigen Süden unterwegs: In Moorlake ist Schweiz, man sieht es an dem Förstergasthaus im Gebirgsstil, und wer dann die Hangwege durch den Forst nach Westen hinaufgeht, muss die Teufelsbrücke passieren, der halb eingestürzte Steinbogen ist durch einen Holzsteg ergänzt, gefährlich ist der Weg über die Alpen. Aber dann sänftigt sich der Pfad, führt am Matrosenhaus und der Hofgärtnerei vorbei, immer südlicher wird die Architektur, die Blicke gehen hinüber nach Sakrow, auf die Glienicker Brücke, das Maschinenhaus, und schließlich erscheint das Schloss selbst mit Marstall, Kavaliershaus, Orangerie und den Wirtschaftsgebäuden. Da ist man denn in Arkadien, und wenn man sich auf das Stibadium über der Löwenterrasse begibt, öffnet sich der Blick durch ein sorgsam geschnittenes Baumfenster auf die Kuppel des Petersdoms im Rom - könnte man meinen, es ist aber die Nikolaikirche, von Schinkel zum
Prinz Carl von Preußen

Bezugspunkt aller Augenlinien des Potsdamer Gartenreiches erhöht.
     Und wer's nicht glaubt, wo er ist, dessen Augen stolpern doch an allen Ecken und Wänden über Carls Beutestücke seiner griechisch-römischen Antikenfledderei - die Klassik nicht nur mit der Seele suchend, der preußische Prinz.

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Schloss Glienicke
Die Große Neugierde, ein veritables Rundtempelchen, beherrscht die Aussicht auf die Brücke, auf den Heerweg von Berlin nach Potsdam, den Albert Speer (1905-1981) von elf auf 24 m verbreiterte, aus der baumbestandenen Allee zwischen dem Schloss und dem Jagdschloss eine jetzt mühsam rückgebaute Asphaltschneise machte, und die Sandmassen des Schäferberg-Durchbruchs auch noch in die Gartenanlage des Jagdschlosses kippte. Da hatte und hat die Gartendenkmalpflege bis heute zu tun, die doch an der Wiederherstellung des Pleasuregrounds ihr Gesellen - wenn nicht gar ihr Meisterstück lieferte. Nur um die riesige, von Lenné noch selbst gepflanzte Blutbuche ist es zum Jammern schade - sie war der dunkle Blickpunkt im hellen Grün des Parks.
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Vor einigen Jahren musste sie den behördlichen Anforderungen auf Standsicherheit weichen. Doch die Latiére, das über der vergossenen Milch weinende Brunnenmädchen, ist wiedergekehrt aus der Kriegsvernichtung, als Abguss von ihrem Abguss, den königliche Geschwisterhuld einst nach Zarskoje Sjelo schenkte - auch über Systemgrenzen hinweg haben sich die Gärtner subversiv verständigt und der Wiederkehr des Schönen nachgeholfen -, nicht ohne List und Tücke, wie der ehemalige Direktor der Schlösser und Gärten, Martin Sperlich, anekdotisch zu berichten weiß.
     Die Sammlerwut des Prinzen machte selbst vor einem venezianischen Klosterhof nicht halt, und auch ein karolingischer Kaiserstuhl schien ihm in dieser mosaikseligen Klausur nicht deplatziert. Aber Glienicke kann man nur lieben und will dankbar sein für die so sensible Wiederherstellung und Pflege; Arkadien lebt, und nicht nur als Museum, sondern als Herausforderung ans Leben. »Und wenn heute in Schinkels Jägerhof im Glienicker Park eine Lebensgemeinschaft auf tüchtigste und fröhlichste Weise tätig ist, deren meisten sich mit gegenseitiger Hilfe aus den tödlichen Träumen des Rausches gerettet haben, und in phrasenloser Arbeit Gemeinschaftsformen entwickelt, die über das Therapeutische hinausgehen, um für ein ganzes Leben
Gültigkeit zu haben, dann erfüllt dieser kunstvolle Gartenbau Schinkels einen neuen, aber höchst angemessenen Zweck. Ein solches machbares Arkadien sollte teilhaben an der künftigen Gestalt einer Gesellschaft, die, wenn sie sinnvoll und glücklich sein soll, anders aussehen muß, als die, in der wir noch leben.«1)

Babertsberg, Babelsberg

»Würde jener Abhang gewählt, so würden sich auch an der Havel zwei Bruderschlösser so traulich nahe beieinander liegen, wie der Rhein sie seit sagenhafter Zeit an seinen Ufern hat.« So Lenné, der Unermüdliche, 1828 bei einer Geburtstagsfeier Friedrich Wilhelms III. bei Sohn Carl im aufgeblühten Glienicke, Bruder Wilhelm hatte die Höhengegend (zum späteren »Kartätschenprinzen« passend) bei einem Manöver näher in Augenschein genommen und war nicht über die strategische, sondern auch ästhetische Bedeutung dieses Ortes entzückt. Der sparsame Vater zögerte mit der Übereignung, der kunst- und gartensinnige Bruder Friedrich Wilhelm musste, konnte nachhelfen; aber erst 1833 erhielt Bruder Wilhelm den von den Franzosen während der Besatzungszeit abgeholzten Babertsberg für Schloss und Park in Erbpacht, immerhin 270 Morgen.

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Wilhelm, Prinz von Preußen

Der höchste »Berg« im Gartenreich (78 m über N. N.) - Lenné hat er ins Auge gestochen als einzige Chance für einen Höhenpark, hinein zu modellieren in die Uferlandschaft der Havel, gekrönt von einem Schloss »in gothischem Stil«, das Schinkel längst entworfen hatte, das sich von einem bescheidenen Cottage zu einer Gartenresidenz im Stile der »Castle Gothic« auswuchs, von Ludwig Persius (1803-1845), Johann Heinrich Strack (1805-1880) und Martin Gottgetreu (1813-1885) weitergeformt, stimuliert von der Burgenbegeisterung der Freiheitskriege,

angetrieben von der Kronprinzessin und der gotischen Mode bei der Ausstattung der Landschaftsgärten, die mit Wörlitz auch auf den Kontinent, auch auf die deutschen Lande ausgegriffen hatte. Man las die Werke der englischen Gartenkünstler wie Repton und Lugar - ein Schelm, wer da an Windsor denkt. Lenné hatte auch schon angefangen, den kahlen Kopf zu rekultivieren, kämpfte aber vergeblich gegen die königliche Knauserigkeit, gegen den Sand und die Wasserlosigkeit der erodierten Hänge an, dazu als Bürgerlicher vom Prinzenpaar unter Wert behandelt - immerhin konnte er bis 1842 noch 120 große Bäume in den Park stellen, die meisten, so sagt man, von einem Potsdamer Friedhof geräubert.
     Prinzessin Augusta kannte den gartenbesessenen fürstlichen Lebemann Pückler vom heimatlichen Weimar der Goethezeit her, der drängte heftig an den Hof und verriss in seinen ,«Unterthänigsten Promemoria« erst einmal die Pläne und Arbeiten seines Konkurrenten Lenné und bot sich seinerseits als Vollender des Parks von Babelsberg an, seinen Ruhm von Muskau in die Waagschale werfend. Allerdings zu seinen Bedingungen: »Ich stehe ihren Hoheiten dafür, daß der Babelsberg als organisches Ganzes, etwas sehr Gediegenes und in künstlerischer Hinsicht alle anderen Anlagen seiner Art in der Potsdamer Gegend übertreffen wird. Aber man muß mir freie Hand lassen und tun, was ich sage, sonst kann ich die künstlerische Verantwortung nicht dafür übernehmen.
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Schloss Babelsberg
Knickern aber darf man gar nicht, denn umsonst ist nur der Tod und unnütze Verschwendung wird unter meinen Leuten nie vorfallen, aber das Notwendige muß geschaffen werden ...«2) Bescheiden war er nicht, der Fürst, aber erfolgreich. Für das lebensnotwendige Wasser sorgte ab 1843 das großartige Pumpenhaus, von Ludwig Persius an der Havelbucht im »normännischen Style« erbaut, es schaffte das Wasser hinauf in den Schwarzen Teich mit seinen vier Inselchen, Wasserfall und Kleinfontänen, von wo nun die Bäume, Sträucher und Rasenflächen versorgt wurden und auch die 30 m hohe Fontäne im Havelwasser vor dem Schloss.
     Ausgehend von den Lennéschen Vorgaben perfektionierte er vor allem das System der Wegeführung im Park. Natur kennt keine Wege, aber die Wege im Park sollen die Natur erschließen in den Bildern, die der Gärtner ihnen schöpferisch zuweist.
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Der Weg gibt den Blicken die Spur vor, so dass es wider die Natur des Parks ist, vom Wege abzugehen. Und Fahrwege, die ihre eigene Geschwindigkeit haben, führen den Blick anders als Fußpfade; die Pflanzung von Bäumen, Büschen und Rasenflächen werden den Wegen und den gewünschten Natur-Bildern zugeordnet. Pücklers Meisterschaft darin prägt heute noch den Park von Babelsberg, wie auch sein Pleasureground mit den »Pfannenkuchenbeeten« (von Terrakotta-Palmetten eingefassten Blumenflächen, als Füllhorn oder als Blumenkorb gestaltet) und dem goldumgitterten Rosengarten, der sich vom Schloss herunterzieht zur Havel, ein ebenbürtiges Gegenstück zu Lennés Glienicke darstellt. Und natürlich die vielen kleinen Brunnen und Fontänen auf der Terrasse im Gartenparterre und überraschend hier und dort in den Wald- und Rasenflächen.
     Aber Babelsberg bleibt ambivalent, am stärksten fühlbar, wenn man vom Altan des Burgschlosses zum arkadischen Glienicke hinüber schaut. Marzialisches schiebt und mischt sich in die Idylle. Nicht nur die robustnüchternen Nebengebäude wie das Kleine Schloss am Havelufer, Matrosenhaus und Gärtnerei entbehren der arkadischen Leichtigkeit, vor allem die Ausstattungsstücke des Parks wie der Flatowturm, der die abgebrannte Schneidemühle auf dem Mühlenberg ersetzte, eine Kopie des Eschersheimer Torturms im inzwischen
preußischen Frankfurt, umgeben von einem festungsmäßigen Wassergraben (fünf kleinere Geschütze von den dreihundert erbeuteten Kanonen ließ Wilhelm auf der Bastion des Flatowturms zur Erinnerung an die »Badische Episode« in Stellung bringen). Dazu ein Ehrenmal für die Schlächterleistungen des Kartätschenprinzen bei der Niederwerfung der Revolution in Baden 1849 , das an der Terrassentreppe hinter dem Schloss seinen Platz gefunden hat, gekrönt von der Figur des Heiligen Michael. Auch die Siegessäule mit der Schadowschen Victoria (die wir vom Belle-Alliance-Platz in Berlin kennen) findet sich im Park, auf der Anhöhe über den Nuthewiesen, zum Andenken an den Sieg über Österreich 1866, ihr vorgelagert die Exedra, die halbrunde Feldherrnbank, zu Ehren der Meister des Krieges von 1870/71. Selbst die düstere Gerichtslaube des Berliner Rathauses erlebte im Park ihre Auferstehung. Was Wunder, dass der geschichtsträchtigste Ort im Park die Bismarckbrücke ist, auf der 1862 das folgenreiche Gespräch stattfand, in dem der spätere Kanzler zum ersten Mal seine Eisernheit gegenüber seinem Monarchen ausspielte und ihm im Konflikt um die Heeresfinanzierung die Rücktrittsgedanken austrieb: »Er fühlte sich bei dem Portepée gefaßt und in der Lage eines Offiziers, der die Aufgabe hat, einen bestimmten Posten auf Leben und Tod zu behaupten, gleichviel, ob er darauf umkommt oder nicht.«3)
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Lenné hin, Pückler her - für den knochentrockenen König und Kaiser (ab 1871) ist die Zeit arkadischer Träume vorbei, wenn er sie je gehegt hat.

Bornstedt

Es ist das Schicksal der meisten hohenzollernschen Kronprinzen, dass sie zu lange auf ihre Regentschaft warten müssen - es war auch ihre Chance, in der Wartezeit im Schatten des zukünftigen Amtes zu wirken und zu gestalten, auch in der Potsdamer Kulturlandschaft. Kronprinz Friedrich Wilhelm, im Neuen Palais wohnhaft, hat Gut und Kirche Bornstedt sich zu Eigen gemacht und ihnen ihre heutige Gestalt gegeben, auf der Rückseite von Sanssouci, aber untrennbar mit ihm verbunden. Krank geworden am Rede- und Handlungsverbot, das ihm, dem begabten Liberalen, Bismarck und sein gehorsamer König auferlegt hatten, wurde er als schon Todgeweihter König und Kaiser, eine historische Farce - auch die hat er durchgestanden in Würde, bis der Tod ihn erlöste. Franz Herre beschreibt in seiner Biografie den Kronprinzen im Wartestand:
     »Seine gutgemeinten und ernsthaften Bemühungen (um die soziale Frage) erschöpften sich in Sozialfürsorge nach Art eines Feudalherrn, der seinen Hintersassen Gutes erweist, aus sittlicher Verpflichtung und aus freien Stücken, nicht auf politischen Druck und aus rechtlichem Zwang.


Friedrich Wilhelm, Kronprinz von Preußen

 
Auf seinem Rittergut Bornstedt, das neben dem Neuen Palais in Potsdam lag, bot er das Beispiel einer musterhaften Gutsherrnschaft. Der Kronprinz betätigte sich auf den Feldern, die Kronprinzessin in Haus und Stall, sie bewirteten die Bauern beim Erntedankfest und bescherten deren Kinder zu Weihnachten. Kranke wurden gepflegt, Bedürftige unterstützt, und mitunter, wenn der Dorfschullehrer verhindert war, trat Friedrich Wilhelm selbst vor die Klasse.«4)

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Gut Bornstedt
Die Geschichte Bornstedts beginnt schon weit vor dem Kronprinzen Friedrich Wilhelm, dem 1864 das Gut überwiesen worden war. Als letztes der verpfändeten Liegenschaften hatte es der Große Kurfürst (1620-1688, Kurfürst ab 1640) zurückgekauft, der Soldatenkönig (Friedrich Wilhelm I.; 1688-1740, König ab 1713) hatte es dem Militärwaisenhaus übereignet, Friedrich Wilhelm IV. kaufte es 1841 zurück, nachdem Lenné sein begehrliches Gärtnerauge auf das Gutsgebäude und die Feldflur geworfen hatte, die neu zu ordnen und nützlich zu verschönern für sein Konzept der Insel Potsdam unverzichtbar war. Nicht unpassend brannten 1846 die Gutsgebäude ab, und Johann Heinrich Häberlin (1799-1867) konnte die Neugestaltung der Gebäudegruppe auf Lennés Entwürfe der Feldmark und des Wiesentals zwischen Ruinenberg und dem Rücken von Sanssouci abstimmen. Man schaut von dort über den Bornstedter See auf ein anmutiges Ensemble im italienischen Landhaus- und Villenstil, vervollständigt durch die Stülersche Kirchenanlage auf der anderen Seite der Straße, ebenfalls italienisch, Basilika mit Campanile, eine bescheidenere Fortschreibung der Friedenskirche, vom König eigenhändig entworfen, von Friedrich August Stüler (1800-1865) ins Machbare gebracht, von Häberlin ausgeführt.
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Daneben noch die Schule im englischen Cottage-Stil, eben dieselbe, in welcher der Kronprinz huldvoll Unterricht hielt.
     Bornstedts Kirche war aber mehr als eine der königlichen Hofkirchen unter kronprinzlichem Patronat, war auch Entrée und Herzstück von einem der schönsten und intimsten Friedhöfe in Brandenburg-Preußen. Man lebte, man arbeitete in Potsdam, in Sanssouci, man ließ sich begraben in Bornstedt, und die Nähe zum Grabe gehörte auch zum Leben ihres Patrons. Dass er nicht selbst auf diesem Friedhof ruhen durfte, war der höfischen Repräsentation geschuldet. Auch dass man ihn aus der erwählten Familiengruft in der Sakristei der Friedenskirche in das eigens für ihn erbaute monumentale Mausoleum (von Julius Carl Raschdorf, dem Architekten des Berliner Doms; 1823-1914) umbettete, als es 1890 fertig gestellt war. Aber andere sind auf dem Bornstedter Friedhof zu finden: die ganze Gärtnerkaste von Sanssouci. In der weitläufigen Grabanlage der Sellos, vom Gründer des Familienfriedhofs Herrmann Ludwig Sello (1800-1876) mit Brüdern und Söhnen, auch den verschwägerten Nietners - alles getreue Vasallen des Potsdamer Gartenreichs und Kollegen des Größten: Joseph Peter Lenné, der König der Gärten, den sie gastlich und ehrenhalber in ihr privates Totenreich aufnahmen - wo hätte er besser seine letzte Ruhe finden können als hier, im gemütvollen Herzen der Potsdamer Insel.

Peter Joseph Lenné

Und Lenné

So schließt sich noch einmal ein Kreis. Nicht allein der Perlenkranz der Parks und Gärten um Potsdam, auch der Kreis von Namen und Gestalten. Denn der Name Lenné steht für die Rundung und Geschlossenheit des »Eylands als Paradies«, das schon Moritz von Nassau-Siegen (gest. 1697), Freund und Berater des Großen Kurfürsten, gefordert hatte.

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»Was die Kunst in Beziehung auf Landschaften und Partien vermag«, wird Lenné 1889 in der Zeitschrift >Gartenflora< zitiert: »Ihre eigenthümliche Kraft offenbart sich zunächst im Nachhülfen, um das Unschöne zu beseitigen, das Schöne herauszuheben, die Grundzüge der vorgefundenen Formen zu veredeln; eine Form durch den Zusatz einer und der anderen zu bereichern, den Genuss des Schönen zu erleichtern; vor allem aber darin, ein dem jedesmaligen Zwecke (dem Schmuckplatze, dem Garten, dem Park usw.) entsprechendes Ganze, eine Organisation zu bilden, so gegliedert und in sich zusammenhängend, wie z. B. eine Menschenfigur, oder ein vielstimmiges Lied, und immer ein Leben ausströmend, das die Seele bewegt.«5)
     Doch in der Vollendung - wir haben es am Babelsberg gesehen - zeichnet sich der Niedergang ab, das Kriegerische setzt sich durch, das Arkadische zieht sich zurück, schwindet. Der große Wille, die Spannung zwischen beidem zu halten, ist nicht vorhanden, wo die Herren der Schlösser und Gärten nicht in diesem Widerspruch leben. Prinzen sind keine Könige, die über Krieg und Frieden zu entscheiden haben,. und wird einer König und gar Kaiser, der keine Probleme mit Krieg und Kriegsverheerung hat, findet sie nur in Feindeslanden statt, dann kennt er auch keine Sehnsucht nach den lieblichen Gefühlen des Friedens in arkadischen und paradiesischen Gärten. Noch blühen die Parks, noch blüht die Potsdamer Feldflur um die Kasernen und Exerzierplätze.
Aber die Dominanz des Militärischen zeichnet sich ab, nicht mehr die Gärtner, die Generäle haben das Sagen im Land, spätestens ab 1888, in der Zeit, die man Wilhelminismus nennt und die in den »Tag von Potsdam« mündet.

Quellen:
1 Martin Sperlich, Das neue Arkadien, in: Die Neue Heimat, o. J., o. S.
2 Zitiert in: Bericht über die Studientage in Potsdam vom 27. 5. - 2. 6. 1996 der Gesamthochschule Kassel (MS), S. 41
3 Otto von Bismarck, Gedanken und Erinnerungen, erster Band, Stuttgart und Berlin 1905, S. 315
4 Franz Herre, Kaiser Friedrich III., Deutschlandas liberale Hoffnung, Stuttgart 1987, S. 216
5 Gartenflora 1889, S. 540-542; zitiert in: Potsdamer Schlösser und Gärten. Bau- und Gartenkunst vom 17. bis 20. Jahrhundert, Katalog Potsdam 1993, S. 163

Bildquellen: Zeichnungen von Wilhelm Hensel aus »Preußische Bildnisse des 19. Jahrhunderts«, Katalog zur Ausstellung 1981 in der Nationalgalerie; Max Ring, Die deutsche Kaiserstadt Berlin und ihre Umgebung, Leipzig 1883, Katalog Potsdamer Schlösser und Gärten, Bau- und Gartenkunst

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© Edition Luisenstadt, Berlinische Monatsschrift Heft 4/2001
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