133   Novitäten Patente  Nächstes Blatt
Maria Curter
Ein neues Amt für Erfindungen

Mit der Gründung der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik im Jahre 1949 gingen nicht nur die Teilung Berlins, sondern auch zahlreiche Neu- oder Umgründungen ehemaliger Reichsbehörden einher. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde die für die wirtschaftliche Entwicklung so wichtige Institution, unter dem Nationalsozialismus als Deutsches Reichspatentamt geführt (vgl. BM 9/2000), zunächst treuhänderisch verwaltet. 1949 ging aus ihr das Deutsche Patentamt als eine obere Bundesbehörde der BRD hervor. Ihr Hauptsitz wurde in München eingerichtet. Der monumentale Bau in der Gitschiner Straße 97-105 (Kreuzberg), als Kaiserliches Patentamt zwischen 1903 und 1905 errichtet und zuletzt Sitz des Deutschen Reichspatentamtes, befand sich seit der Teilung der Stadt nun in West-Berlin und wurde Außenstelle des Deutschen Patentamtes.
     Gar nicht so weit von diesem entfernt, in der Mohrenstraße 37 b (Mitte), nahm das im September 1950 in Ost-Berlin neu gegründete »Amt für Erfindungs- und Patentwesen« (AfEP) seinen Sitz.

Als zentrales Organ, wie obere Regierungsbehörden der DDR hießen, leitete es die Entwicklung auf dem Gebiet des Patent-, Muster- und Zeichenwesens sowie der Neuererbewegung. Es war u. a. verantwortlich für die Erteilung und den Schutz von Patenten, die Eintragung von Warenzeichen, die Bekanntgabe der Patentanmeldungen sowie die Bereitstellung von Patentliteratur.
     Am 6. September 1950 wurde für die DDR ein neues Patentgesetz erlassen, das das vom 5. Mai 1936 bis dato noch gültige ersetzte. Demnach sollte, wie es in der Präambel hieß, dem Erfinder die Möglichkeit gegeben werden, »das Ergebnis seiner schöpferischen Arbeit dem Interesse der Gesellschaft entsprechend auszuwerten«.

BlattanfangNächstes Blatt

   134   Novitäten Patente  Voriges BlattNächstes Blatt
     Das neue Patentrecht, als ein Bestandteil des einheitlichen Rechtssystems der DDR, hatte zum Ziel, »die technisch- schöpferische Tätigkeit der Erfinder zur Erreichung und Durchsetzung des Höchststandes von Wissenschaft und Technik allseitig zu fördern; die Erfindungstätigkeit planmäßig auf die Lösung von volkswirtschaftlichen Schwerpunktaufgaben zu lenken und die gesellschaftliche Anerkennung der >technisch- schöpferischen Leistung< der Erfinder bei der Weiterentwicklung der Technik zu sichern«. Das Gesetz unterschied nach Wirtschafts- und Ausschließungspatent. Während das Ausschließungspatent nur dem Patentinhaber die Benutzung der Erfindung bzw. die Lizenzvergabe erlaubte, stand die Nutzung des Wirtschaftspatents neben dem Erfinder selbst auch denen zu, die das Patentamt im Rahmen der Wirtschaftsplanung dazu bestimmte. Der Erfinder erhielt dafür eine Vergütung, die auch als einmalige Abfindung gezahlt werden konnte. Entstand eine Erfindung im Rahmen der Arbeit eines Erfinders in einem volkseigenen Betrieb, so wurde diese Erfindung immer als Wirtschaftspatent angemeldet.
     Die Anforderungen an eine Erfindung, um patentierbar zu sein, wie beispielsweise »neu«, »gewerblich benutzbar« oder den »bekannten Stand der Technik in Form einer völlig neuen technischen Wirkung erheblich bereichern« waren im Gesetz wie bisher ebenso enthalten wie die Vorschriften zur Abfassung der Patentschrift.
     Knapp zwei Jahre nach der Gründung des Amtes, im Juli 1952, meldeten dort der in Osdorf bei Halle geborene, seit 1940 in Berlin lebende Bergbauingenieur Georg Bilkenroth (1898-1982) und der an der Bergakademie in Freiberg tätige Verfahrenstechniker Erich Rammler (1901-1986) eine Erfindung gemeinsam zum Patent an, die weltweit einmalig war. Als »Verfahren und Vorrichtung zur Erzeugung eines stückigen Hochtemperaturkokses von hoher Druck-, Abrieb- und Sturzfestigkeit aus Braunkohlenbriketts« wurde sie im Amt für Erfindungs- und Patentwesen unter der Nummer 4630 registriert und kurz »BHT-Koks- Verfahren« genannt. In der Patentschrift hieß es:
     »Weit härtere Anforderungen als die Schwelung zum Zwecke der Teergewinnung und die Entgasung zur Stadtgaserzeugung stellt die Verkokung zur Herstellung von hochwertigem, stückigem, druck- und abriebfestem Braunkohlen- Hochtemperaturkoks (BHT-Koks - d. A.) an die Brikettqualität, die Gegenstand der Erfindung bildet. Im Gegensatz zur Brikettschwelerei und Brikettgaserei stellt der Koks das Hauptprodukt dar. Er soll, soweit die andersartigen Eigenschaften der Braunkohle im Vergleich zur Steinkohle es gestatten, den Steinkohlenkoks, vorzugsweise auf den Gebieten der Metallurgie und der chemischen Industrie, weitgehend ersetzen.
BlattanfangNächstes Blatt

   135   Novitäten Patente  Voriges BlattArtikelanfang
Ein für diese Zwecke einsatzfähiger Braunkohlen- Hochtemperaturkoks muß möglichst stückig sowie druck-, abrieb- und sturzfest sein, und sein Aschen- und Schwefelgehalt darf den des Steinkohlenkokses nicht wesentlich überschreiten.«
     Im Vorfeld dieser Erfindung wurden verschiedene mehrstufige Verfahren zur Herstellung eines Kokses aus Braunkohle getestet, die sich aber alle als untauglich erwiesen. Georg Bilkenroth und Erich Rammler ging es vor allem um die Nutzung der Niederlausitzer Braunkohle. Beide hatten schon jahrelange Erfahrungen mit ihr. Während Bilkenroth ab 1935 Werkdirektor der Niederlausitzer Kohlewerke in Deuben und ab 1940 Technischer Oberleiter der Braunkohlewerke Salzdetfurth AG in Berlin war, arbeitete Rammler u. a. im Kraftwerk Böhlen und war ab 1935 ehrenamtlicher Abteilungsleiter im Braunkohlen- Forschungsinstitut der Bergakademie in Freiberg.
     Die Temperaturführung bei der Verkokung war der entscheidende Punkt, der folgendermaßen beschrieben wird: »Der erwünschte Temperaturabfall in der Beheizung der Kammern von unten nach oben läßt sich auf verschiedene Weise erreichen. Als besonders vorteilhaft erweist es sich, wenn die Vertikalkammern beiderseits mit waagerechten, in der beheizten Wandhöhe schlangenförmig hin- und hergeführten Heizzügen ausgerüstet sind, durch die die Heizmittel serpentinenartig von unten nach oben ziehen und dabei ihren Wärmeinhalt an die Kammern abgeben.
Infolge der niedrigeren Temperatur der Heizgase in den oberen Zügen können auch bei unmittelbarer Einführung der Briketts aus dem Trockner in die Verkokungskammern keine schädlichen Temperatursprünge beim Absinken der Briketts in den Kammern auftreten.«
     Auf Grund dieser Erfindung wurde in den fünfziger Jahren die Großkokerei Lauchhammer projektiert und in Betrieb genommen sowie das damals weltgrößte Braunkohlenveredlungswerk »Schwarze Pumpe« errichtet.

Quellen
-Patentgesetz vom 6. 9. 1950
-Amt für Erfindungs- und Patentwesen, Patentschrift Nr. 4630
-SBZ von A bis Z, Bonn 1960, S. 306/307
-Meyers Neues Lexikon, Leipzig 1961, Bd. 1 S. 238, S. 429
-Wer war Wer in der DDR, Fischer Taschenbuch Verlag, 1994, S. 73, S. 586/587

BlattanfangArtikelanfang

© Edition Luisenstadt, Berlinische Monatsschrift Heft 3/2001
www.berlinische-monatsschrift.de