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Helmut Caspar
»Tuet auf die Pforten«

Vergoldete Bauinschriften zieren noch heute öffentliche Gebäude

Zahlreiche ranghohe öffentliche Gebäude und verschiedene Gotteshäuser Berlins tragen Prunkinschriften, gelegentlich auch gekrönte Wappenschilder mit Kurzepter und schwarzem Adler als Abzeichen des Herrscherhauses. Bis ins frühe zwanzigste Jahrhundert hinein ließen sich die Hohenzollern damit als Bauherren feiern, und auch Zweck und Entstehungszeit der Gebäude wurden in vergoldeten Lettern kund getan. Vorbilder fand man vor allem in Rom, wo Inschriften an Triumphbögen und Tempeln, an Kirchen und Palästen auf Caesaren, Päpste und Potentaten weisen. Die Elogen feiern sie als Herrscher über den Erdkreis, als Beschützer des Glaubens, als Förderer der Kunst und Wissenschaft.
     Berliner Bauinschriften stehen in dieser Tradition. Die längsten schmückten einst das Schloss der Hohenzollern inmitten der Stadt. »Friedrich, König in Preußen, Kurfürst von Brandenburg, der fromme Vater des Vaterlandes, erbaute nach Wiederherstellung der alten Herrschaft der Preußen das Königsschloss und erweiterte es,

der Würde seiner Herrschaft gemäß, als der erhabene Erzeuger der edlen Künste und zum bleibenden Schmuck für seine Stadt und sein Jahrhundert« konnte man auf einer Tafel am Portal I des 1950 gesprengten Hohenzollernbaues lesen. Diese und andere Schrifttafeln am Schloss sind ebenso verloren wie das Schriftband, das sich in goldenen Buchstaben auf blauem Grund um den Tambour der Schlosskapelle schlang und lautete: »Es ist in keinem anderen Heil, es ist auch kein anderer Name den Menschen gegeben, denn der Name Jesu, zu Ehren des Vaters, dass im Namen Jesu sich beugen sollen aller derer Knie, die im Himmel und auf Erden und unter der Erden sind« (Apostelgeschichte Kap. IV, 12 und Philipperbrief Kap. II, 10). Wie solche Inschriften gewirkt haben, kann man noch heute am Portal des Zeughauses Unter den Linden erleben, wo über dem vergoldeten Brustbild Friedrich I. (1657-1713, als Friedrich III. Kurfürst ab 1688, König ab 1701) eine achtzeilige lateinische Inschrift prangt, die in deutscher Übersetzung verkündet: »Für die Gerechtigkeit durch Waffen, für die Abschreckung der Feinde, für den Schutz der eigenen Völker und der Verbündeten hat Friedrich I., König in Preußen, Vater des Vaterlandes, fromm, erhaben, unbesiegt, dieses Zeughaus, das mit aller Art Kriegsgerät sowie mit Kriegsbeute und Trophäen angefüllt ist, vom Fundament her erbauen lassen 1706«.
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Pantheon als Vorbild

Auch Friedrich der Große (1712-1786, König ab 1740), der Enkel jenes bauwütigen ersten Preußenkönigs, ist mehrfach durch Inschriften verewigt. »Fridericus Rex Apollini et Musis« (König Friedrich Apoll und den Musen) kann man wieder an der Fassade der Staatsoper lesen, wo beim Wiederaufbau nach dem Zweiten Weltkrieg die Inschrift »Deutsche Staatsoper« angebracht war. Die Wiederkehr der ursprünglichen Widmung hatte politische Gründe, denn unter Honecker (1912-1994) war »Preußen« wieder hoffähig. Das wurde auch durch die Aufstellung des Friedrich- Denkmals Unter den Linden und eben auch durch Wiederherstellung jener königlichen Inschrift kund getan, die Friedrich II. als Förderer der Künste und Wissenschaft feiert. Der Wahlspruch »Nutrimentum spiritus« (Nahrung für den Geist) an der ebenfalls unter seiner Regentschaft erbauten Bibliothek am Opernplatz, dem heutigen Bebelplatz, die wegen der geschwungenen Form auch Kommode genannt wird, ist gelegentlich von den Berlinern in »Sprit is ooch Nahrung« verballhornt worden.
     Ein berühmtes Vorbild gab es für die Hedwigskirche neben der Oper. Der in der Architekturgeschichte exzellent bewanderte Friedrich II. hatte befohlen, das neue Gotteshaus seiner katholischen Untertanen »der berühmten Rotonda, oder dem Pantheon in Rom, ähnlich zu machen« einschließlich der


Eloge für König Friedrich I., den Erbauer des Zeughauses Unter den Linden

obligatorischen Bauinschrift, die in der Übersetzung »Dieses Denkmal der Gnade König Friedrichs, der Heiligen Hedwig geweiht, hat Angelo Maria Quirini, Kardinal der Heiligen Römischen Kirche, auf eigene Kosten vollendet« lautet.

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Gelegentlich ging es bei Widmungen auch ganz knapp zu, so bei der Inschrift »Bellevue« über dem Eingang zum heutigen Sitz des Bundespräsidenten oder beim Motto über Friedrichs Potsdamer Sommerschloss »SANS, SOUCI« (Ohne Sorge), bei dem man sich seit 250 Jahren über das Komma in der Mitte streitet.
     Tiefe Ehrerbietung vor dem Landesherren und gelegentlich auch Spiel mit Daten lässt sich auf verschiedenen Bauinschriften ablesen. Die nach dem Zweiten Weltkrieg mit »Humboldt Universität« angebrachte Inschrift
am ehemaligen Prinz- Heinrich- Palais Unter den Linden nannte ursprünglich Friedrich Wilhelm III. (1770-1840, König von 1797-1840) als Stifter und dazu das Jahr 1809, obwohl der Universitätsbetrieb erst 1810 aufgenommen wurde. Die Widmung am Alten Museum »Friedrich Wilhelm III. gründete das Museum für das Studium der Antike in all ihren Formen und der schönen Künste 1828« ist ebenfalls nicht ganz korrekt. Zwar sehen die römischen Zahlenbuchstaben sehr dekorativ aus, doch bezeichnen sie nur einen Zwischenzustand, denn Schinkels Säulenbau wurde erst am 3. August

Inschrift an der Front von Schinkels Altem Museums am Lustgarten
1830, dem 60. Geburtstag des Königs, eröffnet. Verloren ist die Widmung am Schauspielhaus auf dem Gendarmenmarkt, die Friedrich Wilhelm III. als einen Monarchen lobt, der »das durch den Brand zerstörte Theater nebst seinem Konzertsaal zu würdiger Gestalt 1821 neu erstehen« ließ.

Dem deutschen Volke

Auch sein Sohn Friedrich Wilhelm IV. (1795-1861, König 1840-1858), der »Romantiker auf dem Thron«, ist auf verschiedenen Bauinschriften vertreten.

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Das Neue Museum auf der Museumsinsel, jetzt Baustelle, verkündet an der Seite zum Kupfergraben »Nur der Unwissende hasst die Kunst«, während zur Nationalgalerie »Das vom seligsten Vater gegründete Museum hat der Sohn erweitert 1855« geschrieben steht. Mit dem Sohn ist Friedrich Wilhelm IV. gemeint, der schräg gegenüber auf der Freitreppe der Nationalgalerie steht. Deren Inschrift »Der deutschen Kunst MDCCCLXXI« führt den Besucher in die Irre, denn in dem Kunsttempel sind natürlich auch zahlreiche Bilder und
Wiederhergestellt wurde der Spruch über dem Eingang der Neuen Synagoge
Skulpturen versammelt, die jenseits der deutschen Grenzen geschaffen wurden. Außerdem wurde der Bildertempel erst 1876 eingeweiht und nicht schon, wie die Inschrift vermuten lässt, im Jahr der deutschen Reichseinigung 1871.
     Die Frage, ob es noch zeitgemäß ist, öffentliche Gebäude überhaupt mit Inschriften zu versehen, wurde Ende des neunzehnten Jahrhunderts diskutiert. Anlass war der Streit um die Widmung, die das Reichstagsgebäude tragen sollte. Als Kaiser Wilhelm II. (1859-1941, preußischer König und deutscher Kaiser 1888-1918) im Jahre 1894 den Schlussstein für den
Wallotbau legte, fehlte dem Haus nur noch ein Motto über dem Portal. Der Kaiser konnte als Stifter nicht genannt werden, denn Bauherr war die oberste Volksvertretung. Dennoch gelang es dem Monarchen, der sich auch als oberster Kunstrichter empfand, die Anbringung der Inschrift »Dem Deutschen Volke« lange zu verhindern. »Unliebsame Erörterungen« in Kauf nehmend, wie es am Hofe hieß, schlug er die holprige Formulierung »Der Deutschen Einigkeit« vor. Dem hielten Kritiker mehr oder weniger witzige Varianten wie »Dem deutschen Heere« entgegen, weil bei der Eröffnung fast nur bunte Uniformen und blitzende Orden zu sehen waren.
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Der Historiker Heinrich von Sybel (1817-1895) war überzeugt, es bedürfe keiner besonderen Angabe, denn man sehe ja, dass im Reichstagsgebäude »kein Confectionslager existirt«. Das Thema kam im Ersten Weltkrieg erneut hoch, und jetzt zeigte sich der um Volksnähe bemühte Kaiser geneigt, die seinerzeit abgelehnte Inschrift gnädigst zu genehmigen. Doch keine Entscheidung ohne das Votum von Bedenkenträgern, und so verlagerte sich der neuerliche Streit auf die Frage, welche Schriftart zu verwenden sei - römische Antiqua, wie man sie so häufig in der Stadt sieht, oder deutsche Fraktur. Angebracht wurde 1916 eine »jugendstilige« Schrift, die Peter Behrens (1868-1940) entwarf. Generös stiftete der Kaiser erbeutete Kanonen für den Guss der Buchstaben.

Ein versteckter Name

In der Tradition barocker Bauinschriften steht an der Westfront des Französischen Doms auf dem Gendarmenmarkt eine der wenigen in Deutsch abgefassten Bauinschriften: »Gott zur Ehre der Gemeinde zum Segen unter dem Schutze der Hohenzollern erbaut 1705 erneut (sic) 1905.« Die etwa zeitgleiche Widmung in Latein an der Hochschule der Künste in der Hardenbergstraße lässt sich als »Zur Erziehung der Jugend für die Künste« übersetzen, und die Schrift am Theater des Westens in der Kantstraße nennt ausnahmsweise einen

Architekten, wenn sie in der Übersetzung verkündet »Dieses Haus erbaute für die Pflege der Kunst im Jahr 1896 Bernhard Sehring«.
     Mit einigem Spürsinn wird man im Berliner Stadtbild weitere Widmungen finden. Besonders fällt dabei die beim Wiederaufbau restaurierte Textzeile in hebräischen Lettern aus Jesaia 26,2 auf, die die Fassade der 1866 eröffneten Neuen Synagoge in der Oranienburger Straße schmückt und sich mit »Tuet auf die Pforten, dass einziehe das gerechte Volk, das bewahret die Treue« übersetzen lässt. Bei der ehemaligen Singakademie, dem heutigen Maxim-Gorki- Theater, muss man genau hinschauen, um eine recht ungewöhnliche Widmung zu finden, denn zwischen den Pilastern sind sechs vergoldete Buchstaben versteckt, die den Namen des berühmten Singakademie- Direktors Carl Friedrich Zelter (1758-1832) ergeben.
     Wer sucht, findet auch außerhalb der Stadt repräsentative Inschriften, so das Motto in lateinischer Sprache am Rheinsberger Schloss, das sich mit »Für Friedrich, wenn er die Ruhe pflegt 1739« übersetzen ließe, während am Schloss Oranienburg frisch vergoldete Lettern in der Übersetzung verkünden »Diese von Louise, der Prinzessin von Oranien, der besten Mutter, erbaute und durch den Namen ihres Geschlechts ausgezeichnete Schloss hat Kurfürst Friedrich III. zum Gedächtnis der sehr frommem Mutter erweitert, geschmückt und vermehrt 1690«.
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Portikus der Nationalgalerie
Verloren sind in und um Berlin mit den entsprechenden Bauwerken auch verschiedene Inschriften, so an der 1886 abgerissenen Münze am Werderschen Markt in Berlin die lateinische Widmung, die übersetzt lautet »Friedrich Wilhelm III. der Münzprägung, Mineralogie und Architektur 1800«, weil der tempelartige Bau neben der Münzfertigung auch ein mineralogisches Museum und die Bauverwaltung beherbergte, und die Widmung an der Garnisonskirche in Potsdam »Anno 1735 Friedrich Wilhelm König in Preußen hat diesen Thurm nebst der Garnisonkirche zur Ehre Gottes erbauen lassen«.

Fotos: LBV/Autor

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© Edition Luisenstadt, Berlinische Monatsschrift Heft 2/2001
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