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Herbert Schwenk
»... der Abstand scheint größer zu werden«

Berlin 1960 im Spiegel der Statistik

Als Heft 11/1959 erschien in der Reihe »MERIAN - Monatsheft der Städte und Landschaften« des Hamburger Verlages Hoffmann und Campe ein Heft BERLIN. Darin zeichneten bekannte Berlinkenner wie Paul Ortwin Rave (1893-1962), Walther Kiaulehn (1900-1968), Martin Kessel (1901-1990) und Friedrich Luft (1911-1990) noch beschauliche Bilder von einem wiedererstandenen Berlin mit »Lebendiger Vergangenheit« (Rave). Nur verschämt und versteckt auf hinteren Seiten verdeutlichte eine »Zwischenbilanz« die harte Realität: Berlin war bereits eine tief gespaltene Stadt - und, so die »Zwischenbilanz«, »der Abstand zwischen beiden Stadtteilen scheint von Jahr zu Jahr größer zu werden«.
     Wie groß dieser Abstand bereits 1960 war, verdeutlicht die Statistik, die getrennt in West-Berlin (Statistisches Jahrbuch Berlin 1961, hrsg. vom Statistischen Landesamt Berlin) und in Ost-Berlin (Statistisches Jahrbuch der Hauptstadt der DDR Berlin 1961,

hrsg. von der Staatlichen Zentralverwaltung für Statistik, Bezirksstelle Groß-Berlin) veröffentlicht wurde. Die Jahrbücher sind nur noch auf ihre jeweilige Stadthälfte fixiert und vermitteln nur in wenigen Fällen Gesamt- Berlin betreffende Daten. Die Ostberliner Statistik erklärt dazu im Vorwort ihr Ziel, »dem Benutzer ein umfassendes Bild von der Aufwärtsentwicklung der Hauptstadt Berlin bis Ende 1960« zu vermitteln. Angaben über »Gesellschaftliche Organisationen«, »Sozialistischen Wettbewerb«, »Jugendweihe« usw. sollen dies belegen, aber auch Daten zur Lebenssituation (Konsumtion, Einkommen, Preise). Ost-West- Vergleiche sind jedoch in vielen Bereichen erschwert oder unmöglich.

Bevölkerungsentwicklung auf unterschiedlichen Wegen

Die beiden Stadthälften auf Berliner Territorium waren ein ungleiches Zwillingspaar. Von den 88 408 ha des Stadtgebiets, das sich seit 1950 praktisch nicht verändert hatte, entfielen 54,4 % (48 098 ha) auf West- und 45,6 % (40 310 ha) auf Ost-Berlin. Ende 1960 lebte laut statistischer Fortschreibung in Berlin eine Bevölkerung von 3 274 016 Personen, davon 67,3 % (2 202 241) in West- und 32,7 % (1 071 775) in Ost-Berlin. Die Einwohnerdichte Berlins lag 1960 bei 37,0 Ew./ha, in West-Berlin allerdings bei 45,8 Ew./ha und in Ost-Berlin nur bei 26,6 Ew./ ha.

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Die Einwohnerzahl Berlins hatte sich seit 1950 insgesamt um 1,86 % (62 010) verringert, wobei der Trend in beiden Stadthälften entgegengesetzt war: In West-Berlin war die Zahl der Bewohner seit 1950 um 2,58 % gestiegen (+ 55 289), in Ost-Berlin dagegen um 9,86 % gesunken (-117 299). Entsprechend sank die Einwohnerdichte von 29,5 Ew./ha (1939 noch 39,4 Ew./ha) auf 26,6 Ew./ha. Die »Abstimmung mit den Füßen« ist das wichtigste Indiz der Unzufriedenheit vieler Ostberliner mit den gesellschaftlichen Verhältnissen in ihrer Stadthälfte. Von 1950
bis 1960 erlitten alle ehemaligen Ostberliner Bezirke mit Ausnahme von Treptow (+ 0,5 %) teilweise erhebliche Bevölkerungsverluste: Mitte 29 348 (- 23,6 %), Prenzlauer Berg 35 916 (- 14,4 %), Friedrichshain 26 313 (- 14,2 %), Weißensee 8 930 (- 10,5 %), Pankow 13 096 (- 8,7 %), Köpenick 2 750 (- 2,3 %) und Lichtenberg 1 908 (- 1,2 %).
     Dem Ostberliner Bevölkerungsverlust stand ein Zuwachs der Einwohnerzahl in West-Berlin um 55 289 von 1950 bis 1960 gegenüber.
Von einem »Massenzustrom« in den letzten Jahren der offenen Grenze kann allerdings nicht die Rede sein. 1960 wurden in West-Berlin 147 365 Zugezogene bei 138 504 Fortgezogenen registriert; 1959 waren es sogar nur 112 062 Zugezogene bei 116 524 Fortgezogenen. 88 068 (60 %) der Zuzüge stammten 1960 aus der DDR und 21 315 (14,5 %) aus dem Ostsektor Berlins. Für 1953 waren vergleichsweise in West-Berlin noch 300 482 Zugezogene und 316 224 Fortgezogene vermeldet worden.
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     Ende 1960 lebten in West-Berlin 175 200 Vertriebene (8 % der Einwohner); Ende 1950 waren es 150 000 (7 %) gewesen. Die Ostberliner Statistik machte dazu keine Angaben. Gleiches gilt für die Zahlen der polizeilich in Wohnungen gemeldeten Ausländer: In West-Berlin waren es Ende 1960 22 065; in Gesamt- Berlin hatte die Zahl Ende 1947 bei 26 186 gelegen.
     Auch in der natürlichen Bevölkerungsbewegung gab es West-Ost- Unterschiede.
     Die Zahl der Lebendgeborenen betrug 1960 in West-Berlin 21 505 (= 9,8 auf 1 000 Ew.), in Ost-Berlin 15 576 (= 14,5/ 1 000 Ew.). Damit wurden in jenem Jahr mit 37 081 (= 11,3/1 000 Ew.) noch immer deutlich weniger Babys lebend geboren als vor dem Krieg (1938: 64 259, = 14,9/1 000 Ew.). Ähnlich verhielt es sich mit den Eheschließungen: Waren es 1938 in Berlin noch 49 007 (= 11,3/1 000 Ew.), so 1960 32 616 (= 10,0/1 000 Ew.), davon in West-Berlin 21 093 (9,6 auf 1 000 Ew.), in Ost-Berlin 11 523 (10,7 auf 1 000 Ew.). Die Zahl der Gestorbenen betrug 1960 in Berlin 54 777 (= 16,7/1 000 Ew.), davon in West-Berlin 36 109 (= 16,4/1 000 Ew.) und in Ost-Berlin 18 668 (= 17,3/1 000 Ew.). Damit stand 1960 in Berlin ein deutlicher Sterbeüberschuss von 17 696 Personen zu Buche (1945: 129 479; 1947: 33 454); West-Berlin hatte daran mit 14 604 gegenüber Ost-Berlin mit 3 092 einen größeren Anteil. Die Skalen der Todesursachen in West und Ost waren ähnlich.
In West-Berlin lagen 1960 »Herzkrankheiten« vorn (43,1 Gestorbene je 10 000 Einwohner), vor »Krebs und anderen bösartigen Neubildungen« (33,2) und »Gefäßstörungen des Zentralnervensystems« (24,5). In Ost-Berlin standen (Daten für 1959) auch »Nichtrheumatische Herzkrankheiten« (46,7) an der Spitze, gefolgt von »Bösartigen Neoplasmen« (26,4), »Gehirnblutung« (18,8), »Lungenentzündung« (10,5) und »Altersschwäche« (10,3). 1960 gab es in Berlin 1 097 Selbstmorde, davon in West-Berlin 753 (3,4 je 10 000 Einwohner), in Ost-Berlin 344 (3,2/10 000 Einwohner). 1947 waren es noch 1 627 (5,0/10 000 Einwohner).

West-Ost- Unterschiede auch in den Lebensverhältnissen

Über die realen Lebensverhältnisse in beiden Stadthälften vermitteln die offiziellen Statistiken nur ein unvollkommenes Bild. Ein Vergleich wird durch unterschiedliche oder fehlende statistische Angaben über den Pro-Kopf- Verbrauch an Nahrungs- und Konsumgütern in der Westberliner (!) Statistik erheblich verzerrt. Während die Statistik von Ost-Berlin Daten zur »Bereitstellung wichtiger Nahrungsmittel und Industriewaren« oder »Pro-Kopf- Warenbereitstellung« enthält, begnügt sich die Statistik von West-Berlin mit Mitteilungen über »Erzeugung«, »Bezug« und »Verwendung« von Konsumgütern, ohne Angaben über den Pro-Kopf- Verbrauch.

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So erfährt man aus der Ost- Statistik, dass die »Pro-Kopf- Warenbereitstellung« 1960 bei Kartoffeln 143,2 kg betrug, Roggenbrot und Kleingebäck 51,5 kg, Weizenbrot und Kleingebäck 21,0 kg, Konditorwaren 18,7 kg, Fleisch sowie Fleisch- und Wurstwaren 69,7 kg, Butter 14,6 kg, Margarine 6,9 kg, Trinkvollmilch und Sahne (umgerechnet auf Milch mit 2,5 % Fettgehalt) 86,0 kg - und bei Südfrüchten und Nüssen immerhin noch 9,0 kg sowie Kakaoerzeugnissen 0,71 kg. Ferner wurden in Ost-Berlin pro Person ab 18 Jahre 1960 »bereitgestellt«: 1 669 Zigaretten, 6,62 Liter Wein und Sekt, 6,32 Liter Spirituosen und »Spritrektifikat« und 1,469 kg »Röstkaffee«. Aus der weiteren »Pro-Kopf- Warenbereitstellung« in Ost-Berlin 1960 seien ausgewählt: »Schuhwerk aus Leder« 1 943 Paar pro 1 000 Personen, »Straßenschuhe aus Austauschstoffen« 291 Paar pro 1 000 Personen, »Damenstrümpfe aus Dederon« 3 978 Paar pro 1 000 weibliche Personen ab 15 Jahre, ein Kühlschrank auf 34 Haushalte, ein Radiogerät- Super auf 12 Haushalte, ein Fernsehtisch- und Standgerät auf 14 Haushalte, ein Personenkraftwagen auf 168 Haushalte.…
     Entsprechende Angaben für West-Berlin fehlen seltsamerweise. Stattdessen wird z. B. zur »Kuhmilcherzeugung und -verwendung 1960« nur mitgeteilt, dass 3 047 Milchkühe 14 728 t Milch lieferten und weitere 122 904 t Trinkvollmilch »bezogen« wurden.
Oder: Im Dezember 1960 wurden 850 000 Tonrundfunk- Teilnehmer (367 auf 1 000 Einwohner) und 246 831 Fernsehrundfunk- Teilnehmer (112 auf 1 000 Einwohner) registriert.
     Ähnlich schlecht vergleichbar sind die Angaben über Preise, Löhne und Arbeitsverhältnisse. Ende September 1960 gab es in West-Berlin 890 222 Beschäftigte, davon 23,3 % in der Eisen- und Metallerzeugung und -verarbeitung, 8,4 % im Bau-, Ausbau- und Bauhilfsgewerbe, 16,5 % im Verarbeitenden Gewerbe, 15,2 % im Handel, Geld- und Versicherungswesen, 8,0 % im Dienstleistungsbereich, 6,0 % im Verkehrswesen und immerhin 20,4 % im Öffentlichen Dienst. Zur gleichen Zeit waren 19 217 Arbeitslose registriert (1957: 91 377). Die durchschnittlichen Brutto- Monatsverdienste lagen 1960 - Erhebungen zufolge - in der Industrie und im Handel zusammen bei durchschnittlich 544 DM-West, in der Industrie ohne Baugewerbe bei 607 DM-West, im Baugewerbe bei 701 DM-West, im Handel, Geld- und Versicherungswesen bei 484 DM-West (Einzelhandel: 439 DM-West).
     Für Ost-Berlin 1960 registrierte die DDR- Statistik 561 417 Beschäftigte, davon 29,8 % in der Industrie, 8,6 % im Bauwesen, 5,0 % im Produzierenden Handwerk (ohne Bau), 7,8 % im Verkehrswesen, 3,2 % bei der Post, 14,6 % im Handel und 29,6 % in »Bereichen außerhalb der materiellen Produktion«.
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Von den waren laut DDR- Statistik 93 % »Arbeiter und Angestellte«. Von Arbeitslosen war in der Ostberliner Statistik keine Rede. Als »durchschnittliches monatliches Arbeitseinkommen je vollbeschäftigten Arbeiter und Angestellten in der sozialistischen Industrie« wurden 630 DM-Ost angegeben, für »Produktionsarbeiter bzw. gleichgestelltes Personal« 623 DM-Ost, in der »Volkseigenen Bauindustrie« allerdings 792 DM-Ost, dafür im »sozialistischen Handel« nur 541 und Post- und Fernmeldewesen (»ohne zentrale Dienststellen«) nur 482 DM-Ost. Der »Lebenshaltungsindex für Arbeiter- und Angestelltenhaushalte der DDR« wurde im Vergleich zu 1958 (= 100) für 1960 mit 96 »berechnet« - der »Reallohnindex« mit 117. Die Spareinlagen je Kopf der Ostberliner bezifferte die Statistik für 1960 mit 865,63 DM-Ost - rund das 10fache gegenüber 1953. Für West-Berlin fehlt die entsprechende Angabe.

Zwei stadttechnische und kommunale Versorgungssysteme

Auch in der stadttechnischen und kommunalen Versorgung der Berliner war die Kluft zwischen beiden Stadthälften im Jahr vor dem Mauerbau unverkennbar.
     Ein einheitliches Nahverkehrswesen existierte seit der Spaltung der Stadt Ende 1948 nicht mehr. Im Sommer 1949 hatten die Behörden im sowjetischen Sektor eine eigene Verwaltung der seit 1928/29 einheitlichen Berliner Verkehrs- Betriebe (BVG) gegründet

und den Straßenbahn-, U-Bahn- und Bus- Verkehr in Ost-Berlin in eigene Regie genommen, wodurch zwei getrennte Verkehrsnetze in Ost- und West-Berlin entstanden waren. Der S-Bahn- Verkehr wurde davon nicht betroffen, da der gesamte Eisenbahnbetrieb einschließlich S-Bahn seit 1945 der sowjetischen Militäradministration bzw. DDR unterstand. Der durchgehende Verkehr der Straßenbahnen über die Sektorengrenze blieb jedoch noch bis Januar 1953 erhalten; die Trennung des U-Bahn- Verkehrs erfolgte erst im August 1961. Die BVG-Ost beförderte 1960 insgesamt 433,1 Mill. Fahrgäste (U-Bahn: 104,7, Straßenbahn: 239,4, Obus: 18,2, Omnibuslinien: 70,8 Mill.); bei der BVG-West waren es 1960 insgesamt 692 Mill. Personen (U-Bahn: 141,3, Straßenbahn: 226,3, Obus: 14,3, Omnibuslinien: 310,1 Mill.). Zusammen waren das 1 125,1 Mill. Personen, 38,5 % entfielen auf die BVG-Ost, 61,5 % auf die BVG-West. 1947 hatte die BVG insgesamt ebenso viele (1 125,8 Mill.) und 1937 1 528,9 Mill. Fahrgäste befördert. Die Linienlänge betrug 1960 bei der BVG-Ost insgesamt (ohne Omnibus- Sonderlinien) 549,5 km (U-Bahn: 24,3, Straßenbahn: 269,8, Obus: 41,4, Omnibus- Stadtlinien: 214,0 km); bei der BVG-West belief sich die Streckenlänge 1960 auf 708,7 km (U-Bahn: 58,3, Straßenbahn: 204,2, Omnibus: 433,0, Obus: 13,2 km). Die S-Bahn umfasste 1960 ein Streckennetz von 328,9 km mit 158 Bahnhöfen (davon 74 in West-Berlin, 48 in Ost-Berlin und 38 außerhalb des Stadtgebiets).
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Sie beförderte 1960 416,5 Mill. Fahrgäste (1937: 512,3 Mill.). In West-Berlin befanden sich Ende 1960 194 777 Kraftfahrzeuge im Verkehr, darunter 153 684 Pkw; für Ost-Berlin gibt es keine entsprechende Angabe. Dafür diese: Der VEB Taxi beförderte 1960 5,6 Mill. und private Taxibetriebe 1,2 Mill. Personen.…
     Auch ein Gesamtberliner Bildungs-, Gesundheits- und Sozialwesen existierte 1960 längst nicht mehr. In West-Berlin wurden im Mai 1960 114 528 Kinder - das waren 51,9 auf 1 000 Einwohner - in 224 Grundschulen (1. bis 6. Klasse; 211 öffentlich, 13 privat) mit 3 330 Klassen unterrichtet, d. h. pro Klasse befanden sich im statistischen Durchschnitt 34,4 Kinder. Hinzu kamen 65 084 Schüler(innen) - 29,5 auf 1 000 Einwohner - in 190 Oberschulen (174 öffentlich, 16 privat) mit 2 332 Klassen, d.h. durchschnittlich 27,9 je Klasse. Daneben gab es 26 Hilfs-, 20 sonstige Sonderschulen und 12 »Schulen besonderer pädagogischer Prägung« sowie 46 öffentliche und 5 private Berufsschulen mit 58 783 bzw. 736 Jugendlichen und 12 private Berufsfachschulen mit 2 031 Lernenden. Vervollständigt wird das Bild durch weitere 41 öffentliche und 76 private Ingenieur- und Fachschulen mit 8 785 bzw. 4 142 Studierenden und schließlich die 2 Universitäten und 4 Hochschulen mit zusammen 23 306 Studierenden (Sommersemester 1960): Freie Universität (12 548), Technische Universität (8 018),
Pädagogische Hochschule (1 215), Kirchliche Hochschule (420), Hochschule für Musik (422), Hochschule für bildende Künste (683). Für Bildung und Unterhaltung sorgten in West-Berlin (März 1960) ferner 88 Volksbüchereien (1937 in Gesamt- Berlin: 112) mit einem ausleihfähigen Gesamtbuchbestand von 1 197 371  Bänden (1937: 866 765) und 223 501 Lesern (1937: 96 020) sowie 14 staatliche und private Bühnen mit zusammen 10 336 Plätzen und 2,2 Mill. Besuchern sowie (1959) 265 Lichtspieltheater (1937: 407) mit 130 496 Plätzen und 50,5 Mill. Besuchern.
     Ganz anders war dagegen das Bildungswesen der DDR ausgerichtet und entsprechend strukturiert. Anstelle der früheren Grund- und Mittelschulen gab es ab 1960 nur noch »Allgemeinbildende zehnklassige polytechnische Oberschulen«. In Ost-Berlin gab es 1960 152 solcher Schulen mit 2 777 Klassen, die von 86 429 Schüler(innen) besucht wurden, d. h. durchschnittlich 31,1 je Klasse. Hinzu kamen 17 »Allgemeinbildende erweiterte polytechnische Oberschulen (Stufen IX-XII) mit 215 Klassen und 5 462 Jugendlichen, d. h. 25,4 je Klasse. 4 538 Schüler(innen) besuchten 23 Sonderschulen, 2 494 Kinder und Jugendliche wurden Ende 1959 in 38 Einrichtungen der Heimerziehung betreut. An Berufsschulen gab es 1960 in Ost-Berlin 57 mit 24 938 Jugendlichen, davon 27 allgemeine und 30 Betriebsberufsschulen.
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Schließlich gab es 19 Fachschulen mit 10 372 Studierenden und ca. 1 000 Internatsplätzen sowie die Humboldt- Universität (11 352 Studierende) und 3 Hochschulen: Hochschule für Ökonomie (4 451), Deutsche Hochschule für Musik (267), Hochschule für bildende und angewandte Kunst (192) - mit zusammen 16 262 Studierenden und 3 234 Internatsplätzen; 35,2 % der Studierenden an diesen 4 Hochschulen waren ihrer sozialen Herkunft nach »Arbeiter«, 35,1 % »Angestellte«, 17,5 % »Intelligenz«, 3,3 % »Genossenschaftsmitglieder« und 8,9 % »selbstständige Erwerbstätige und Sonstige«. Die Zahl der allgemeinen öffentlichen Bibliotheken betrug 1960 in Ost-Berlin 125 bei einem Buchbestand von 614 961 und einer Leserschaft von 110 384. Es gab in der Spielzeit 1959/60 9 Theater mit 9 161 Sitzplätzen und 1,8 Mill. Besuchern; hinzu kamen 71 Filmtheater mit 29 789 Plätzen und 11,5 Mill. Besuchern (1960).
     Im Wesberliner Gesundheitswesen erfasste die Statistik Ende 1960 153 »berichtende Krankenanstalten«: 37 städtische, 62 gemeinnützige und 54 private. Sie verfügten zusammen über einen Bettenbestand von 32 675, d. h. 148,4 je 10 000 Einwohner (Ost-Berlin: 174,6). Im gesamten Jahr 1960 hatten die Anstalten einen Krankenzugang von 293 903 bei einer durchschnittlichen Bettenausnutzung von 92 %. Ende 1960 gab es in West-Berlin 25 242 Heil- und Heilhilfspersonen. Darunter waren 4 747 tätige Ärzte, davon 2 358 freipraktizierend ohne Krankenhaustätigkeit und 1 504 Krankenhausärzte; ferner 1 899 tätige Zahnärzte, 1 004 approbierte Apotheker
in insgesamt 456 Apotheken, 8 376 staatlich geprüfte Krankenschwestern und -pfleger, 139 Hebammen, 528 staatlich geprüfte Fürsorger, 119 Heilpraktiker und 1 027 staatlich geprüfte Masseure/ Masseusen - und 37 »medizinische Schädlingsbekämpfer«. 1960 registrierte die Statistik 30 406 Tuberkulosekranke und 4 689 an Tuberkulose Neuerkrankte (21,3 je 10 000 Einwohner) sowie 3 470 anzeigepflichtige Krankheiten, darunter 1 837 mal Keuchhusten, 1 108 mal Scharlach, 242 mal Ruhr und 59 mal Kinderlähmung. In der Fürsorge wurden 1960 in West-Berlin 93 514 Säuglinge und 131 981 Kleinkinder vorgestellt. 52 651 Kriegsbeschädigte und 107 740 Kriegshinterbliebene erhielten laufende Versorgungsbezüge. Die offene Fürsorge registrierte 1960 im Monatsdurchschnitt insgesamt 97 707 unterstützte Personen - 44,3 je 1 000 Einwohner. Die gesetzliche Rentenversicherung der Arbeiter registrierte 1960 als Monatsdurchschnitt 348 693 Rentenfälle mit 1 830,70 DM-West »Aufwendungen je Rentenfall«; die gesetzliche Rentenversicherung der Angestellten gab für 1960 als Monatsdurchschnitt 219 463 Rentenfälle mit 2 557,09 DM-West »Aufwendungen je Rentenfall« an.
     Für Ost-Berlin vermeldete die Statistik für 1960 45 Krankenanstalten mit einem Bettenbestand von 18 717: 19 staatliche (3 275/durchschnittliche Belegung 79,1 %), 18 städtische (13 609/86,4 %) und 8 konfessionelle (1 833/91,6 %). Damit entfielen auf je 10 000 Einwohner 174,6 Krankenhausbetten (West-Berlin: 148,4).
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Von den 45 Anstalten waren 21 allgemeine Krankenhäuser und selbständige Entbindungsheime, 16 Universitätskliniken, 3 wissenschaftliche Institute mit Krankenbetten, 2 Tbc- Krankenhäuser und 3 Heil- und Pflegeanstalten für Nerven- und geisteskranke. Angaben über die Zahl der Ärzte und des medizinischen Personals macht die Ostberliner Statistik nicht. Ende 1960 gab es in Ost-Berlin ferner 43 Polikliniken mit mindestens 5 Fachrichtungen, darunter 15 Betriebspolikliniken, 24 Ambulatorien und 532 weitere Einrichtungen für ambulante Behandlung, darunter 106 konfessionelle Gemeindeschwesternstationen. Hinzu kamen 142 Apotheken, 22 Schwangerenberatungsstellen, 50 Mütterberatungsstellen, 130 Kinderkrippen, 9 Dauerheime für Säuglinge und Kleinstkinder und 59 Heime der Sozialfürsorge mit 6 218 Plätzen. 1960 wurden in Ost-Berlin u. a. 2 194 Fälle von aktiver Tuberkulose gemeldet (20,5 je 10 000 Einwohner), 1 785 Hepatitis-, 1 005 Scharlach- und 652 Ruhrfälle angezeigt. Die Sozialversicherung zahlte 1960 u. a. 117 730 Altersrenten (Durchschnitt: 148,25 DM-Ost), 51 576 Invalidenrenten (Durchschnitt: 137,35 DM-Ost), 21 423 Witwenrenten (Durchschnitt: 118,06 DM-Ost) und 7 668 Unfallrenten (einschließlich der Hinterbliebenenrenten).
     Auch im Bereich der Kriminalität vermittelt die Statistik ein getrenntes Bild über beide Stadthälften.
In West-Berlin wurden 1960 wegen Verbrechen und Vergehen insgesamt 23 555 Personen verurteilt (Gesamt- Berlin 1947: 33 334, 1937: 30 501). Davon waren 14 412 männliche Erwachsene (61,2 %), 3 210 weibliche Erwachsene (13,6 %) sowie 5 437 männliche Heranwachsende und Jugendliche (23,1 %) und 496 weibliche Heranwachsende und Jugendliche (2,1 %). Die Straffälligen wurden u. a. wegen folgender Delikte verurteilt: Mord 5, Totschlag 5, Abtreibung 34, Raub und Erpressung 151, Sittlichkeitsdelikte 593, Körperverletzung 2 384, Widerstand gegen die Staatsgewalt 338, Diebstahl und Unterschlagung 6 156. Über die Zahl der Polizeikräfte wurden keine Angaben gemacht. 1960 gingen insgesamt 108 215 Anzeigen ein, 61 221 Fälle wurden aufgeklärt und 61 145 Täter ermittelt.
     Das Bild der Kriminalität in Ost-Berlin war vermutlich ähnlich - der Beleg dafür muss leider mangels Daten ausbleiben.…
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© Edition Luisenstadt, Berlinische Monatsschrift Heft 3/2001
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