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Kurt Laser
Fernsehen auf getrennten Kanälen

Die Anfänge des neuen Mediums in Berlin- Adlershof und beim Nordwestdeutschen Rundfunk

Am 21. Dezember 1952 beginnt das DDR- Fernsehzentrum in Adlershof mit der regelmäßigen öffentlichen Ausstrahlung eines zweistündigen Versuchsprogramms. Dass dieses Ereignis auf den 73. Geburtstag J. W. Stalins (1879-1953) fällt, ist wahrscheinlich eher ein Zufall. Eigentlich war der 15. Dezember 1952 vorgesehen, doch die rechtzeitige Fertigstellung des 2-kW- Programmsenders bereitete Schwierigkeiten.
     In der Fernsehgeschichtsschreibung der DDR wurde vermerkt, dass die DDR nach der Sowjetunion, Großbritannien, Frankreich und den Niederlanden als fünftes Land in Europa das Fernsehen eingeführt habe. Der Prioritätenstreit ist jedoch müßig. Abgesehen davon, dass auch die Schweiz und Italien mit dem Fernsehen schon 1951 bzw. 1952 begannen, sieht bereits am 7. Februar 1952 ein Publikum von 400 Fernsehgerätebesitzern die 100. Sendung des Berliner NWDR- Fernsehens. Sie ist allerdings noch nicht als offizielles Programm deklariert.

Am 1. Weihnachtsfeiertag 1952 beginnt der Nordwestdeutsche Rundfunk (NWDR) mit dem offiziellen täglichen Sendebetrieb. Werner Nestel, der 1937 bei Telefunken an der Fernsehentwicklung mitarbeitete und seit 1947 Technischer Direktor des NWDR ist, forciert daraufhin den Aufbau des Fernsehens beim Nordwestdeutschen Rundfunk. Die ersten Vorbereitungsarbeiten hatten schon kurz nach dem Krieg in Hamburg begonnen. Hier sind viele ehemalige Mitarbeiter des NS- Fernsehens gelandet, das mit seinen Programmbetrieben in Berlin und im besetzten Paris seinerzeit das leistungsfähigste der Welt war.
     Am 19. Juli 1948 liegt die Genehmigung der britischen Militärregierung für die Wiederaufnahme des Fernsehbetriebes vor, am 17. Juni 1950 beginnt der offizielle Versuchsbetrieb in Hamburg- Rohstedt. Am 25. September 1950 stellt der Sender das Unternehmen der Presse vor, und am 27. November 1950 startet ein Versuchsprogramm unter dem Namen »Nordwestdeutscher Fernsehdienst (NWDF)«. Dreimal wöchentlich, montags, mittwochs und freitags, wird von 20 bis 22 Uhr gesendet.
     Auf der vom 6. bis 21. Oktober 1951 in Berlin veranstalteten »Deutschen Industrieausstellung« stellen sich der NWDR und die Rundfunkindustrie der Öffentlichkeit vor. Besondere Beachtung findet auf der Ausstellung die Berliner NWDR- Station.
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Eine Gruppe von Hörfunkmitarbeitern unter der Leitung von Heinz Rieck und Udo Blässer, die einige Kameras organisiert haben, improvisieren damit Außenreportagen.
     Als die Ausstellung beendet ist, sendet der NWDR Berlin weiterhin täglich ein eigenes Zweistunden- Programm. Von September 1952 an laufen die Versuchsübertragungen vom NWDR- Fernsehstudio in der Tempelhofer Ringbahnstraße über Kabel bis zu einem Sendeturm in Nikolassee und dann über Ultrakurzwelle weiter in die Hamburger Zentrale.

Adlershofer Start

In der sowjetischen Besatzungszone erhält der erfahrene Fernsehtechniker Ernst Augustin den Auftrag, Möglichkeiten und Perspektiven für die Entwicklung des Fernsehens im Lande zu untersuchen. Nach Vorarbeiten in der Zeit von 1947 bis 1949 beginnt am 30. Oktober 1949 die Projektierung des Fernsehzentrums in Adlershof. Augustin, kurze Zeit später der erste technische Leiter der Station, die bis 1972 »Deutscher Fernsehfunk« hieß, legt im Januar 1950 der Regierung seine Pläne vor. Sie werden gebilligt. Zu dieser Zeit hatte es Pressemeldungen über die Konstruktion von Empfangsgeräten und über den Aufbau eines »Rundfunk- und Fernsehtechnischen Institutes« in Berlin- Adlershof gegeben, die auch von den NWDR- Verantwortlichen mit starkem Interesse aufgenommen wurden.

Am 13. Mai 1950 beschließt die Generalintendanz des DDR- Rundfunks, mit Fernseh- Sendeversuchen zu beginnen.
     Am 11. Juni 1950 erfolgt mit dem ersten Spatenstich durch den Generalintendanten der Rundfunksender, Hans Mahle, der Startschuss für den Aufbau eines Studiokomplexes, projektiert für wöchentlich 20 Stunden Sendezeit. Am 17. Juli 1951 wird Richtfest für den ersten Bauabschnitt gefeiert.
     Ein nichtoffizielles Versuchsprogramm gibt es seit dem 4. Juni 1952. Bild Nr. 1 der später »Aktuelle Kamera« genannten Nachrichtensendung zeigt die Blockade des Rundfunkhauses in der Masurenallee durch britische Militäreinheiten. Der Berliner Rundfunk muss nach Grünau ausweichen, bevor er sein neues Quartier in der Nalepastraße beziehen kann.
     Die Bildung einer von Ernst Augustin geleiteten wissenschaftlichen Arbeitsgemeinschaft zur Einführung des Fernsehens und die Verstärkung der Redaktionskommission unter Leitung von Hermann Zilles schließen die organisatorischen Vorbereitungen bis zum 1. Dezember 1952 ab. Zu diesem Zeitpunkt hat der Fernsehbetrieb bereits 700 Mitarbeiter.
     Inzwischen ist auch am 29. Februar 1952 ein 100-Watt- Bildsender auf dem Kuppelturm des Alten Stadthauses in der Klosterstraße in Betrieb genommen worden.
     Am 21. Dezember 1952, um 20 Uhr, richtet Margit Schaumäker die ersten Worte an die Zuschauer.
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Dann spricht der Leiter des Fernsehzentrums, Hermann Zilles. Es folgt die erste Ausgabe der »Aktuellen Kamera«, allerdings mit stehenden Diapositiven. Den Kommentar spricht Herbert Köfer (geb. 1921). Nach dem Kurzfilm »Menschen aus der Nähe betrachtet«, der das Fernsehzentrum und die ersten Mitarbeiter vorstellt, schließt die Sendung mit einem sowjetischen Film. Volkskünstler der UdSSR gratulieren Stalin zum Geburtstag. Einen Tag später kommt der Wetterdienst ins tägliche Programm, und mit der Reportage »Unsere Stahlwerker im Wettbewerb« beginnt die Berichterstattung aus den Betrieben.
     Bis zum Jahresende haben unter anderem Premiere »Das gute Buch«, »Theater- und Filmspiegel«, »Fernsehkarussell«, eine Unterhaltungssendung und »Winterschulungsarbeit auf dem Lande«.
     Für die Vorführung von Filmen im 35-mm- Kinoformat stehen zwei ehrwürdige Mechau- Projektoren zur Verfügung, deren rotierendes Spiegelsystem nach dem damaligen Standard Voraussetzung für die flimmerfreie Vorführung von Kinofilmen war.

Weihnachtsfernsehen

Berlin wird eines der Zentren des deutschen Fernsehens. Allerdings kommt die Übertragung des ersten offiziellen bundesdeutschen Programms am 1. Weihnachtsfeiertag 1952 aus der Sendezentrale in Hamburg.

     Sie beginnt um 20 Uhr mit Ansprachen des Fernsehintendanten Dr. Werner Pleister und des Technischen Direktors des NWDR, Prof. Dr. Werner Nestel. Zehn Minuten später folgt ein Fernsehspiel von Johannes Kai über die Entstehung des Liedes »Stille Nacht, heilige Nacht«. Regie führt Hanns Farenburg. Es schließen sich um 20.45 Uhr Fernsehsender aus aller Welt mit Grüßen zum deutschen Fernsehstart an, und zum Schluss führen »Max und Moritz« in einem Tanzspiel nach Wilhelm Busch sieben Streiche aus (Regie ebenfalls Hanns Farenburg). Am Freitag, dem 26. Dezember, wird um 14.15 Uhr das Wiederholungsspiel um den DFB- Pokal zwischen dem FC St. Pauli und Hamborn 07 übertragen.
     Ab 20 Uhr werden am 2. Weihnachtsfeiertag Tagesschau, Wetterkarte, Toto und Ratschläge des Doktors präsentiert. Hannspeter Rieschel sagt den Zuschauern dann, »wie Gäste zu unterhalten sind«. »Eine nette Bescherung - einen Weihnachtsstollen« -gibt es um 21 Uhr mit der Ankündigung: »Der Teig wird angerührt von Günter Keil, knusprig gebacken von Erwin Fuchs und zum Kaffee serviert von Peter Frankenfeld, Alice Treff, Erna Nitter, Cornelia Froboess, Gisela und Harald Martens.« Es wirken außerdem mit: Ilse Werner, Friedl Hensch und die Cypris, die Geschwister Schmid und Helmuth Zacharias.
     Am Sonnabend, dem 27. Dezember, übernimmt Hamburg ein Programm aus Berlin.
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Nach der Wetterkarte um 20 Uhr präsentieren die »Stachelschweine« ihr Kabarettprogramm »Zwischen Nylon und Chemnitz«. Dann spielt Fritz Schulz-Reichel mit kleiner Besetzung. Es singen die bekannten Berliner Schlagersänger Rita Paul und Bully Buhlan, die Conférence hat Günter Keil. Bis zum Jahresende erfolgen von 20 bis 22 Uhr regelmäßige zeitversetzte Übertragungen aus Berlin, Köln und Hamburg.

Aktuelle Fernsehberichte

Auf Grund der geringen finanziellen Mittel bemüht sich das Westberliner Fernsehteam unter Heinz Rieck in der Folgezeit verstärkt um eine aktuelle Berichterstattung, die mit einigen 16-mm- Kameras durchgeführt wird. Sie gewinnen als »Aktueller Filmbericht« eine eigene Form gegenüber den in Hamburg produzierten Sendungen, die anfangs nur aus Wochenschaumaterial bestehen. Die Bedeutung dieser eigenen Filmberichte wächst vor allem bei für Berlin spezifischen Themen, so als der NWDR- Filmtrupp die Ereignisse am 17. Juni 1953 filmt und damit Bildinformationen liefert, die sonst kein anderes Medium bietet.
     Nachrichten werden zunächst nur verlesen. Wenn sie ans Ende des Programmtages rutschen, erscheinen auch Zusammenstellungen aus Standbildern und Filmaufnahmen als »Aktueller Wochenbericht«. Materiallieferant ist die »Neue Deutsche Wochenschau«.

     Ab Januar 1952 entsteht eine Sendung, die dreimal wöchentlich kommt, zuerst »Fernsehfilmbericht« heißt und dann auf Anregung des Fernsehchefredakteurs Heinz von Plato vom 20. Dezember 1952 an den Titel »Tagesschau« erhält. Erster Tagesschausprecher ist Cray Dietrich Voss. Gegenüber der nur 11 Minuten dauernden »Wochenschau« benötigt die »Tagesschau« sehr viel mehr Material, da sie 15 Minuten umfasst und zu jeder der drei Ausgaben pro Woche neu zu sein hat.

Sendungen aus dem Ministudio

Maria Kühne, eine die fast vom ersten Tage an als Ansagerin dabei war, erinnerte sich 30 Jahre später, wie es in Adlershof anfing. Für sie begann es am 9. Januar 1953 damit, dass Gottfried Herrmann, damals Chefregisseur des Fernsehens, eine Botin mit Brief per Auto zu ihr nach Birkenwerder schickte. »Liebe Frau Kühne, schrieb er, ich habe die Möglichkeit, Sie sofort in einer Sendung bei uns einzusetzen, und zwar am Sonnabend, d. 10. 1., in unseren Rätselfragen. Sie würden mit mir zusammen vor der Kamera sitzen. Es wäre aber notwendig, dass Sie mit der Überbringerin des Briefes sofort zu einer Probe zu uns kommen und sich den ganzen Sonnabend frei machen. In der Hoffnung, dass es klappt, verbleibe ich mit den besten Grüßen Ihr Gottfried Herrmann.«

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     Es klappt. Maria Kühne fährt mit der Überbringerin nach Adlershof.
     Die Sendestudios sind noch im Rohbau. Der einzige sendetaugliche Raum, in dem Maria Kühne dann in einer 20 oder 30 Minuten langen Doppelconférence mit Gottfried Herrmann die Rätselsendung bestreitet, hat ein Miniformat von 4 x 4 Metern. Die Einrichtung besteht aus zwei recht großen, im rechten Winkel zueinander stehenden Sprechertischen mit je einem Monitor. Dahinter hängt ein grauer Vorhang, der die Vorlage für die Wetterkarte verdeckt. Als Irmgard Düren und Gottfried Herrmann kurze Zeit später hier eine Szene aus der ersten Kabarettsendung »Bianca Maria und der triefende Dolch« spielen, muss Werner Peters (1918-1971) als Vorleser fast unter den Tisch kriechen, damit er nicht ins Bild kommt.
     Werner Peters spielt auch zusammen mit Maria Kühne und Herbert Köfer (geb. 1921) in »Wehe, wenn sie losgelassen«, dem ersten heiteren Fernsehspiel, geschrieben von Heinz Quermann (geb. 1921). Maria Kühne bringt es bis Ende 1953 auf 110 Sendungen.

Nymphenbad und Sandmännchen

Am 25. Februar 1953 beginnt der »Deutsche Fernsehfunk« die Reihe »Das große Konzert«. Mit der Folge »Das Nymphenbad«, einer Reportage von der Wiederherstellung der

Skulpturen im Dresdner Zwinger, erscheint »Lebende Kunst« zum erstenmal auf dem Bildschirm. Am 1. August gibt es als erste große Unterhaltungssendung die »Artistenbar«. Am 30. August wird die Filmaufzeichnung von »Boris Godunow« gesendet. Damit ist erstmals eine Oper im Fernsehen Ost zu erleben. Mit »Tiefseeforschungen«, einem DIA- Vortrag, fängt am 16. Oktober die Reihe »Wir sind im Bilde« an, die populärwissenschaftliche Vorträge und Berichte bringt. Am 31. Dezember 1953 wird die erste Silvesterschau als Live- Sendung im 57 m2 großen Studio I produziert. Studio III, im August 1954 eingerichtet, bietet sogar 315 m2. Das im Dezember 1954 fertiggestellte Studio V wird Fernsehtheater. Im 651 m2 großen Studio IV kann ab Juli 1956 produziert werden.
     Es zeichnen sich auch technische Veränderungen ab. Von 1956 an wird schrittweise mit der Einführung des einfacher zu handhabenden 16-mm- Umkehrfilms begonnen. Aber schon 1954 kommt das bewegte Bild mittels klassischer Kino- Technik in die »Aktuelle Kamera«. Bei der Berichterstattung vom IV. Parteitag der SED gelingt es am 4. April 1954 erstmals, einen Filmbericht vom gleichen Tag zu senden. Ab 1957 erscheint die »Aktuelle Kamera« täglich. Der erste Übertragungswagen wird am 6. Oktober 1955 in Betrieb genommen.
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Nunmehr sind Direktsendungen von öffentlichen Veranstaltungen, aus Theatern und von Sportereignissen wesentlich besser möglich als bisher.
     Ab November 1955 übernimmt das Fernsehen die beliebte Rundfunksendung »Da lacht der Bär«.
     Zwei Monate später, am 3. Januar 1956, beginnt der Deutsche Fernsehfunk sein reguläres Programm. Die durchschnittliche Sendezeit beträgt 16 Stunden in der Woche. Neben Sport- und Unterhaltungssendungen finden die ersten dramatischen Serien wie »Weimarer Pitaval« und »Blaulicht« regen Zuspruch. Mit großer Liebe werden vor allem Kinder- und Jugendsendungen gestaltet, die im Wochenprogramm durchschnittlich 50 Minuten einnehmen. 1959 schlägt die Geburtsstunde des »Sandmännchens«, und der Berliner Schauspieler Eckart Friedrichson spielt die Rolle des »Meister Nadelöhr«.

Vom T 2 zum Cranach

Damit das Fernsehen seine angestrebte Wirkung erzielen kann, ist der Bau von Fernsehgeräten von besonderer Bedeutung. Die Wiege des Fernsehempfängerbaus in der DDR stand im Radeberger SAG- Betrieb Sachsenwerk. Hier lässt die Sowjetische Aktiengesellschaft (SAG) »Pribor« 1950 einen Auftrag der sowjetischen Fernsehindustrie ausführen, die Produktion des 1949 entwickelten Empfängers T 2 »Leningrad«.

1951 verlassen 29 500 Geräte die Bänder, bis Ende 1952 wächst ihre Zahl auf 62 500. Der »Leningrad« arbeitet mit 33 Röhren, der sogenannten Oktalserie, einem damals weitverbreiteten Standardtyp. Ihre Herstellung übernimmt das Werk für Fernmeldewesen Berlin. Die Bildröhre misst 23 cm in der Diagonale, woraus sich eine Bildgröße von 15 x 20 cm ergibt.
     Nach einem Besuch im Moskauer Fernsehzentrum am 11. Januar 1952 bitten Regierungsorgane der DDR die Sowjetunion um technische Hilfe bei der Entwicklung des Fernsehens.
     Am 15. Februar 1952 gibt der Vorsitzende der Sowjetischen Kontrollkommission in Deutschland, Armeegeneral Tschuikow (1902-1982), mit dem Befehl Nr. 24 die Maßnahmen bekannt, die der Ministerrat der UdSSR zur Unterstützung des Fernsehfunks in der DDR beschloss. Neben der Verpflichtung, Kader auszubilden und technische Hilfe bei Forschungsarbeiten in SAG- Betrieben zu leisten, ist besonders wichtig, dass zunächst 200 Empfänger aus Reparationslieferungen für die DDR freigegeben werden. Die ersten Geräte erhalten im Juni 1952 Berliner Großbetriebe.
     Auf der Leipziger Herbstmesse 1953 stellen die Radeberger ihre erste eigene Konstruktion vor, den FE 825 »Rembrandt«, eine Weiterentwicklung des »Leningrad«, die nur noch 23 Röhren benötigt. Er besitzt bei einer Bildschirmdiagonale von 30 cm eine Bildfläche von 18 x 24 cm.
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     1953 nehmen das Werk für Fernmeldewesen und das Funkwerk Erfurt die Produktion einer neuen Miniröhrenserie auf. Damit wird es möglich, in Radeberg einen moderneren Fernsehempfänger zu entwickeln. Der nächste Empfänger der Malerserie ist 1955/56 »Rubens«. Das Gerät enthält noch die 30-cm- Bildröhre. Die folgenden Typen »Dürer« 1956/57 und »Cranach« 1957/58 haben bereits eine neuartige Rechteck- Bildröhre mit einer Bildschirmdiagonale von 43 cm. Die damit erzielte Bildgröße von 27 x 36 cm bildet für viele Jahre das Standardformat des Fernsehempfangs in der DDR. Die Fernsehgeräte der ersten Jahre lassen ihre Herkunft vom Rundfunkempfänger erkennen. So kommt 1957/58 der »Iris« als erste Eigenentwicklung aus dem Sternradio Staßfurt. Zusammen mit diesem Werk nehmen das Elbia- Werk Schönebeck und Stern- Radio Berlin- Weißensee die Fertigung auf.
     Der Gemeinschaftsempfang in »Fernsehstuben«, in Familien- und Hausgemeinschaften, in Gaststätten, Betrieben und Kulturhäusern spielt noch für längere Zeit eine große Rolle. Die ersten Fernsehgeräte sind für die meisten DDR- Bürger zu teuer. Sie werden auch in einer viel zu geringen Stückzahl hergestellt. Trotzdem stehen in den Ostberliner Haushalten 1958 bereits 32 600 Geräte.
     In der ersten Zeit ist das Adlershofer Fernsehen außerhalb Berlins nicht zu empfangen.
Doch ab Juli 1953 werden die Sender aufgebaut, zuerst eine Richtfunkstrecke bis Leipzig.

Auf dem Weg zum ARD- Fernsehen

Auch West-Berlin bringt die soziale Marktwirtschaft nicht sofort den individuellen Fernsehempfang für jedermann. 1953 kostet ein Tischgerät 1000 DM, eine Luxustruhe mit Radiogerät, Plattenspieler und Hausbar bis zu 4000 DM. Über 80 Prozent der Bevölkerung verdienen aber nicht mehr als 400 DM im Monat. Anfang 1953 sinken die Preise für die einfachen Fernsehgeräte auf 800 DM, weil die Käufer das billigere Gerät mit 36 cm Bilddiagonale zugunsten des mit 43 cm verschmähen.
     Bei den Übertragungen gibt es in der ersten Zeit Probleme. Nachdem die Sender in Hamburg, Köln und Berlin zunächst zusammengeschaltet sind, wird Berlin am 22. Januar 1953 wieder abgekoppelt, weil die Richtfunkstrecke zwischen Hamburg und Berlin keine ausreichendes Bildsignal liefert. Hier muss der relativ große Abstand von 120 km überbrückt werden, und die Übertragung erfolgt deshalb auf einer UKW- Frequenz. Ab Dannenberg wird von der 75 Meter hohen Anhöhe bei Höhbeck nach Berlin- Nikolassee abgestrahlt. Auf den anderen Strecken sendet man ansonsten längst mit Dezimeterwellen.

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Da der Sender in Nikolassee relativ leistungsstark ist, kann aus Berlin in Richtung Dannenberg und von dort nach Hamburg gut übertragen werden. Der Dannenberger Sender ist schwach. So sehen zwar bereits im Herbst 1952 die Hamburger das Berliner, die Berliner jedoch nicht das Hamburger Programm. Erst im Herbst 1953 ist schließlich die Sendeleistung derart verbessert, dass man ein einziges Programm über die Sender ausstrahlen kann.
     Die Richtfunkstrecken quer durch die Bundesrepublik werden bis Ende Oktober 1954 fertiggestellt, sodass vom 1. November 1954 an das gemeinsame Programm der Arbeitsgemeinschaft der Rundfunkanstalten Deutschlands (ARD) »Deutsches Fernsehen« auf Sendung gehen und damit das NWDR- Fernsehen ablösen kann.
     Die Berliner können beide Programme empfangen. Westfernsehen wird fast überall in der DDR eifrig gesehen, und alle Maßnahmen dagegen bleiben relativ wirkungslos. Nur das »Tal der Ahnungslosen« im Dresdner Raum und einige Bereiche an der Ostseeküste sind ausgeschlossen. Das Programm des »Deutschen Fernsehfunks«, dann »Fernsehen der DDR«, kann nur in einigen Teilen des Bundesgebiets empfangen werden.
     Erst mit der kurzzeitigen Teilnahme des Adlershofer Fernsehens am Programm 3sat nach 1990 erreichten ausgewählte Sendungen - wie z. B. die legendäre Nachrichtensendung »AK zwo« - ein Publikum im gesamten deutschen Sprachraum.
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© Edition Luisenstadt, Berlinische Monatsschrift Heft 3/2001
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