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Wasser in der Stadt. Perspektiven einer neuen Urbanität.

2000 by Wasserstadt Berlin GmbH, Konzeption und Redaktion: Uli Hellweg, Jörg Olmanns, Transit Berlin 2000, 271 S.

Die repräsentative Publikation erschien begleitend zu der gleichnamigen Ausstellung, die vom 1. Juni bis zum 31. Oktober 2000 auf dem Areal der früheren Stralauer Glashütte im Entwicklungsgebiet Rummelsburger Bucht als eines der Außenprojekte der Expo 2000 stattfand. Der Planungsbegriff Rummelsburger Bucht umfaßt geographisch das Gebiet an den Ufern des Rummelsburger Sees, die Spreeseite der Halbinsel Stralau, das Gebiet um den Bahnhof Ostkreuz und einen Teil des Markgrafendamms.
     Dem Buch sind Grußworte von Prof. Dr. Töpfer, Senator Strieder und Ludovica Scarpa aus Venedig vorangestellt. In der Einführung weist Uli Hellweg, Geschäftsführer der Wasserstadt GmbH, darauf hin, daß mit Wasser in der Stadt ein globales Thema an lokalen Beispielen behandelt wird.
     In einer interessanten Studie unternimmt Laurenz Demps einen historischen Ausflug zum Wasser in der heutigen Region Berlin. Er beginnt, gestützt auf Arbeiten des Vor- und Frühgeschichtlers Klaus Goldmann, mit der originellen Feststellung, daß der niedrige Wasserstand in den Kanälen und Flüssen im Jahre 1812, der den Nachschub behinderte, ein Hauptgrund für die Niederlage Napoleons war. Dann wendet er sich dem Wasser in der schriftlosen Zeit zu, legt die Besonderheiten der geographischen Lage Berlins dar, behandelt die Rolle des Wassers für das Entstehen der Stadt, das Wasser als Antriebskraft für die Mühlen, die Verbindung zwischen Berliner Schloß und Wasser, die Trockenlegung des Stadtgebietes, den Einfluß von Holländern auf die Stadt im 17. Jahrhundert,

Berlin als märkisches Verkehrszentrum zu Wasser und die Industrialisierung am Wasser und schließt ab mit der Nutzung des Wassers für Haushalt, Freizeit und für die Stadt generell.
     Für den Abriß der Ruinen des Schlosses Monbijou in den sechziger Jahren des 20. Jahrhunderts macht Demps Unwissenheit und kulturlose Bösartigkeit verantwortlich, über den Abbruch des herausragenden Palais Dankelmann im Jahre 1886 informiert er dagegen kommentarlos.
     Helmut Engel, Leiter der Obersten Denkmalschutzbehörde in der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung in Berlin, spannt in seinem Beitrag Bauen am Wasser - Bauen in der Landschaft den Bogen vom späten 17. bis zum 20. Jahrhundert, von den Flüssen und Seen als prägendem Teil eines eindrucksvollen, romantisch empfundenen Landschaftsraumes bis zu ihrer Rolle als Verkehrs- und Transportweg und als Gegenstand stadtplanerisch wissenschaftlicher Betätigung.
     Anzumerken ist, daß der Segelsport zuerst im Berliner Osten am Rummelsburger See aufkam, und danach erst Richtung Grünau und zum Wannsee wanderte.
     Uli Hellweg beginnt seine Darlegungen über Wasser - Stadt - Planung, Wasserzeichen der Berliner Baugeschichte mit der Gründung der Doppelstadt Berlin und Cölln, geht dann auf die barocke Wasserstadt Berlin ein, berichtet über Schinkels Stadtintegration am Wasser und Lennés Integration der Peripherie. Im Abschnitt Trügerische Idyllen am Wasser weist er darauf hin, daß eine heutige idyllische Wasserlage morgen schon Standort für ein Kraftwerk oder neue Industrieanlagen sein kann. Er beschreibt dann die Bedeutung von Straßen und Stränden für die Großstadt, geht auf die Wiederaufbaukonzepte für die Stadt nach dem Zweiten Weltkrieg und die Wiederentdeckung der Stadt am Wasser ein und schließt mit den neuen Wasserstädten an Spree und Havel.
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Abgedruckt wird ein Gespräch zwischen Uli Hellweg und dem Berliner Senatsbaudirektor Dr. Hans Stimmann über die Zukunft der Stadt am Wasser. Stimmann äußert hier u. a., dass er durchgehende Uferwanderwege - wie sie ja im Entwicklungsgebiet Rummelsburger Bucht entstehen - als kurios empfindet.
     Gegenüber den drei einleitenden historischen Beiträgen fallen die Darlegungen über Geschichte und Denkmale in der Rummelsburger Bucht deutlich ab. Es gibt eine Reihe von unnötigen Wiederholungen, Ungenauigkeiten und Fehlern. So wurde 1240 nicht der Ort Stralau urkundlich erwähnt, sondern eine Person, Tidericus de Stralow. Die Existenz des Fischerdorfes Stralau ist dokumentarisch erst im 14., nicht im 13. Jahrhundert nachgewiesen. Während die Besiedlung des Gebietes zur Steinzeit belegt ist, wird die Behauptung auf Seite 109, daß mittelalterliche Burganlagen nachgewiesen wurden, durch die archäologischen Sondagen des Landesdenkmalamtes 1996/97 in der Tunnelstraße 30 - 35 nicht bestätigt. Die Burganlagen sind auch auf der Karte zu den Bau- und Naturdenmalen im Entwicklungsgebiet Rummelsburger Bucht zu finden (S. 107). Das ist aber nicht, wie die Unterschrift weismachen will, der Stand von 1999, sondern von 1995. Zu diesem Zeitpunkt war wegen des geplanten Baus der Stadtautobahn das ehemalige, auf der Karte noch verzeichnete frühere Kraftwerksgebäude des Osthafens bereits aus der Liste gestrichen worden, die 1995 noch unter Denkmalschutz gestellte Transformatorensäule im kleinen Park an der Tunnelstraße 13 - 14 schon gar nicht mehr vorhanden.
     Die Berliner Ostbahnen GmbH war Nutzer des Straßenbahntunnels unter der Sperre. Erbaut wurde er von 1895 bis 1899 durch die Gesellschaft für den Bau von Untergrundbahnen mbH, an der u. a. die AEG, die Baufirma Philipp Holzmann & Co. und die Deutsche Bank beteiligt waren.
Der Beginn der industriellen Entwicklung ist an einer Stelle mit der Mitte des 19. Jahrhunderts, an anderer Stelle richtig für die Zeit nach 1850 angesetzt worden. Die Segel-, Ruder- und Angelvereine entstanden - wenn man einmal von der Tavernen- Gesellschaft absieht - nicht vor, sondern zeitgleich mit der Industrie. Sport und Gastronomie wurden durch die industrielle Entwicklung keineswegs zurückgedrängt. Das zeigt auch eine durch Dokumente und Zeitzeugenaussagen gestützte Karte in der gleichfalls von der Wasserstadt GmbH herausgegebenen Broschüre Spurensuche. Kulturhistorische Recherchen im städtebaulichen Entwicklungsgebiet Rummelsburger Bucht. Für den Segel- und Rudersport kam das Ende erst mit den Bombenangriffen während des Zweiten Weltkriegs.
     Die Villen der Glashütte und der Teppichfabrik sind zwar die einzigen unter Denkmalschutz auf Stralau. Es sind aber weitere Zeugnisse bürgerlichen Wohnens vorhanden, so z.. B. die frühere Villa Deutsch. Die Mietshäuser in der Kracht- und Bahrfeldtstraße wurden bereits kurz nach dem Krieg wieder aufgebaut und vor kurzem modernisiert. Auch das inzwischen renovierte Produktionsgebäude der früheren Aceta GmbH in der Hauptstraße 13 wurde nach dem Krieg wieder aufgebaut, seit 1957 von der Relaisfabrik der EAW genutzt, die nach 1990 in die EAW Relaistechnik GmbH umgewandelt worden ist. In den 90er Jahren erfolgte eine Sanierung des Gebäudes.
     Der nach der Wiedervereinigung im Gebiet des späteren Entwicklungsgebietes Rumelsburger Bucht einsetzende industrielle Kahlschlag ist mit Nutzungsverlusten sehr vorsichtig umschrieben worden. Wie das Nebeneinander von Wohnen und Arbeiten auf der Halbinsel Stralau bewahrt werden kann, erscheint zweifelhaft. Wenn das Schiffahrtszentrum Berlin in den Gewerbepark Klingenberg auf der Rummelsburger Seite verlegt ist, bleibt nur der kleine Familienbetrieb Hansa- Werft übrig.
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Geschäfte gibt es nur wenige, Gaststätten seit 1996 überhaupt keine mehr. Zwar wird in einem anderen Beitrag davon gesprochen, daß auf dem Areal der ehemaligen Betriebe Stralauer Glashütte und Engelhardt- Brauerei Geschäfts- und Gewerbebetriebe angesiedelt werden sollten, doch einige Seiten weiter ist dann wieder davon die Rede, daß nach dem Prinzip der Konfliktminimierung derartige Einrichtungen im Gewerbepark Klingenberg konzentriert werden.
     Bei den denkmalgeschützten ehemaligen Schulbauten in der Marktstraße handelt es sich keineswegs um eine Neunutzung nach 1990. Seit 1949 war hier die Ingieneurschule für Maschinenbau und Elektrotechnik ansässig, aus der dann die Fachhochschule für Technik und Wirtschaft hervorging.
     Im Komplex über die Rummelsburger Bucht informiert dann Herbert Helle, Geschäftsstellenleiter dieses Bereichs über die Entwicklung der Wasserstadt GmbH seit 1992. Klaus Theo Brenner, seit 1992 verantwortlicher Architekt des städtebaulichen Entwicklungprojektes Rummelsburger Bucht geht in seinem Beitrag Wohnen in der Rummelsburger Bucht davon aus, daß Voraussetzung für alle Lösungen das Ende des sozialen Wohnungsbaus im Gebiet ist. Hermann Hertzberger aus den Niederlanden, Masterplaner für das Teilgebiet Stralau Stadt, stellt das städtebauliche Konzept für die Stralauer Halbinsel vor. Er bezieht die historischen Industriebauten in die Planung ein, ordnet dabei aber den Flaschenturm der Engelhardt- Brauerei der Stralauer Glashütte zu.
     Karl Thomanek weist darauf hin, daß der im letzten Jahrzehnt vernachlässigte Treptower Park Anregungen zur Erneuerung des Landschaftsraumes an der Oberspree gab. Er schildert, wie die Prognosen, die von einer steigenden Bevölkerungszahl Berlins ausgingen, der Realität angepaßt werden müssen. Bei der Einordnung der Bereiche verwechselt er die S- Bahnhöfe Rummelsburg und Lichtenberg sowie Ostkreuz und Ostbahnhof.
Wolfgang Mesenich stellt am Beispiel der Rummelsburger Bucht nachhaltige Stadtentwicklung im Sinne der Agenda 21 dar. Anzumerken ist, daß die Einleitung von Schadstoffen in den Rummelsburger See durch die Industrie, nicht fast 100 Jahre, sondern mehr als 130 Jahre dauerte. Die Engelhardt- Brauerei stellte ihren Betrieb nicht erst 1996, sondern bereits 1991 ein.
     Aufmerksam gemacht wird auf genehmigungspflichtige Zuständigkeiten, und es werden die 10 Grundsätze für eine nachhaltige Stadtentwicklung am Wasser als Ergebnis der internationalen 2000- Workshops Wasserstädte am 7. Oktober 1999 in Berlin vorgestellt.
     Der Abschnitt Wasserstädte - eine internationale Zwischenbilanz macht bekannt mit Projekten in Sydney, Singapur, Amsterdam, Rotterdam, Barcelona, Lissabon, Buenos Aires, Hamburg, Duisburg, Kiel, Seattle, Salvador de Bahia, Toronto und London, wobei die vielgerühmten Docklands recht kritisch betrachtet werden.
     Exkurse vom Nutzen des Wassers in den Städten führen zur Sanierung und Restaurierung städtischer Gewässer in Wien, zum Alsterentlastungskonzept in Hamburg, zur Pleißeöffnung in Leipzig, zur Sanierung des Rummelsburger Sees und zur ökologischen Wasserwirtschaft vor dem Hintergrund der Berliner Stadtentwicklung am Wasser.
     Uli Hellweg führt mit seinem Beitrag Die Bedeutung der Wasserwege für die Stadtentwicklung Berlins in den Komplex Öffentlicher Personenverkehr auf dem Wasser ein. Dazu ist anzumerken, daß nach dem Fall der Mauer nicht nur die dritte historische Randwanderung ins Umland, sondern vor allem die systematische Liquidierung von Betrieben Industrie- und Strukturbrachen an der Rummelsburger Bucht hinterließ.
     Rinio Bruttomesso stellt Potentiale und Initiativen zur Konsolidierung und weiteren Entwicklung eines öffentlichen Personennahverkehrs auf dem Wasser vor.
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Manuel Viegas schreibt über den Tejo, über den in Lissabon erst 1966 die erste Brücke gebaut wurde, so daß der Fährverkehr immer noch eine wesentliche Rolle spielt. Brian Fisher wendet sich dem Mersey- River von Liverpool zu, Venedig auf der Lagune ist das Thema des Beitrags von Renzo Brunetto. Mit der Seine beschäftigt sich Richard Goblat und mit dem Bodensee Bernhard Voll.
     Zu dieser Thematik nehmen Volkmar Strauch und Frau Luchner-Brock von der Industrie- und Handelskammer Berlin, Niek van Trigt, Vorsitzender des International Waterborne Transport Committee IWTC, Brian Fisher, Liverpool, Bernd Grondke von der Stern und Kreis Schiffahrt, Werner Laweretz, Direktor des Bereichs Busse der BVG, Christian Gaebler, stellvertretender Fraktionsvorsitzender der SPD im Berliner Abgeordnetenhaus und Gottfried Franke von urban PR Stellung.
     Abschließend werden 10 Thesen zum Öffentlichen Personennahverkehr auf dem Wasser aufgestellt.
     Zum Komplex Stadtentwässerung und Städtebau - von der Konkurrenz zur Partnerschaft äußern sich Dieter Jacobi über Stadtentwässerungsplanung zwischen ökologischer Verantwortung und städtebaulichen Anforderungen, Julian Wékel und Hartmut Rudolph über Stadtplanung und technische Infrastruktur - die Entwicklung des Berliner Kanalnetzes, Matthias Klein über gewässerbezogene Anforderungen an die Stadtentwässerung in Berlin, Norbert Engel über die Regenwasser- Behandlung in Berlin, Matthias Uhl über Regenwasser- Bewirtschaftung im städtebaulichen Kontext, Herbert Dreiseitl über Gestaltungspotentiale der Stadthydrologie, Friedhelm Sieker über Regenwasser- Bewirtschaftung in der Rummelsburger Bucht, Neithard Müller über zentrale Maßnahmen für die weitergehende Regenbehandlung und Hildegard Machleicht über den städtischen Wassergraben in Adlershof.
Zum Wassermanagement in Großstädten kommen Chris Shirley Smith über Wasser für eine Stadt (London), Ryszard Nowakowski über Ressourcenmanagering zur Sicherung der Trinkwasserversorgung von Wroclaw, Raffaele Occhi über Grundwassermanagement in Mailand, Jens Thierbad zur hydrologischen Situation des Landes Berlin, Lothar Rohrbach über Trinkwasserversorgung und Abwasserentsorgung in Berlin, Martin Böhme über Grundwassermanagement auf Berlins Großbaustellen und Heidi Dlubek über Grundwassermanagement in en Einzugsgebieten der Berliner Wasserwerke zu Wort.
     Anschließend wird über die 1999/2000 durchgeführten Workshops zur nachhaltigen Stadtentwicklung informiert.

Kurt Laser

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© Edition Luisenstadt, Berlinische Monatsschrift Heft 2/2001
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